Die Trump-Regierung geht hart gegen angeblichen Antisemitismus an den Hochschulen vor. Wer nicht kooperiert, kann wichtige Fördergelder verlieren. Als erste Eliteuniversität klagt Harvard dagegen: Es spricht von einer «illegalen» Verletzung der Redefreiheit.
Bereits seit Wochen ermittelt die Trump-Regierung gegen zahlreiche Universitäten wegen möglicher Verstösse gegen das Bürgerrechtsgesetz. Sie wirft den Hochschulen unter anderem «antisemitische Belästigung und Diskriminierung» vor. Generell stehen die Universitäten unter dem Verdacht, jüdische Studenten während der propalästinensischen Proteste im vergangenen Jahr ungenügend geschützt und in ihrem Unterricht den Nahostkonflikt einseitig vermittelt zu haben.
In bisher mindestens sieben Fällen drohte die Regierung damit, den Universitäten die Fördergelder – insbesondere für die Forschung – zu streichen, sollten sie ihren Forderungen nicht nachkommen. Die Columbia University in New York gab im März diesem grossen Druck weitgehend nach. Die private Eliteuniversität willigte unter anderem ein, die Lehrpläne für Nahoststudien zu überarbeiten. Doch die renommierte Harvard University hat sich am Montag nun für den Weg des Widerstands entschieden. Ihr Präsident Alan Garber bezeichnete die Forderungen der Trump-Regierung in einer Erklärung als «illegalen» Übergriff: «Wir haben eine Klage eingereicht.»
Antisemitismus-Vorwurf als Machtinstrument?
Die Regierung drohte Harvard damit, Fördergelder von bis zu 9 Milliarden Dollar zu überprüfen. Die Universität versuchte sich in Verhandlungen mit Trumps Antisemitismus-Task-Force zu einigen. Doch am 11. April erhielt die Hochschule aus Washington einen Brief, mit für sie inakzeptablen Forderungen. Diese gingen weit über den Kampf gegen Antisemitismus hinaus, schreibt Garber. «Mit den Forderungen vom 11. April möchte die Regierung kontrollieren, wen wir anstellen und was wir unterrichten.»
Trumps Task-Force behauptete danach, der von drei Beamten unterzeichnete Brief sei aus Versehen an die Eliteuniversität versandt worden. Allerdings distanzierte sich die Regierung nicht von seinem Inhalt. Weil Harvard sich nicht beugen wollte, blockierte Washington insgesamt Fördergelder von 2,2 Milliarden Dollar. Präsident Trump schlug zudem vor, der Universität die Steuerbefreiung zu entziehen, sollte sie weiterhin «kranke» und «Terror unterstützende» Ideologien verbreiten. Die Ministerin für innere Sicherheit, Kristi Noem, drohte ihrerseits damit, der Hochschule die Möglichkeit für die Aufnahme und Einreise ausländischer Studenten zu nehmen.
Die Regierung soll derzeit die Einfrierung von weiteren Fördergeldern im Umfang von einer Milliarde Dollar erwägen. Die «wahllose Streichung» von Forschungsmitteln gefährde Amerikas Position als führender Innovationsstandort in der Welt, schreibt Garber warnend. Die Einfrierung von Fördergeldern setze etwa neue Erkenntnisse zu Krankheiten wie Krebs, Alzheimer oder Parkinson aufs Spiel. Dem grossen Druck aus Washington will Garber nicht nachgeben: «Heute stehen wir für die Werte ein, die Amerikas Hochschulbildung zu einem leuchtenden Vorbild für die Welt machten.»
Wegweisende Klage für den Widerstand
In ihrer Klage gegen mehrere Minister und leitende Beamte stützt sich die Universität Harvard vor allem auf das im ersten Zusatzartikel der Verfassung verankerte Recht auf Redefreiheit. Der Verfassungsartikel sei dazu geschaffen, um den Hörsaal als «Marktplatz der Ideen» zu schützen, heisst es in der Klage. Die Hochschule wirft der Regierung aber auch vor, sich nicht an das vom Bürgerrechtsgesetz vorgeschriebene Verfahren für die Ahndung von Diskriminierungen zu halten. «Es scheint, die Regierung macht einfach irgendwie, was sie will, ohne sich wirklich darum zu kümmern, was das Gesetz vorschreibt», erklärte der Verfassungsrechtler Kermit Roosevelt am Montag gegenüber der «Washington Post».
Viele amerikanische Universitäten hielten sich bisher mit lautstarker Kritik an der Regierung zurück. Doch Harvard erntet mit seinem entschlossenen Widerstand nun viel Solidarität. Am Dienstag unterzeichneten über 170 Führungspersonen von Universitäten und akademischen Verbänden eine gemeinsame Erklärung: «Wir müssen uns gegen eine unzulässige staatliche Einmischung wehren», heisst es darin. Die Suche nach der Wahrheit erfordere einen freien Austausch von Meinungen «ohne Angst vor Vergeltung, Zensur oder Ausschaffung».
Auch dieser Rechtsstreit wird am Ende womöglich durch den Supreme Court entschieden. Ein Sieg für Harvard könnte auch den Widerstandsgeist an anderen Hochschulen stärken, meint der Rechtsprofessor Roosevelt. Aber eine Niederlage würde womöglich «das Ende des Widerstands» bedeuten.