Mit Botox-Spritzen und anderen Behandlungen zur Verjüngung der Haut werden Milliarden erwirtschaftet. Gross in diesem Geschäft mischen Finanzinvestoren mit. Sie stehen auch hinter dem Erfolg der Zuger Firma Galderma.
Noch vor 15, 20 Jahren waren es vor allem Leute aus dem Showbusiness und gut verdienende Manager, die ihr Äusseres bei Schönheitschirurgen und Hautärzten verjüngen liessen. Doch aus einem exklusiven Geschäft ist längst ein Massenmarkt geworden. Auch Lehrer, Büroangestellte oder Verkäuferinnen gehören mittlerweile zur Zielgruppe.
Hohes weltweites Wachstum
2023 wurden weltweit im Bereich der ästhetischen Chirurgie geschätzte 35 Millionen Eingriffe vorgenommen, nichtinvasive Behandlungen wie Botox-Spritzen zur Glättung von Falten eingerechnet. Damit wurde laut der Branchenorganisation International Society of Aesthetic Plastic Surgery allein innerhalb von vier Jahren eine Zunahme von 10 Millionen Eingriffen verzeichnet.
Mittlerweile ist dieses Geschäft mit der Schönheit, so vermuten Marktbeobachter von Grand View Research, gut 80 Milliarden Dollar wert. Und es könnte, wenn sich ihre Prophezeiungen bewahrheiten, bis in fünf Jahren ein Volumen von über 140 Milliarden Dollar erreichen.
Auch in Kleinstädten boomen Schönheitspraxen
In den USA sind Praxen für ästhetische medizinische Eingriffe längst nicht mehr nur in Kalifornien oder in Grossstädten der Ostküste wie New York und Boston anzutreffen. Es gibt sie auch in Kleinstädten, ähnlich wie sie auch in Europa keine Domäne von Metropolen wie London, Paris, Hamburg oder München mehr darstellen.
Mittlerweile finden sich zudem zahlreiche Kunden auch ausserhalb von Industriestaaten. Selbst in krisengeplagten Ländern wie Argentinien und Iran stiess die ästhetische Medizin in den vergangenen Jahren auf eine stark steigende Nachfrage.
Ihr Wachstum, das zunehmend in die Breite geht, verdankt die Branche zu einem guten Teil den Vorleistungen von Finanzinvestoren. So haben zahlreiche Beteiligungsgesellschaften aus dem Private-Equity-Bereich in den vergangenen Jahren das Geschäft mit der ästhetischen Medizin entdeckt. Sie investieren aggressiv in Ketten von Schönheitspraxen, in denen nicht selten gar kein Arzt mehr tätig ist. Anstelle von Medizinern verabreichen Krankenschwestern und in gewissen Ländern sogar Kosmetikerinnen kostengünstig Botox-Spritzen und andere Präparate zur Verjüngung der Haut.
Diese Praxis ist nicht unproblematisch. So beklagen sich Hautärzte und Chirurgen immer wieder, dass es wegen unsachgemässer Eingriffe zu Folgeschäden komme, deren Beseitigung sie übernehmen müssten.
Galderma beweist goldrichtiges Timing
Ein direkter Profiteur der enormen Mengenausweitung ist der Zuger Konzern Galderma. Das Unternehmen, das im zurückliegenden Jahr einen geschätzten Umsatz von 4,4 Milliarden Dollar erwirtschaftet hat, gilt als Nummer zwei unter den Lieferanten von Produkten für Praxen aus dem Bereich der ästhetischen Medizin. Marktführer ist der amerikanische Pharmakonzern Abbvie, dem die Marke Botox gehört.
Galderma wurde Anfang der 1980er Jahre als Gemeinschaftsunternehmen vom Nahrungsmittelhersteller Nestlé und vom Kosmetikkonzern L’Oréal gegründet. Später ging die Firma in den Besitz von Privat-Equity-Investoren über, die im März 2024 einen Minderheitsanteil über die Börse verkauften. Sie bewiesen mit diesem Schritt ein goldrichtiges Timing, denn der Aktienkurs von Galderma stieg seit dem Börsengang fast pausenlos.
