Teheran will die Tötung hochrangiger Generäle in seinem Konsulat in Syrien rächen. Doch für das Regime steht viel auf dem Spiel.
Nach dem israelischen Luftangriff auf Irans Konsulat in Damaskus wächst die Sorge vor einem iranischen Gegenschlag. Ein Angriff auf israelischen Boden könnte noch am Freitag erfolgen, berichtete der Nachrichtensender CBS News am Freitag unter Berufung auf zwei nicht genannte US-Vertreter. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu drohte beim Besuch einer Luftwaffenbasis, wer immer Israel angreife, den werde Israel angreifen. Zugleich bleibt aber weiter unklar, in welcher Form Teheran auf den Angriff reagieren will.
Der Raketenangriff auf die Konsularabteilung der iranischen Botschaft in Syrien hatte am 1. April General Mohammed Reza Zahedi und anderen hohen Offizieren der Revolutionswächter gegolten. Laut Medienberichten befanden sie sich für eine Besprechung mit Vertretern des Palästinensischen Islamischen Jihad in dem Konsulat. Der Angriff sorgte international für Kritik, da das Konsulat als diplomatische Einrichtung unter dem Völkerrecht besonderen Schutz genoss.
Wie üblich bei Luftangriffen auf iranische Ziele in Syrien äusserte sich Israel nicht weiter dazu. Es bleibt daher unklar, was das genaue Kalkül hinter diesem provokativen Akt war. Israels Armee berief vergangene Woche in Erwartung eines Gegenschlags Reservisten ein, um die Flugabwehr zu stärken. Irans Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei drohte am Mittwoch zum wiederholten Mal mit Vergeltung für den Angriff, den er mit einer Attacke auf Iran selbst gleichsetzte.
Die USA bemühen sich um Deeskalation
Der amerikanische Präsident Joe Biden sieht zwar die israelische Kriegsführung in Gaza zunehmend kritisch. Er versicherte den Israeli am Mittwoch aber, die USA stünden angesichts der Drohungen aus Iran felsenfest zu Israels Sicherheit. Der Kommandant der amerikanischen Streitkräfte im Nahen Osten, General Michael E. Kurilla, reiste am Donnerstag zu Beratungen nach Israel. Neben der Ausweitung der Hilfslieferungen für die Palästinenser in Gaza ging es dabei auch um die Reaktion im Fall eines Angriffs aus Iran.
Ein direkter Angriff Irans auf Ziele in Israel wäre eine beispiellose Eskalation, die einen regionalen Krieg auslösen könnte. Auch die USA dürften in einen solchen Krieg rasch hineingezogen werden. Washington will dies vermeiden und bemüht sich deshalb um Deeskalation. Der amerikanische Aussenminister Antony Blinken sprach in den vergangenen Tagen mit Amtskollegen aus der Türkei, China und Saudiarabien, um zu versuchen, die Spannungen zu entschärfen.
Auch die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock rief Iran am Donnerstag bei einem Telefonat mit dessen Chefdiplomaten Hossein Amir-Abdollahian dazu auf, jede Eskalation zu vermeiden. Hinter den Kulissen laufen in Oman schon länger indirekte Gespräche der USA mit den Iranern. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, Amir-Abdollahian habe dabei zugesagt, dass Iran nicht überstürzt und auf eine Weise reagieren werde, die eine Eskalation auslöst.
Die Iraner stecken in einem Dilemma
Die amerikanische Botschaft in Israel riet ihren Mitarbeitern trotzdem, Fahrten ausserhalb von Jerusalem und Tel Aviv zu vermeiden, da sie dort weniger gut von der Flugabwehr geschützt sind. Frankreich warnte seine Bürger vor Reisen nach Iran, Libanon, Israel und in die palästinensischen Gebiete. Die Lufthansa setzte ihre Flüge nach Teheran aus. Nach der Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani durch die USA im Januar 2020 hatte Irans Flugabwehr versehentlich ein ukrainisches Passagierflugzeug über Teheran abgeschossen.
Damals hatte sich Teheran auf einen eher symbolischen Angriff beschränkt. Auch heute wird in Iran diskutiert, ob ein direkter Angriff auf Israel im Interesse des Regimes wäre. Iran steckt dabei im Dilemma: Einerseits kann es die Tötung seiner Generäle im Konsulat nicht unbeantwortet lassen, wenn es nicht riskieren will, dass seine Offiziere in Syrien zu Freiwild werden. Andererseits droht im Fall eines Angriffs auf Israel ein Krieg, den Iran kaum gewinnen kann.
Aus diesem Grund hat Iran in den vergangenen Jahren eine Politik der «strategischen Geduld» verfolgt und es vermieden, auf israelische Luftangriffe gegen seine Waffenlager, Militärkonvois und Stützpunkte in Syrien direkt zu reagieren. Teheran braucht sein Netzwerk aus Militärbasen in Syrien, um den Nachschub für die Hizbullah-Miliz in Libanon sicherzustellen. Und das über Jahre aufgebaute Raketenarsenal der schiitischen Bewegung benötigt Teheran, um die Israeli von einem Angriff auf iranischen Boden abzuschrecken.
Statt Israel selbst zu attackieren, könnte Teheran auch eine israelische Botschaft in Aserbaidschan oder einem arabischen Land angreifen. Denkbar wäre auch, dass es nur ein Ziel auf den Golanhöhen beschiesst. Israel hat diese im Krieg 1967 von Syrien erobert und 1981 annektiert, doch gelten sie weiter als von Israel besetztes syrisches Territorium. Ebenfalls möglich wäre es schliesslich, den Vergeltungsschlag dem Hizbullah oder einer anderen verbündeten Miliz der «Achse des Widerstands» im Irak oder in Syrien zu überlassen.