Die Schweizerische Nationalbank (SNB) senkt den Leitzins auf 1,25 Prozent. Das sind die Folgen am Immobilienmarkt und bei Geldanlagen.
Zum zweiten Mal in Folge hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Donnerstag den Leitzins reduziert, und zwar von 1,5 auf 1,25 Prozent. Ökonomen erklären den Entscheid einerseits mit der Inflation in der Schweiz, die unter Kontrolle zu sein scheint.
Ausserdem stelle die SNB nur ein moderates Wirtschaftswachstum für die Schweiz fest und gehe von steigenden Arbeitslosenzahlen aus, heisst es bei der Bank J. Safra Sarasin. Eine wichtige Rolle beim Entscheid könnte auch der jüngst wieder deutlich stärkere Franken gespielt haben.
Die Zinsentscheide der SNB beschäftigen aber nicht nur die Ökonomen, sie sind auch für Sparer, Mieter und Wohneigentümer relevant. Welche Auswirkungen hat der jüngste SNB-Zinsentscheid auf Sparkonten, Hypotheken, Geldanlagen und Mieten?
1. Festhypotheken
Die Zinsen von Festhypotheken dürften aufgrund des SNB-Entscheids nicht deutlich sinken, erwartet Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank (SGKB). Im Markt sei bereits eine Senkung des Leitzinses bis auf 1 Prozent eingepreist gewesen – die Finanzmarkt-Akteure hatten also damit gerechnet.
Festhypotheken eignen sich besonders für Wohneigentümer, die langfristig und sicher planen möchten. Nach dem Vertragsabschluss stehen bei ihnen der Zinssatz und die Laufzeit fest. Die Hypothekarnehmer sichern sich folglich gegen einen Anstieg der Zinsen ab und wissen genau, wie viel die Finanzierung der Immobilie während der Laufzeit kostet. Der Richtsatz für eine zehnjährige Festhypothek liegt laut dem Hypothekenvermittler Moneypark derzeit bei 2,44 Prozent, historisch gesehen ist das ein niedriges Niveau.
2. Saron-Hypotheken
Mit der erneuten Senkung des SNB-Leitzinses fällt auch der Tagesgeldsatz Saron. Dies führt dazu, dass eine Ausnahmesituation am Hypothekarmarkt zunehmend schwindet: Zuletzt waren die als sehr sicher geltenden Festhypotheken nämlich günstiger als die schwankungsanfälligen Saron-Hypotheken.
Letztere sind auch als Geldmarkthypotheken bekannt. Bei ihnen besteht für Hypothekarnehmer das Risiko, dass die Zinsen steigen. Dann müssten sie für ihre Hypothek mehr bezahlen. Allerdings profitieren sie auch, wenn die Zinsen sinken – dann zahlen sie weniger.
«Durch den SNB-Entscheid sind Saron-Hypotheken gegenüber Festhypotheken wieder attraktiver geworden», sagt Stucki. Die Zinsdifferenz zwischen Saron- und Festhypotheken sei aber weiterhin sehr klein.
In den vergangenen zehn Jahren sind Hypothekarnehmer aber mit Saron- beziehungsweise Geldmarkthypotheken günstiger gefahren als mit Festhypotheken. Schliesslich sind die Zinsen in diesem Zeitraum gesunken. Würden die Zinsen aber wieder steigen – beispielsweise bei höherer Inflation –, könnte es anders aussehen. Folglich sollten Wohneigentümer, die sich für eine Saron-Hypothek entscheiden, über die finanziellen Mittel verfügen, um dies in einem solchen Fall schultern zu können.
3. Mieten
Experten erwarten auch vorerst wenig Bewegung beim Referenzzinssatz, der für die Entwicklung der Mieten in der Schweiz massgeblich ist. «Damit der Referenzzinssatz sinkt, müsste die SNB den Leitzins deutlich unter ein Prozent reduzieren», sagt Stucki.
Dies hängt mit der Berechnungsmethode des Satzes zusammen. Der Referenzzinssatz bildet den Durchschnittszinssatz aller ausstehenden Hypotheken ab und wird in Viertelprozentpunkten publiziert. Anfang Juni hat das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) ihn unverändert bei 1,75 Prozent belassen.
Am Stichtag 31. März dieses Jahres habe der Durchschnittszinssatz unverändert 1,72 Prozent betragen und sei folglich auf 1,75 Prozent gerundet worden, teilte die Behörde Anfang Juni mit. Er bleibe auf diesem Niveau, bis er unter 1,63 Prozent sinke oder auf über 1,87 Prozent steige.
Laut Stucki ist eine baldige Absenkung des Durchschnittszinssatzes unwahrscheinlich. Derzeit liefen viele Festhypotheken mit sehr niedrigen Zinssätzen aus, sie würden dann zu höheren Sätzen erneuert. Bei den Saron-Hypotheken sinken zwar die Zinssätze mit dem SNB-Entscheid – doch dieser Effekt reicht laut dem SGKB-Vertreter nicht aus, damit der Referenzzinssatz deutlich zurückgeht.
Auch die Ökonomen der UBS rechneten in einer Analyse von Ende Mai damit, dass der Referenzzinssatz in den kommenden Quartalen stabil bleiben dürfte. Der Grund hierfür liege in der Trägheit des Durchschnittszinssatzes, der dem Referenzzinssatz zugrunde liegt. «Man muss sich den Referenzzinssatz wie einen Supertanker vorstellen», sagt Dirk Renkert, Finanzexperte bei dem Online-Vergleichsdienst Comparis. «Es braucht eine gewisse Zeit, bis er sich in eine Richtung bewegt oder diese ändert.»
Im vergangenen Jahr war der Referenzzinssatz zwei Mal gestiegen, was zu deutlichen Mietzinserhöhungen führte. Dies lag an dem starken Anstieg bei den Hypothekarzinsen nach der Corona-Pandemie. Die SNB hatte den Leitzins innerhalb kurzer Zeit stark erhöht. Lag dieser bis Mitte 2022 bei –0,75 Prozent, war er ein Jahr später 2,5 Prozentpunkte höher bei 1,75 Prozent. «Der Aufwärtstrend beim Referenzzinssatz dürfte nun nach den Leitzinssenkungen der SNB zu einem guten Teil gebrochen sein», sagt Renkert.
4. Immobilienpreise
Die höheren Zinsen sorgten in den vergangenen Jahren auch dafür, dass Immobilien in der Schweiz noch weniger erschwinglich wurden. Das habe die Nachfrage und damit den Aufwärtstrend bei den Immobilienpreisen verringert, heisst es bei Raiffeisen Schweiz. Allerdings habe die Knappheit an Wohnraum einen Rückgang der Preise am Immobilienmarkt verhindert.
Laut Renkert könnte sich die Nachfrage nun erneut verstärken. Eine Preiskorrektur am Schweizer Immobilienmarkt sei nun weniger wahrscheinlich geworden.
5. Spar-, Festgeld- und Säule-3a-Konti
Unterdessen dürften Banken die Zinsen für Konti anpassen, erwartet Stucki. Nach der Zinserhöhung der SNB im März seien viele Finanzhäuser dabei noch zurückhaltend gewesen. Bei einem um 0,5 Prozentpunkte niedrigeren Leitzins sei aber davon auszugehen, dass die meisten Banken reagieren und die Zinsen herabsetzen.
Damit rechnet auch Renkert. Obwohl viele Banken die Erhöhungen des Leitzinses nur mit Verspätung oder nur teilweise bei den Sparzinsen weitergegeben hätten, sei zu befürchten, dass einige nun rasch reagieren und sie herabsetzen.