Inzwischen ist die Notierung auf über 100 Franken geklettert und beträgt damit annähernd das Doppelte des letztjährigen Emissionspreises von 53 Franken. Analytiker der Bank Vontobel bezeichneten die Kursentwicklung kurz vor Weihnachten denn auch als «phänomenal». Allerdings kamen sie zugleich zu dem Schluss, dass die Bewertung des Unternehmens nun «eher beherzt» sei, und zogen ihre Kaufempfehlung für die Aktien von Galderma zurück.
Die Branchenbeobachter begründeten ihre Zurückhaltung auch damit, dass sie Gefahren bei der Nachfrage nach «injizierbarer Ästhetik» in den USA sähen. Wegen der allgemein verschlechterten Konsumentenstimmung drohe auch diese schwach zu bleiben.
Kein Einbruch selbst bei einer Rezession?
Diametral anderer Meinung sind die Analysten der Grossbank UBS. Sie glauben, dass der amerikanische Markt 2025 weiteres Wachstum verspricht. Es dürfte rund 8 Prozent betragen, meinen sie und stützen sich dabei auf eine eigene Umfrage unter amerikanischen Dermatologen und Schönheitschirurgen.
Wie zudem jüngst die Wirtschaftszeitschrift «The Economist» berichtete, gaben nur 7 Prozent der befragten amerikanischen Konsumenten, die bereits eine Verjüngungsbehandlung nachgefragt hatten, an, in einer Rezession darauf zu verzichten. Die ästhetische Medizin scheint also ein ziemlich krisensicheres Geschäft zu sein.
In der Vermarktung sogenannter Neuromodulatoren, wie die Spritzen zur Faltenentfernung vom Typ Botox auch genannt werden, setzte Galderma mit Dysport bis anhin auf ein Produkt des französischen Pharmakonzerns Ipsen. Künftig will der Konzern seiner Kundschaft aber vorwiegend ein Angebot aus eigener Entwicklung und Herstellung machen.
Das Produkt namens Relfydess, das nach Einschätzung der UBS-Analysten Galderma wegen des Wegfalls von Lizenzgebühren eine deutlich höhere Bruttomarge als Dysport einbringen sollte, wurde Ende Juli 2024 in der EU zugelassen. Ab Anfang 2026 könnte es auch in den USA erhältlich sein, wobei Galderma dieses Jahr aber erst noch ein Zulassungsgesuch stellen muss.
Befürchtungen wegen amerikanischer Strafzölle
Relfydess hat den Vorteil, dass es nur alle sechs Monate verabreicht werden muss. Die Botox-Spritzen des Konkurrenten Abbvie versprechen im Gegensatz dazu, Patienten lediglich drei bis vier Monate faltenfrei zu machen. Ähnlich lange wirksam wie Relfydess soll das Produkt Daxxify des amerikanischen Anbieters Revance sein. Seit seiner Zulassung in den USA Ende 2022 erfreut es sich einer boomenden Nachfrage.
Noch offen ist, wie sich allfällige Strafzölle der neuen US-Regierung auf Geschäfte im Bereich der ästhetischen Medizin auswirken werden. Botox, Dysport und Relfydess haben ebenso wie ein weiteres Produkt der deutschen Firma Merz-Pharma den Nachteil, dass sie allesamt in europäischen Ländern und damit ausserhalb der Vereinigten Staaten gefertigt werden.
Bei Galderma kommt hinzu, dass auch die Hautcrèmes der umsatzstarken Marke Cetaphil nicht in den USA, sondern im benachbarten Kanada produziert werden. Konkurrenten wie L’Oréal wären laut den UBS-Analysten hingegen dank amerikanischen Fertigungsstätten in der Lage, Zölle der protektionistischen Trump-Regierung zu umgehen.