Der Spardruck ist so gross, dass der Bundesrat auch bei Forschung und Bildung bremsen will. Die ETH und die Universitäten leiden unter dem Ende der «Friedensdividende».
Von wegen Elfenbeinturm: Die obersten Repräsentanten der akademischen Schweiz verstecken sich nicht im Studierzimmer. Zumindest wenn es ums Geld geht, stehen sie mit beiden Beinen auf dem harten Boden der Realpolitik. Den Tatbeweis haben sie am Montag erbracht, als die vereinten Hochschulen, der Nationalfonds und die Akademien der Wissenschaften in Bern zur Medienkonferenz luden. Ihre Mitstreiter von der ETH Zürich mochten nicht so lange warten, sie sind bereits letzte Woche vorgeprescht.
Die Universitäten und ihre Verbündeten kämpfen um das Geld des Bundes. Dessen Finanzlage hat sich nach sorglosen Jahren abrupt verschlechtert. Selbst wenn man die ausserordentlichen Corona-Milliarden nicht einrechnet, hat der Bund zuletzt viermal in Folge ein Defizit eingefahren. In den nächsten Jahren drohen weitere Fehlbeträge bis zu 4 Milliarden Franken. Dies aber ist rechtlich nicht erlaubt: Der Bund darf kein Budget beschliessen, das die Vorgaben der Schuldenbremse verletzt. Also muss der Bundesrat handeln, unter anderem will er bei der Bildung sparen.
Ausnahmsweise trifft der Begriff «sparen» tatsächlich zu, zumindest in einem Jahr: Setzt sich der Bundesrat durch, fliessen 2025 gesamthaft weniger Gelder in die Bereiche Bildung, Forschung und Innovation als im Vorjahr. Laut den Hochschulen wäre dies das erste Mal seit den 1990er Jahren, dass ihnen weniger Bundesmittel zur Verfügung stünden.
Nur der Sozialstaat wuchs noch stärker
Tatsächlich haben die Ausgaben des Bundes für Bildung und Forschung lange überdurchschnittlich stark zugenommen: Seit 1990 sind sie von 2,9 auf 8,4 Milliarden Franken im Jahr 2024 gestiegen. Im Vergleich mit den anderen grösseren Aufgabengebieten sind nur die Sozialausgaben noch kräftiger gewachsen.
Eindrücklich ist die Gegenüberstellung von Bildung und Armee. 1990 hat der Bund für den gesamten Sicherheitsbereich, bei dem die militärische Landesverteidigung am stärksten ins Gewicht fällt, noch gut doppelt so viel ausgegeben wie für die Unis und die Forschung. In den Jahren danach hat die Schweiz kräftig von der «Friedensdividende» gezehrt, hat bei der Armee im wahrsten Sinn des Wortes gespart, hat die frei werdenden Milliarden stattdessen in andere Bereiche verlagert, in erster Linie in den Sozialstaat, aber auch in Bildung und Forschung. Seit 2007 gibt die Eidgenossenschaft mehr für Bildung, Forschung und Innovation aus als für Sicherheit.
Doch nun weht ein anderer Wind. Angesichts des Kriegs in der Ukraine hat das Parlament beschlossen, das Armeebudget rasch zu erhöhen. Zurzeit ist geplant, die jährlichen Ausgaben für die Landesverteidigung von heute 5,7 auf knapp 8 Milliarden Franken im Jahr 2030 anzuheben. Dies ist einer von zwei Hauptgründen für die anstehende Spardebatte.
Der andere finanzpolitische Stressfaktor ist die AHV: Der jährliche Bundesbeitrag an das Sozialwerk wird von heute 10 auf 13 Milliarden Franken im Jahr 2030 ansteigen. Der Bundesrat hofft, dass er die vom Volk beschlossene 13. Rente nicht mitfinanzieren muss. Falls er damit durchkommt, wird der Beitrag an die AHV «nur» um 2 Milliarden Franken zunehmen. Auch so wird die starke Expansion des Militär- und des AHV-Budgets andere Aufgabengebiete finanzpolitisch weiterhin in Bedrängnis bringen.
