Steigt der Pegel, nehmen die Schäden sprunghaft zu. Das zeigen neue Daten der Universität Bern.
Bayern kämpft noch immer mit dem Hochwasser. Mindestens sechs Menschen sind ums Leben gekommen. Die Schweiz hat diesmal Glück gehabt. Mehrere Seen und Flüsse sind zwar über die Ufer getreten, aber grosse Schäden gab es bis jetzt nicht. Doch das Risiko steigt auch hierzulande. Der Begriff «Jahrhunderthochwasser» hat sich abgenutzt, weil es wegen des Klimawandels weit häufiger zu anhaltend starken Niederschlägen kommt. Gemäss Fachleuten ist künftig mit zehn bis zwanzig Prozent höheren Wassermengen zu rechnen.
Mehr Niederschlag, mehr Schäden
Neue Berechnungen des Mobiliar Labs für Naturrisiken der Universität Bern zeigen nun: Steigen die Wasserpegel, so nimmt das Schadenspotenzial sprunghaft zu. Die Durchschnittstemperaturen liegen in der Schweiz bereits um 2,8 Grad höher als in vorindustrieller Zeit. Ein Temperaturanstieg von zwei Grad bedeutet, dass die Luft 14 Prozent mehr Feuchtigkeit speichern kann. Dies wiederum führe zu entsprechend mehr Niederschlag, der sich nicht gleichmässig auf das gesamte Land verteile, erklärt Markus Mosimann, der Entwickler des neuen Präventions-Tools der Universität Bern.
Die Schadenskurven, die Mosimanns Programm für diverse Flussabschnitte zeichnet, erinnern ein wenig an die berüchtigten R-Werte aus Zeiten der Corona-Pandemie. Erhöht sich der Abfluss der Gewässer um 10 Prozent, so steigen die Gebäudeschäden um durchschnittlich gut 40 Prozent. Bei 20 Prozent Mehrabfluss erreicht die Schadenskurve gar die 80-Prozent-Marke.
Besonders kritisch wird es an diesen Stellen, wenn viel Wasser kommt:
Emme bei Burgdorf: Beim Hochwasser des Jahres 2007 überschwemmte die Emme den Campingplatz Waldegg in Burgdorf und die Halle eines Logistik-Centers. Damals flossen pro Sekunde 550 bis 600 Kubikmeter Wasser ab. Kommt in einer nächsten Starkregenperiode zehn Prozent mehr Wasser, steigt die Anzahl betroffener Personen schon auf mehrere hundert. Bei zwanzig Prozent mehr errechnet das Tool 3064 betroffene Menschen. Die Gebäudeschäden würden auf etwa 54 Millionen Franken hochschnellen.
Aare bei Thunersee: Während des Juli-Hochwassers von 2021 hatte der Thunersee beim Ausfluss einen Pegelstand von 558,75 M. ü. M. Ein Altersheim musste damals evakuiert werden. Steigt der Pegel beim nächsten Mal nochmals um drei Viertel Meter an, werden in Thun 887 Gebäude im Wasser stehen.
Thur bei Weinfelden: Führt die Thur zehn Prozent mehr Wasser als beim bisherigen Höchststand, ist gemäss dem Geografen Mosimann ein Kipppunkt erreicht: Dann steigen die Schäden im Raum Weinfelden überproportional an. Bei zwanzig Prozent mehr Wasser belaufen sie sich auf knapp 60 Millionen Franken. Die Thurgauer Regierung hat kürzlich ein Hochwasserschutzkonzept für die Thur vorgestellt. Aber die Umsetzung dürfte dreissig Jahre in Anspruch nehmen.
Muota bei Brunnen: Bei der Muota liegt der höchste je gemessene Abfluss sehr nahe an der kritischen Grenze. Kommt zehn Prozent mehr Wasser, sind die Folgen drastisch. Bei zwanzig Prozent wären in Brunnen gar über tausend Menschen betroffen, und die Schäden würden auf 60 Millionen Franken ansteigen.
Aare in Bern: Das Berner Mattequartier wird jeweils schon bei relativ kleinen Hochwassern überflutet. Mobile Systeme bieten einen gewissen Schutz. Kommt allerdings einmal zehn Prozent mehr Wasser die Aare herunter als beim grossen Hochwasser von 1999, geraten auch diese Schutzschläuche an ihre Grenzen. Dann wären fast 300 Gebäude und gegen 2000 Personen betroffen.
Schutzmassnahmen nötig
Sämtliche Berechnungen der Universität Bern basieren auf dem Schweizer Gewässer-Messnetz und auf hydrologischen Modellrechnungen. Wie gut einzelne Gebäude gegen Wasserschäden geschützt seien, habe man bei den Berechnungen nicht berücksichtigen können, sagt der Geograf Markus Mosimann. Die berechneten Schäden bewegten sich daher an der oberen Grenze. Andererseits lägen nur für einen Drittel der untersuchten Flussabschnitte zuverlässige Messdaten vor. Das bedeutet, dass längst nicht alle kritischen Stellen überwacht sind. Immerhin: Für diverse Flussabschnitte lassen sich dank den neuen Daten gezieltere Präventionsmassnahmen ergreifen.