Fast zwei Jahre nach Ausbruch der Unruhen im Nordosten Indiens hat der umstrittene Regierungschef Biren Singh seinen Rücktritt eingereicht. Die Opposition hofft nun auf eine Beruhigung der Gewalt.
Rund 250 Menschen sind in Manipur getötet worden, seitdem im Mai 2023 die Gewalt in dem nordindischen Teilstaat eskaliert ist. Morde, Entführungen und Vergewaltigungen haben das Verhältnis der beiden grössten Volksgruppen vergiftet. Bis heute können 75 000 Einwohner nicht in ihre Häuser zurückkehren, da bewaffnete Milizen der Meitei und der Kuki-Zo Teile des Staates an der Grenze zu Myanmar kontrollieren. Auch fast zwei Jahre nach Ausbruch des ethnischen Konflikts zwischen der mehrheitlich hinduistischen Meitei und den christlichen Kuki-Zo ist die Sicherheitslage angespannt.
Unter dem Druck der Opposition hat nun der Chefminister von Manipur, Biren Singh, seinen Rücktritt eingereicht. Der Politiker der Hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) warf am Sonntag das Handtuch, nachdem er auch in seiner eigenen Partei an Rückhalt verloren hatte. Mehrere BJP-Abgeordnete der Kuki-Zo-Ethnie hatten gedroht, einen Misstrauensantrag der oppositionellen Kongresspartei zu unterstützen und so Singh zu Fall zu bringen.
Die Opposition hofft, dass Singhs Abgang den Weg für eine Beruhigung des Konflikts frei macht. Sie wirft ihm schon lange vor, eine Mitverantwortung für die Eskalation der Gewalt zu tragen, und forderte seinen Rücktritt. Die BJP-Führung um den indischen Premierminister Narendra Modi und Innenminister Amit Shah hielt aber trotz aller Kritik an Singh fest. Offensichtlich wollte Modi den Eindruck vermeiden, unter dem Druck der Opposition einzuknicken.
Modi schweigt hartnäckig zu dem Konflikt in Manipur
Der Premierminister hat sich bis heute den Forderungen widersetzt, die Unruheregion zu besuchen. Auch alle Versuche der Opposition, ihn zu einer Stellungnahme im Parlament zu zwingen, liefen ins Leere. Modi glaubt offensichtlich, dass er durch ein stärkeres Engagement in Manipur wenig zu gewinnen habe, und schweigt hartnäckig zu dem Konflikt. Nach Gesprächen mit Singh in Delhi am Sonntag scheint aber auch die BJP-Führung zu dem Schluss gekommen zu sein, dass der 64-Jährige eher eine Belastung für die Partei darstellt.
Vermutlich sah sich Modis Partei auch durch ihren Sieg bei den Regionalwahlen in Delhi soweit gestärkt, dass sie Singh fallen lassen konnte, ohne allzu schwach auszusehen. Die BJP hatte am Samstag bei der Wahl in der Hauptstadtregion 48 der 70 Sitze gewonnen und die Aam Aadmi Party (AAP) des langjährigen Chefministers und Antikorruptionskämpfers Arvind Kejriwal entthront. Die BJP kehrt damit erstmals seit 27 Jahren wieder an die Macht in Delhi zurück.
Wie es nun in Manipur weitergeht, ist offen. Die BJP kann einen neuen Chefminister ernennen, der das Vertrauen der Abgeordneten geniesst. Eine für Montag angesetzte Debatte im Regionalparlament zu Singhs Nachfolge wurde allerdings abgesagt. Womöglich will Modi Manipur direkt der Kontrolle der Zentralregierung unterstellen. Unter dem «President’s rule» würde der Gouverneur Ajay Kumar Bhalla als Vertreter des Zentralstaats die Regierungsgeschäfte ausüben.
Auslöser des Konflikts war ein Gerichtsentscheid
Der frühere Innenminister Bhalla ist vertraut mit der Region und könnte das nötige Gewicht haben, um die Konfliktparteien zu einer Einigung zu bewegen. Der Konflikt war im Mai 2023 durch die Empfehlung eines Gerichts ausgelöst worden, die in Manipur dominante Volksgruppe der Meitei als «Scheduled Tribe» einzustufen. Dies stiess bei der Stammesgruppe der Kuki-Zo auf Protest, da sie fürchtete, dadurch bei der Aufteilung des Landes benachteiligt zu werden.
Die mehrheitlich hinduistischen Meitei siedeln vorwiegend im Imphal-Tal. Die Kuki-Zo leben dagegen in den waldigen Hügeln um das Imphal-Tal und sind vorwiegend christlichen Glaubens. Zwischen den Volksgruppen gibt es seit langem Spannungen, zudem sind in der Grenzregion zu Myanmar diverse Rebellen und Drogenschmuggler aktiv. Nach dem Militärputsch in Myanmar flohen 2021 viele Regimegegner über die Grenze nach Manipur. Auch nach Singhs Rücktritt wird eine Lösung des Konflikts nicht einfach sein.