Bald können Menschen in Deutschland per Sprechakt ihren Geschlechtseintrag ändern lassen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Gesetz.
Das Selbstbestimmungsgesetz tritt in zwei Stufen in Kraft. Ab dem 1. August können Bürger eine Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen beim Standesamt anmelden. Am 1. November 2024 löst das Selbstbestimmungsgesetz dann das Transsexuellengesetz ab. Nach der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen gilt eine Sperrfrist von einem Jahr für eine erneute Änderung. Medizinische Massnahmen wie Hormontherapien und Operationen sind im Gesetz nicht geregelt.
Laut der Bundesregierung ist das Transsexuellengesetz (TSG) von 1980 «nicht mehr zeitgemäss». Es beinhaltet unter anderem, dass ein Gericht einem Antrag zur Namens- und Personenstandsänderung nur dann stattgeben darf, wenn der Antragsteller Gutachten von zwei psychologischen Sachverständigen eingeholt hat – das ist mit dem Selbstbestimmungsgesetz obsolet. Das TSG sah ausserdem vor, dass Menschen, die sich mit einem anderen Geschlecht als ihrem biologischen identifizieren, nicht verheiratet sein dürfen. Allerdings erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Regelung in einem Entscheid im Jahr 2008 für verfassungswidrig.
Ja. Allerdings dürfen für Kinder bis 14 Jahre nur die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt abgeben. Jugendliche ab 14 Jahren können die Erklärung selbst abgeben, sie bedarf aber der Zustimmung der Sorgeberechtigten. Stimmen diese nicht zu, kann die Zustimmung von einem Familiengericht ersetzt werden, sofern die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl aus Sicht der Richter nicht widerspricht.
Laut dem Gesetzestext ist es ausserdem möglich, dass für Kinder zwischen 0 und 14 Jahren die Eltern den Geschlechtseintrag regeln. Konkret heisst es: «Ist die minderjährige Person geschäftsunfähig oder hat sie das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet, kann nur der gesetzliche Vertreter die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen für die Person abgeben.» Solch eine Erklärung bedürfe nur des Einverständnisses des Kindes, wenn es das fünfte Lebensjahr vollendet hat.
Wer jemanden «absichtlich schädigt», indem er dessen früheres Geschlecht oder dessen frühere Vornamen öffentlich macht oder ausforscht, riskiert ein Bussgeld von bis zu 10 000 Euro. Aktivisten sprechen von «Deadnaming», wenn der frühere Name eines Menschen, der ihn aufgrund der empfundenen Identität ändern liess, verwendet wird. Nach dem Selbstbestimmungsgesetz handelt es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit.
Das Selbstbestimmungsgesetz wird von einigen Medizinern, Frauenverbänden, Sicherheitsexperten und Juristen kritisch gesehen. Mediziner und Psychologen warnen davor, dass eine rechtliche Änderung des Geschlechts ohne ein vorheriges Gutachten gesundheitliche Risiken für die Betroffenen bergen könnte. Auch das Kindeswohl sehen einige durch das Gesetz gefährdet, da beispielsweise durch die bekräftigende Wirkung einer Namensänderung eher der Weg der geschlechtsverändernden Therapie eingeschlagen wird.
Im vergangenen Jahr äusserten Experten des Bundesinnenministeriums die Sorge, dass Kriminelle das Gesetz ausnutzen könnten, um mit einem neuen Namen und Geschlechtseintrag unterzutauchen. Der deutsche Strafverteidiger Udo Vetter warnt vor verschiedenen Missbrauchsoptionen, die das Gesetz bietet.
Feministische Organisationen lehnen den erleichterten Geschlechtseintragswechsel ab, da dadurch körperlich unveränderte Männer legal in Frauenschutzräume wie Garderoben und auch Frauengefängnisse eindringen könnten. Auch Sportwettkämpfe, die bisher exklusiv für Frauen waren, könnten beeinträchtigt werden. Der Verein Frauenheldinnen sagte in einer Stellungnahme: «Für die Sicherheit von Frauen ist es unverantwortlich, wenn Männer in Frauenschutzräume inkludiert werden oder wie jetzt bei Olympia im Boxen gegen Frauen antreten dürfen.»