Im vergangenen Jahr machte der russische Militärpilot Maxim Kusminow Schlagzeilen, als er in einer waghalsigen Aktion mitsamt seinem Helikopter zu den Ukrainern überlief. Nun soll er in Südspanien in einem Kugelhagel umgekommen sein.
«Ich beschloss, dass ich mich an diesem Verbrechen nicht beteiligen würde.» So begründete der 28-jährige russische Militärpilot Maxim Kusminow im vergangenen September bei einem Auftritt in Kiew seine Entscheidung, zu desertieren und zur ukrainischen Seite überzulaufen. Er sei von Beginn weg gegen diesen Krieg gewesen, sagte er. Wenige Wochen zuvor hatte er seinen Helikopter unbemerkt über die Grenze gelenkt und den Ukrainern übergeben – ein brillanter Propagandacoup der Regierung in Kiew.
Nun soll Kusminow tot sein, erschossen im spanischen Ferienort Villajoyosa an der Costa Blanca. So stellt es zumindest der ukrainische Militärgeheimdienst dar, der die Desertion des Russen koordiniert hatte und ihm eine neue Identität verschaffte. Von spanischer Seite gibt es keine klare Bestätigung. Die örtliche Polizei meldete am 13. Februar einen tödlichen Anschlag in einer Tiefgarage und ausserhalb der Stadt ein ausgebranntes Auto, das den Attentätern als Fluchtfahrzeug gedient haben soll.
Die Polizei identifizierte das von rund einem Dutzend Kugeln getroffene Opfer als einen 33-jährigen Ukrainer. Sie ging anfangs offenbar von einer Abrechnung innerhalb von kriminellen osteuropäischen Gruppen aus. In der betreffenden Feriensiedlung leben zahlreiche Russen und Ukrainer.
Erst diese Woche erhielt der Fall internationale Beachtung, als in Kiew mitgeteilt wurde, hinter der Scheinidentität dieses 33-Jährigen habe sich niemand anders als der Deserteur Kusminow versteckt. Die spanische Nachrichtenagentur EFE meldete unter Berufung auf anonyme Quellen im Umfeld der Ermittler, dass dies zutreffe. Doch die Untersuchung dauert an, und die Behörden haben bisher offiziell keine Stellung zu dieser Mord-Theorie genommen.
Kusminow war auf der Abschussliste
Einige russische Beobachter finden es verdächtig, dass die ukrainische Seite so freimütig informiert – ganz so, als ob sie die Öffentlichkeit vom Tod Kusminows überzeugen wolle. Sie mutmassen deshalb, dass Kiew dem Piloten eine Deckmantel-Erzählung verschaffen wolle, um ihm beim Untertauchen zu helfen. Solche Spekulationen blühen, solange die spanischen Behörden dem Fall nicht auf den Grund gehen und Licht in die Aktivitäten des russischen Geheimdiensts in der Region bringen.
Moskau ist eine blutige Vergeltung zuzutrauen, da das Putin-Regime auf «Verrat» in den eigenen Reihen immer wieder mit tödlicher Gewalt reagiert hat. Der Chef des russischen Auslandgeheimdiensts SWR, Sergei Naryschkin, bestätigte die Urheberschaft Moskaus nicht, machte aber deutlich, dass Kusminow auf einer Abschussliste gestanden hatte. Der Deserteur sei vom Moment seines Absprungs an eine «moralische Leiche» gewesen, sagte er am Dienstag gegenüber Journalisten.
Russland hat ein Interesse an einer abschreckenden Wirkung auf all jene russischen Militärangehörigen, die von ähnlichen Gewissensbissen wie Kusminow geplagt werden und sich eine Desertion überlegen. In einem Video hatte der Helikopterpilot im Detail erzählt, wie er vorgegangen war. Er kontaktierte demnach im Voraus den ukrainischen Militärgeheimdienst, handelte Sicherheitsgarantien aus und wartete dann auf eine günstige Gelegenheit.
Diese bot sich bei einem Transportflug in Grenznähe am 9. August, als er mit ausgeschaltetem Funk unterwegs war. Er hielt seine Mi-8 auf geringer Flughöhe, um vom russischen Radar nicht entdeckt zu werden, und landete innert Minuten auf ukrainischem Boden an einer mit dem Geheimdienst vereinbarten Stelle. Den beiden übrigen Besatzungsmitgliedern gelang es nicht, ihn zu stoppen. Sie wurden nach ukrainischen Angaben erschossen, als sie nach der Landung zu Fuss zu fliehen versuchten.
In dem Video rief Kusminow die russischen Kriegsteilnehmer auf, es ihm gleichzutun. Es gebe in der Ukraine keine Nazis, wie die Propaganda immer behaupte. Stattdessen verübe Moskau einen Genozid am ukrainischen Volk. Wer sich zur Desertion entscheide, werde dies nie bereuen, zumal die ukrainische Seite für ein gut abgesichertes Leben sorge. Zumindest der letztere Wunsch ist nun, sollte sich die Todesnachricht bestätigen, nicht in Erfüllung gegangen.