Die Castingshow «Germany’s Next Topmodel» ist eine TV-Institution, scheinbar ewig jung. So wie Heidi Klum, die dem Modelnachwuchs vormacht, wie man sich maximal erfolgreich selbst vermarktet.
Als eine 18-jährige Abiturientin aus Bergisch Gladbach den Steinzeit-Wettbewerb «Model ’92» und üppige 300 000 Dollar gewann, kannte niemand ihren Namen. Heute kennen alle die Vierfach-Mama Heidi Klum, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Amerika, ihrer Wahlheimat seit 1993. Dort machte sie sich unter anderem als Jurorin der TV-Show «America’s Got Talent» beliebt.
Der Stern von «GNTM», erstmalig ausgestrahlt 2006 auf Pro Sieben, hat nicht immer gleich hell geleuchtet, das rigide Idealkörper-Diktat – im unbarmherzigen Modelgeschäft an der Tagesordnung – stand zeitweise bös in der Kritik. Auf der Suche nach Sündenböcken für die alarmierenden Zahlen bei Essstörungen wurden Besorgte und Empörte schnell fündig: Schuld daran mussten homosexuelle Designer, Modemagazine und «GNTM» sein.
Aus Alt mach Neu und umgekehrt
Deshalb wurde das Modelvokabular erst einmal in Sachen Körpertoleranz und Kleidergrössen erweitert um Attribute wie curvy, petite oder plus size. Danach entdeckte man auch noch ein Extra-Herz für ältere Models. In der neuen Jubiläumsstaffel sind zum ersten Mal auch Plus-Size-Männer, ein Best-Ager-Mann und zwei Best-Ager-Frauen dabei.
Mittlerweile haben sich in der Modewelt die Ideale von einst mehrheitlich wieder durchgesetzt, die Models auf den Laufstegen von Mailand, Paris und New York sind dünner als Hollywood nach Ozempic. Heidi Klum hingegen strotzt vor Gesundheit und Optimismus, im Gesicht ist alles glatt, dazu gibt’s ein big smile, und die Augen lächeln mit.
Heidi Klum, die in Amerika dank der früher wöchentlich erscheinenden Zeitschrift «Sports Illustrated» und den Unterwäsche-Shows von Victoria’s Secret Supermodelstatus erlangte, verkörpert keine fragwürdigen, Essstörungen provozierenden «Traummasse», sie steht von jeher für Fitness und Kurven. Alles sitzt bei der heute 51-Jährigen.
«GNTM» und die Männer
Bis zur 19. Staffel 2024 waren Männer nur geduldet – als Nebendarsteller. Sie nahmen Positionen als Stamm- oder Gastjuroren wahr, von denen sich Heidi Klum oder Pro Sieben oder eventuell beide trennten. So geschehen etwa bei Bruce Darnell, einem ehemaligen Fallschirmjäger, der von der Flughafenpiste auf die internationalen Runways wechselte. Der Publikumsliebling mit starkem amerikanischem Akzent («Die Handetasche muss auch lebendig sein!», «Drama, Baby, Drama!») fand eine neue Heimat beim Konkurrenten RTL als Dieter Bohlens Co-Juror in «Das Supertalent».
Ebenfalls geschasst wurde der Model-Booker Peyman Amin, der seit dem Rauswurf gegen Klum giftelt und den Siegerinnen eine im Sand verlaufende Karriere prophezeit. Einer, der bis in die Gegenwart bleiben durfte, ist der Creative Director Thomas Hayo, wie Klum ist er im Besitz der amerikanischen Staatsbürgerschaft. Hayo entfacht, trotz Jahrgang 1969, vorwiegend unter Heidis Modelkandidatinnen Stürme der Begeisterung.
Immer wieder gelingt es «GNTM», namhafte Designer und internationale Topmodels als Gäste zu gewinnen, die zum Ende der jeweiligen Sendung mitentscheiden, wer ein Foto bekommt und wer endgültig verabschiedet wird. Wobei Heidi Klum das letzte Wort haben dürfte, es sei denn, die Chefredaktorin der «Harper’s Bazaar» hat ein Wörtchen mitzureden, wenn sich die Reihen allmählich lichten – schliesslich landen die Gewinnerinnen und Gewinner auf dem Cover der deutschen Ausgabe des Modemagazins.
Family-Affair: Die Klum-Genealogie
Früher hielt Heidi Klums Vater Günther die Zügel straff in der Hand bei One-eins Fab, der Agentur, die die «GNTM»-Gewinnerinnen vertrat. Dass er da sittenwidrige Knebelverträge ausgehändigt haben soll, wies Günther Klum unlängst in einem Statement «scharf zurück». Als «scharf» könnte man auch den Tonfall in besagtem Dokument bezeichnen.
Mittlerweile hat Papa Klum, 79, professionell bei GNTM ausgedient. Dafür ist Leni jetzt dabei, eines seiner Enkelkinder, sie radebrecht mit starkem amerikanischem Akzent drauflos, wenn sie einen Gastauftritt in der Modelsendung hat und strahlend gute Laune verbreiten darf.
Heidi Klums älteste Tochter Leni stammt aus der Beziehung mit dem 23 Jahre älteren Formel-1-Manager Flavio Briatore. Zwei Söhne und eine Tochter bekam Heidi Klum mit dem britischen Sänger Seal. Dieser Tage machte der Sprössling Henry erste Schlagzeilen als Laufstegdebütant in Paris. Inzwischen ist die 51-Jährige mit einem Kaulitz-Twin verheiratet, dem weniger schrillen Tom.
Und weil ein Zwilling selten allein kommt, hat das Model auch den dauerfröhlichen Bill an der Backe. Man versteht sich blendend und ist kunterbunt divers. Bill und Heidi versuchten 2019 das Konzept von «RuPaul’s Drag Race» nach Deutschland zu exportieren und mit «GNTM» zu kreuzen: Nach einer Staffel war bei «Queen of Drags» aber der Ofen aus.
«GNTM» gegen «ANTM»
Ganz anders verhält es sich mit «Germany’s Next Topmodel», Heidi Klums Zugpferd. Es hat «America’s Next Top Model» längst abgehängt. Das vom Supermodel Tyra Banks moderierte amerikanische Original wurde 2015 eingestellt. Das Generikum made in Germany triumphierte, wer hätte das gedacht. Vielleicht auch, weil sich in den USA traditionelle Schönheitswettbewerbe wie die Wahl zur Miss America nach wie vor grosser Beliebtheit erfreuen, während man hierzulande den Missen (vorläufig) keine Träne nachweint. Den Namen der amtierenden Miss Germany weiss wohl nur noch die Gewinnerin selbst.
Wer hat sich denn nun über die Berlin Fashion Week hinaus einen Namen gemacht nach dem Gewinn der Heidi-Klum-Show? Bei den Namen Lena Gercke und Stefanie Giesinger macht sich in den Modemetropolen London, Mailand, Paris und New York eine ehrfürchtige Stille breit. Aber um den Durchbruch auf den Laufstegen geht es bei «GNTM» schon lange nicht mehr. Bekannt und erfolgreich hat die Show beide Frauen gemacht: Lena Gercke folgen auf Instagram mittlerweile drei Millionen, Stefanie Giesinger ganze fünf Millionen Menschen.
Am 13. Februar 2025 startet auf RTL die 20. Staffel von «Germany’s Next Topmodel».