Hierzulande lieben wir den Ricotta als leicht krümeligen Frischkäse mit mild-cremigem Geschmack. Er kann aber auch anders.
Milch, ob von der Kuh, der Ziege oder dem Schaf, ist eine Verwandlungskünstlerin wie kaum ein anderes Lebensmittel. Und natürlich fragt man sich immer wieder einmal – ähnlich wie bei der Kaffee- oder der Kakaobohne –, wie um Himmels willen die uns so vertraut gewordenen Endprodukte eigentlich entstanden sind.
War es Zufall, dass aus den Kernen der Kaffee- und Kakaofrüchte durch Fermentation und Röstung und Aufgiessen mit Wasser beziehungsweise Conchieren irgendwann ein Getränk oder Schokolade entstanden ist? Das kann sich doch genauso wenig jemand ausgedacht und geplant haben wie alle Zwischen- und Endprodukte, in die sich Milch verwandeln lässt, wenn sie stehen gelassen, erhitzt, gekühlt, geschüttelt, mit Bakterien und Lab geimpft, abgeschöpft, zerschnitten, mit Säure zersetzt, mit Salz gewürzt oder als Hartkäse bis zu jahrzehntelang gelagert wird.
Zweifellos war es im Fall der Milch die schiere Notwendigkeit, die unsere Vorfahren zum Experimentieren zwang. Ohne Kühlmöglichkeiten verdarb die mit grosser Mühe den Nutztieren entlockte nahrhafte Flüssigkeit innert weniger Tage.
Erste Spuren der Gerinnung von Eiweissbestandteilen in Milch – unabdingbar zur Käseherstellung – fand man in Gefässen aus der Jungsteinzeit, etwa 5000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Man entdeckte da auch Hinweise auf weitverbreitete Laktoseintoleranz der damaligen Menschen, ein weiterer Grund neben der Haltbarmachung, die Milch inhaltlich so zu verändern, dass sie für mehr Menschen verträglicher wurde.
Schon von Squacquerone und Stracciatella gehört?
Mit der industriellen Verarbeitung ging der breiten Bevölkerung das Wissen um die wundersame Veränderung der Aggregatszustände von Milch in halbflüssige bis sehr feste Formen weitgehend verloren. Auch kennt kaum jemand noch andere Produkte aus der Milch-Gerinnungs-Timeline als Ricotta, Mascarpone und Mozzarella, die alle schnöde aus dem Kühlregal gezogen werden.
Oder haben Sie schon einmal etwas von Squacquerone gehört, dem frischesten Frischkäse, hergestellt nur in einigen Provinzen in der Romagna? Sein engster Verwandter, die Stracciatella (oft auch aus Büffelmilch hergestellt), ist schon etwas fester, sie wird einige Tage länger gereift als Squacquerone.
Beide sind trotz allen Kühlungsfortschritten nur einige Tage haltbar – ein beruhigender Gedanke, dass die Natur auch von der besten Logistik nicht immer übertölpelt wird.
Am bekanntesten und ebenso beliebt hierzulande ist der Ricotta, ein sogenannter Molkenkäse, ähnlich unserem Glarner Ziger. Sein Name (vom lateinischen «recocta» – nochmals gekocht) ist ein Hinweis auf seine Herstellung. Er wird aus der Molke, eigentlich ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Mozzarella, Pecorino oder anderem Käse, erzeugt.
Der Molke werden etwas Milch oder Rahm und Säure in Form vom Zitronensaft oder Essig zugesetzt. Beim langsamen Erhitzen auf 80 bis 90 Grad gerinnt das in der Molke verbliebene Eiweiss und wird fest. Die so entstandene Ricotta-Masse wird nochmals erwärmt, dabei trennt sich die Flüssigkeit vom Frischkäse. Wird er in die typischen Körbchenformen abgeschöpft, tropft danach die restliche Flüssigkeit heraus.
Es gibt den Ricotta aber nicht nur als leicht krümeligen Frischkäse mit mild-cremigem Geschmack. Bei uns weniger bekannt – aber bei Liebhabern heiss begehrt – ist der Ricotta salata mit seiner typischen Kegelform. Wie der Name impliziert, ist es ein mit Salz eingeriebener und dadurch zu längerer Reifung und Lagerung fähiger Käse, ausgezeichnet über Pasta und Risotto gerieben. Er wird meist aus Mischmilch von der Kuh, dem Schaf und der Ziege hergestellt und zeichnet sich im Gegensatz zum frischen Ricotta durch einen prägnanten Geschmack aus.
Fünf Ricotta-Tipps:
- Ich verwende Ricotta nicht nur als Füllung für Ravioli und Tortelloni, sondern auch für Gnocchi-Teig, als Käsekuchen-Füllung, als Pizzabelag oder für Tiramisu.
- Auch in Dips und in gewürzten Saucen für Fleischfondue macht Ricotta eine gute Figur.
- Finde ich das Produkt bei kleinen, artisanalen Produzenten, dann am liebsten mit krachend frischem Brot und bestem Olivenöl und Salz.
- In italienischen Spezialitätenläden findet sich auch der eine oder andere Ricotta-Exot: aus dem Friaul über Buchenholz geräuchter Ricotta affumicato oder der wie ein Kuchen im Ofen gebackener Ricotta al Forno, mit kompaktem, aber leicht bröckligem Teig, sehr lecker grob gerieben über Auberginen-Pasta.
- Die auch in Italien nicht einfach zu findenden Ricotta di Bufala Campana aus Büffelmilch und Ricotta Romana aus 100 Prozent Schafsmolke – beide mit geschützter Ursprungsbezeichnung – sind rar und teuer. Unbedingt kaufen, stösst man doch einmal darauf!
Ricotta selber machen:
Ricotta in seiner einfachsten Form lässt sich auch mittels eines vereinfachten Verfahrens sehr gut zu Hause selber herstellen. Dazu werden pasteurisierte Bio-Milch und Rahm erwärmt und mit Zitronensaft oder Apfelessig dickgelegt. So nennt man in der Käsersprache den Vorgang der beginnenden Gerinnung. Griffbereit sollte man auch Wasser und Salz haben. Die Zutaten und die genaue Zubereitung finden sich hier.
Zwei Rezepte mit Ricotta:
Richi Kägi ist Autor und Foodscout, schreibt Kochbücher und Kolumnen. Seine Rezepte veröffentlicht er auf homemade.ch und richardkaegi.ch. Instagram @richifoodscout