Fast alle sind dagegen
Im Fall der Hochschulen lässt sich die Entwicklung gut nachzeichnen. Alle vier Jahre beschliesst der Bund ein neues Programm zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI-Botschaft). Das finanzielle Volumen dieser Pakete zeigt, wie die milliardenschwere Bildungsoffensive verlaufen ist. Ab ungefähr 2005 hat sie sich beschleunigt, zweimal nacheinander sind die Vierjahrespakete von einer Periode zur nächsten um mehr als 3,5 Milliarden Franken gewachsen. Ab 2017 ging es langsamer voran.
Und nun, in der Periode 2025 bis 2028, sollen die BFI-Budgets zwar weiterhin wachsen, aber nicht mehr annähernd so stark, wie man dies in den Hochschulen gewohnt ist. Gesamthaft schlägt der Bundesrat einen Anstieg von 27,9 auf 29,2 Milliarden Franken vor. Das ergibt ein Wachstum von 1,6 Prozent pro Jahr – bei einer mutmasslichen Teuerung von 1 Prozent, einem weiteren Anstieg der Studierendenzahlen und einer langen Liste von (auch politisch erwünschten) Projekten.
Bei Bildung und Forschung zu sparen, ist politisch unbeliebt. Klar dafür ist nur die SVP, die FDP trägt den Entscheid mit, die Mitte ist zumindest skeptisch und die Linke klar dagegen. Der Bundesrat versucht gar nicht erst, die Sache schönzureden. In der BFI-Botschaft argumentiert er schnörkellos finanzpolitisch: Dem breiten Wunsch nach einer Erhöhung könne er nicht entgegenkommen. «Angesichts der angespannten Lage des Finanzhaushalts» sehe er «keinen Handlungsspielraum». Frei übersetzt: Es tut uns leid, die Schuldenbremse ist schuld.
Dieses Argument wiegt schwer, die Schuldenbremse geniesst bei der bürgerlichen Mehrheit im Parlament hohen Stellenwert. Umso grösser sind die Sorgen der Hochschulen. Warnend weisen ihre Exponenten auf die fehlende Planungssicherheit und die damit verbundenen Nachteile hin. Sie fürchten, dass es am Ende noch schlimmer kommt, dass der Bund nicht einmal die jetzt in Aussicht gestellten Gelder ausschüttet. Diese Bedenken erscheinen angesichts der Lücken im Finanzplan als plausibel.
Die Rolle der Kantone
Was wären die Folgen? Die ETH Zürich prüft nach eigenen Angaben bereits heute Massnahmen wie eine Beschränkung der Studienplätze oder die Einstellung einzelner Forschungsbereiche und Studiengänge. Die anderen Hochschulen warnten am Montag vor dem Abbau oder der Sistierung von Leistungen und Projekten, die «im Interesse der Zukunft der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft» seien.
Der Zeitpunkt ihres Auftritts ist nicht zufällig. Diese Woche beginnt im Bundeshaus die Vorberatung der BFI-Botschaft, konkrete Entscheide dürfte das Parlament Ende Jahr fällen. Will es das Bildungsbudget aufstocken, muss es andere Ausgaben kürzen – oder für höhere Einnahmen sorgen.
Zu reden geben könnte die Rolle der Kantone, die den Grossteil der Bildungsausgaben tragen. Die kantonalen Erziehungsdirektoren zeigten in der Vernehmlassung zum BFI-Paket keinerlei Verständnis für die finanzpolitischen Engpässe des Bundes. Stattdessen beteiligen sie sich am Verteilkampf und verlangen unisono mehr Geld vom Bund – vor allem für ihre eigenen Universitäten. In Bern kommt das nicht überall gut an. Manch einer verweist auf die komfortablere Finanzlage der Kantone und findet, wenn ihnen die Unis so wichtig seien, könnten sie für den Bund in die Bresche springen.