Neben Hochleistungssportwagen und -limousinen von Audi, Lotus oder Rimac bringt bis anhin nur der Hyundai-Konzern die 800-Volt-Technik an Bord. Jüngstes und besonders eindrückliches Beispiel ist der kompakte Hyundai Ioniq 5 in seiner Sportversion N.
Die aus dem koreanischen Automobilkonzern Hyundai Motors stammenden Elektroautos Hyundai Ioniq 5, Kia EV6 und Genesis GV60 haben bereits gezeigt, dass die 800-Volt-Elektroarchitektur auch in Kompaktfahrzeugen für beträchtlichen Schwung an der Ladestation sorgen kann. Nun tritt ein weiteres Modell aus diesem Konzern aufs Parkett: der Hyundai Ioniq 5 N.
Der sportliche Fünftürer verfügt nicht nur über die 800-Volt-Technik, sondern bietet auch enorme Leistung und ein umfangreiches Angebot an abenteuerlichen Betriebs- und Fahrmodi.
Mit zwei Permanentmagnetmotoren schickt die Leistungselektronik maximal 448 kW (609 PS), für zehn Sekunden im Boost-Modus sogar 478 kW (650 PS), an die vier 21-Zoll-Räder. Nicht nur diese grotesk hohe Spitzenleistung, sondern auch das gigantische Drehmoment von kurzfristig 770 Nm beschleunigen den mit Fahrer 2305 Kilogramm wiegenden Fünftürer in 3,4 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und ermöglichen eine Höchstgeschwindigkeit von 260 Kilometern pro Stunde.
Der Ioniq 5 N ist das erste vollelektrische Modell der Hyundai-Sportmarke N. Vom Standard-Ioniq-5 unterscheidet sich das N-Modell durch veränderte Proportionen: Er ist 80 Millimeter länger und 20 Millimeter niedriger. Das Fahrzeug ist 50 Millimeter breiter, damit die ebenfalls breitere Bereifung im Format 275/35 R 21 Platz findet. Auffallend ist auch der grosse Radstand von 3,00 Metern.
800-Volt-Technik erlebt einen Aufschwung
Bestimmt ist der Ioniq 5 N auch ein Pionier für die Demokratisierung des 800-Volt-Bordnetzes, das kürzere Ladezeiten und weiter gesteigerte Effizienz in die Kompaktklasse bringen wird. Selbst wenn aus Kostengründen die meisten der weltweit betriebenen Elektrofahrzeuge derzeit noch mit einer Spannung von 400 Volt funktionieren, dürfte sich der Standard 800 Volt schon bald viel weiter verbreiten.
Mit der Plattform PPE des Volkswagen-Konzerns, von der zuerst Modelle von Audi und Porsche profitieren, aber auch mit der Neuen Klasse von BMW, der MMA-Architektur von Mercedes-Benz sowie mehreren chinesischen Neuankömmlingen ist der Weg in die neue Entwicklungsstufe geebnet.
Die Verdoppelung der Systemspannung macht allerdings einen grösseren Isolations- und Absicherungsaufwand notwendig, und zudem ist eine komplexere Leistungselektronik erforderlich. Das sorgt für höhere Kosten. Dagegen sind als Vorteile zum einen die höheren möglichen Ladeleistungen und die kürzeren Ladezeiten zu nennen, zum andern aber auch die niedrigeren Leitungsquerschnitte, was den Kupferbedarf verringert und ausserdem Bauraum und Gewicht spart.
Die 84-kWh-Batterie des Ioniq 5 N sorgt für eine WLTP-Reichweite von bis zu 448 Kilometern und lässt sich an der Schnellladestation mit bis zu 350 kW in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufladen.
Der Wagen zeigt seine zwei Gesichter
Das hohe Leistungsniveau des Antriebs muss jedoch so unter Kontrolle gehalten werden, dass das neue N-Modell im Alltagsverkehr sittsam bewegt werden und auf der Rennstrecke Erstaunliches liefern kann. Dass der Ioniq 5 N beide Disziplinen beherrscht, hat sich beim ersten Fahrkontakt mit dem Neuling auch bestätigt, denn das Software-definierte Auto ermöglicht es, die Fahr-Performance beliebig anzupassen.
