Sein Theaterspiel war, wie Otto Schenk es einmal selbst formulierte, ein «heiterer Umweg», um das Leben auszuhalten. Der österreichische Schauspieler ist 94-jährig verstorben.
Als lustigen Menschen mochte er sich nicht bezeichnen, schon eher verstand sich Otto Schenk als «Handwerker des Humors». Mit der Wahl seiner Figuren bewies der «Theaterer» (so seine Eigendefinition) eine Sympathie für die Kleinen, die Dienenden dieser Welt.
Sein Einpersonenstück «Die Sternstunden des Josef Bieder» machte dies deutlich: Bieder, ein Requisiteur, sieht sich an einem vermeintlichen Schliesstag plötzlich einem vollen Haus gegenüber. Anstatt das Publikum nach Hause zu schicken, erheiterte er es mit Anekdoten aus dem Theaterleben und mit seiner tragikomischen Balletteinlage als sterbender Schwan.
Hohe Kunst des Blödelns
Schenk wurde am 12. Juni 1930 in Wien als Sohn eines jüdischen Notars geboren und studierte zunächst Jus. Mit dem komischen Talent des Vaters gesegnet und von diesem zur Schauspielerei ermutigt, liess Otto Schenk die Juristerei allerdings bald hinter sich und absolvierte eine Ausbildung am Max-Reinhardt-Seminar. Als Schauspieler eroberte er rasch die Bretter des Wiener Volkstheaters, des Theaters in der Josefstadt, das er auch einige Jahre leitete, und der Wiener Kabarettinstitution Simpl. Überdies begeisterte er in zahlreichen Filmrollen.
Sein komödiantisches Spiel war, wie er es einmal selbst formulierte, ein «heiterer Umweg», um das Leben auszuhalten. Der Darsteller hat dabei eine ganz eigene Form der Komik entwickelt. Sein an Zwischentönen und retardierenden Momenten so reicher Vortrag, die expressive Mimik und fuchtelnde Gestik paarten sich mit pointenstarkem Wortwitz. Er glänzte in der hohen Kunst des Blödelns, der Parodie und der clownesken Groteske. Doch wie es Clowns so an sich haben, bilden ihre infantilen Spässe oft nur die komische Kehrseite der tragischen, weil endlichen Existenz.
Parodie einer Suppenwerbung
Schenks kunstvolles Spiel mit der Deplaciertheit, sein Spass am Übertreiben der Form und am Sprengen der Norm legte menschliche Schwächen frei. Doch es entliess das Publikum niemals entzaubert, sondern entlastet. Ob er die Zunft der Regisseure parodierte oder eine Suppenwerbung, ob er Tucholsky und Polgar vortrug, Witze und Theatergeschichten erzählte – oder mit seinen kongenialen Partnern Helmuth Lohner und Alfred Böhm die Vernunftwelt kippte: Immer wusste er die komische Fallhöhe in all ihren Nuancen auszuloten. Mitunter konnte seine Blödelei auch in anarchischer Zerstörung enden: etwa in seiner Rolle als japanischer Hifi-Experte, der die Aufstellung einer Stereoanlage leitet und dabei das traute Heim des Kunden – man denkt unwillkürlich an Loriot – zum Einsturz bringt.
Seinen untrüglichen Theatersinn und seine umfassende Bühnenerfahrung brachte Schenk ab 1957 auch in zahllose Operninszenierungen an führenden internationalen Häusern ein. Unter anderem in Wien, Hamburg und München schuf er Deutungen der grossen Repertoirestücke, die lange Zeit als stilprägend angesehen wurden. Seine stets aus den Werken selbst entwickelten Lesarten standen allerdings zunehmend im Widerspruch zur aufkommenden Strömung des Regietheaters, das Texttreue als rückschrittlich missverstand. Gerade diese hat jedoch einige seiner Produktionen, etwa seinen Münchner «Rosenkavalier» oder den «Ring»-Zyklus an der New Yorker Met, zu Legenden werden lassen. Am 9. Januar ist Otto Schenk, der sich erst 2021 von der Bühne zurückzog, im Alter von 94 Jahren gestorben.