Die Vendée-Globe-Teilnehmer Alan Roura, Oliver Heer und Justine Mettraux gründen das Offshore-Nationalteam. Es soll hiesige Talente zur Teilnahme an den wichtigsten Hochseeregatten animieren.
Es war ein ernüchterndes Bild, das sich Beobachtern am Sonntag in Barcelona bot: Alinghis «Boat One», zuvor im Halbfinal der Vorausscheidung zum America’s Cup ausgeschieden, lag auf der Seite, nachdem es gekentert war. Das Training von Alinghi vor der Küste Barcelonas, möglicherweise im Hinblick auf eine nächste Cup-Teilnahme, hatte im Chaos geendet. Nun musste die Schweizer Segelcrew Wasser aus dem Rumpf pumpen. Die Schweiz eine Segelnation? Mitnichten. Das war einmal. So scheint es.
Justine Mettraux ist die erste Schweizerin an der Vendée Globe
In fünf Wochen wird das anders sein: Am Start zur Vendée Globe werden vier Boote mit Schweizer Flagge stehen. Damit werden zehn Prozent der Teilnehmenden ein Land vertreten, das keinen Meeresanschluss hat. Drei Skipper aus der Schweiz absolvieren das härteste Segelrennen der Welt: Sie werden alleine und ohne Hilfe nonstop rund um die Erde segeln. Mit Justine Mettraux nimmt erstmals eine Schweizerin teil, mit Oliver Heer zum ersten Mal ein Deutschschweizer, zudem bereits zum dritten Mal Alan Roura. Ein viertes Boot trägt den Namen eines Schweizer Konzerns mit Sitz in Zug, gesteuert wird es von einem französischen Solosegler.
Startet der Schweizer Segelsport damit in ein goldenes Zeitalter? Das jedenfalls glaubt Alan Roura. «Es herrscht eine Dynamik in allen Bereichen, und es gibt eine Fülle von Talenten, die nur darauf warten, sich auf verschiedenen Bootstypen auszudrücken», sagt der Genfer.
Roura ist Mitinitiant des Projekts «Swiss Offshore Team», das darauf abzielt, junge Schweizer Segler und Seglerinnen, Entscheidungsträger und Institutionen von dem Vorhaben zu überzeugen, an den bedeutendsten Offshore-Rennen teilzunehmen. Zu den weiteren Initianten zählen Elodie Mettraux, die Schwester von Justine, die ebenfalls eine erfahrene Weltumseglerin ist, und Simon Koster, zweifacher Teilnehmer an der Route du Rhum.
Für den Zürcher ist die Lancierung des Projekts nicht nur wegen der Teilnahme dreier Schweizer Segler an der Vendée Globe ideal. «Die Entscheidung des Ocean Race, sich auf die Imoca-Klasse zu konzentrieren, ist ein wichtiger Faktor in unseren Plänen», sagt der Segler, der seit zwei Saisons Mitglied in Rouras Team ist. Die Entscheidung bedeutet, dass die Boote, die für die Vendée Globe gebaut werden, nach einem Umbau auch für Rennen mit Crews eingesetzt werden können.
Das Ziel des Trios ist sehr ehrgeizig: Nach der Gründung des Offshore-Teams soll 2025 ein Aufruf an Schweizer Segler gestartet werden, sich für das Kader zu bewerben. Gemäss dem Pressecommuniqué sind die drei Co-Skipper daran interessiert, «ein breites Spektrum an Profilen anzuziehen». Die Initianten denken dabei an alle Bereiche des Segelsports. «Alle, die grosse Träume haben, können ihr Glück versuchen», hiess es in der Medienmitteilung weiter. Das erste Etappenziel besteht darin, im nächsten Jahr mit dem Boot von Alan Roura am Ocean Race Europe teilzunehmen. Die drei denken aber bereits weiter – und kühner: «Letztlich könnte die Idee darin bestehen, zwei Boote im Team zu haben», sagt Roura.
Eine wichtige Frage bleibt: Wer finanziert den Traum?
Die Träume könnten allerdings schon bald am benötigten Kapital scheitern. Wie die Finanzierung eines «Offshore-Nationalteams» konkret aussehen könnte – dazu haben die drei Segler lediglich vage Vorstellungen. Sie hoffen auf die «Begeisterung und Unterstützung von Partnern, die bereit sind, sich langfristig zu engagieren». Schweizer Unternehmen soll der Vorzug gegeben werden, «um die Identität zu bewahren, die für Know-how und Zuverlässigkeit steht», so lässt sich Roura in der Medienmitteilung zitieren.
Über die Schwierigkeit, mit Offshore-Segeln Geld zu akquirieren, könnten Dominique Wavre und Bernard Stamm viel erzählen. Die zwei Schweizer waren vor zwanzig Jahren regelmässig und erfolgreich auf den Weltmeeren unterwegs. Sie waren Einzelgänger, wie das bei Soloseglern häufig der Fall ist. Ihre ganze Sportkarriere lang kämpften sie um Sponsoren und Geld. Die aufwendigen und langwierigen Bemühungen um die Finanzierung der Projekte liessen eine Zusammenarbeit zwischen Seglern meist nicht zu.
Die neue Generation setzt nun vermehrt auf Kooperationen. Segler, die selber keine Kampagnen finanzieren konnten, arbeiten bei anderen Teams, wie das heute Koster tut – und früher Heer tat. Den Initianten muss zugutegehalten werden, dass der Moment der Lancierung ihres Projekts tatsächlich gut gewählt ist: Die 10. Ausgabe der Vendée Globe, davon ist man in Frankreich überzeugt, wird punkto Teilnehmerzahl (40 Boote) und Resonanz alles Bisherige in den Schatten stellen.