Als braver Wagen für den täglichen Einsatz rollt der Ioniq 5 N wie jedes normale Elektroauto kaum hörbar durch 30er-Zonen in der Stadt und fühlt sich ausserorts bei etwas höheren Geschwindigkeiten sehr sicher an. Im Eco-, Normal- oder Sportmodus wird fünf Personen eine komfortable Reise garantiert. Der 5 N basiert auf der Plattform E-GMP (Electric Global Modular Platform) des Ioniq 5, nutzt aber zusätzlich Motorsporttechnik und Know-how von N.
Der Allradantrieb mit Rally-inspirierter Auslegung und Verbesserungen an der Karosseriestruktur machen ihn zu einem sehr sicheren Alltagsfahrzeug mit enormem Leistungspotenzial. Mit dem N-Pedal kann in Agglomerationen und auch auf Überlandstrecken perfekt auch ohne Bremspedaleinsatz gefahren werden. Der Verzögerungsgrad, bei dem jeweils Energie rekuperiert werden kann, lässt sich mit den Wippen an der Lenksäule mehrstufig einstellen.
Doch kann der E-Hyundai auf Wunsch auch frech mit synthetischem Klang im Stil eines Verbrennungsmotors mit hohen Drehzahlen unterwegs sein. Hier aber scheiden sich die Geister: Fehlt dem fast stummen Fahrzeug ohne Schaltstufen noch das Selbstbewusstsein? Oder mag man sich einfach nicht so plötzlich von den bewährten Reizen eines Benziners mit Vibration und Auspuff-Sound verabschieden? Der Übergang zu neuen Werten der E-Mobilität scheint noch nicht ganz gelöst zu sein. Dabei hätte der Ioniq 5 N das gar nicht nötig.
Auf der Rennstrecke zeigt der Ioniq 5 N seine besonders sportliche Seite. Mit der im Überfluss verfügbaren Antriebsleistung ist er in der Lage, das hohe Gewicht und den fehlenden Naturklang eines Rennwagens vergessen zu lassen. Von den N-Fahrprogrammen des Autos kann man sich in vielerlei Formen begeistern lassen.
Wie erwähnt, tarnt sich der Wagen etwas inkonsequent mit «N e-Shift» und «N Active Sound» als virtueller Verbrenner mit Schaltstufen und täuschend echt übertragener Klangbegleitung. Immerhin muss man die beiden Merkmale zuschalten, kann sie aber auch weglassen.
Gegenüber dem Basismodell weiter optimiert wurden das Ansprechverhalten und die Rückmeldung der Lenkung. Intensive Feinabstimmung war zudem nötig, um das regenerative Bremsen mit der hydraulischen Bremse zu kombinieren, so dass dem Fahrer in jeder Situation ein sicheres Fahrgefühl vermittelt wird. Das erweist sich als gut gelungen, das Fahrzeug kann praktisch ohne Angewöhnung schnell und sicher um den Rundkurs getrieben werden.
Weniger geeignet für öffentliche Strassen sind dagegen zwei weitere Funktionen: «N Drift Optimizer» ermöglicht, das 4×4-Auto auch einmal im Querdrift durch die Kurve zu zwingen, und «N Launch Control» erlaubt den Spurt von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde in 3,4 Sekunden. Für 10 Sekunden steigert die Elektronik dann die Spitzenleistung von 448 auf 478 kW (von 609 auf 650 PS).
Um all diese Disziplinen souverän zu meistern, kommt ein verbessertes Batterie-Thermomanagementsystem mit optimierter Motoröl- und Batteriekühlung zum Einsatz.
Aufgrund seiner Fahreigenschaften im Alltagsverkehr und auf der Rundstrecke sowie mit den zahlreichen N-Fahrfunktionen dürfte der neue N-Hyundai für viele Käufer von modernen sportlichen Fahrzeugen zum Thema werden – mit oder ohne Verbrennerklangwelt. Sein Preis beträgt 79 900 Franken, das ist deutlich günstiger als bei anderen besonders leistungsstarken Fahrzeugen. Erste Auslieferungen erfolgen im Sommer.