Der französische Präsident hat nach einer Ägyptenreise angekündigt, Frankreich werde spätestens im Juni Palästina als Staat anerkennen.
Der Nahostkonflikt ist für den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron offensichtlich gerade Anlass und Thema, um sich auf der diplomatischen Weltbühne in den Vordergrund zu drängen. Diese Woche hat er mit der Ankündigung, er wolle demnächst Palästina als Staat anerkennen, Aufsehen erregt. Da die Mitteilung kurz nach seiner Rückkehr aus Ägypten kam, wo Macron äussert freundschaftlich durch den ägyptischen Staatschef Fatah al-Sissi empfangen worden war, muss man sich unweigerlich die Frage stellen, warum Macron ausgerechnet jetzt diese Initiative ergreift.
Möglich, dass Macron den Gastgeber, der wegen des repressiven Umgangs mit seinen Gegnern umstritten ist, auf diese Weise als Partner rehabilitieren will. Auch ist vorstellbar, dass dieses diplomatische Entgegenkommen bei dieser zentralen arabischen Forderung im Nahostkonflikt eine Gegenleistung für lukrative Handelsverträge – zum Beispiel mit der französischen Rüstungsindustrie – sein könnte. Diesbezüglich wurde allerdings nichts erwähnt.
Andere Erklärungen für Macrons Initiative sind in Frankreichs innenpolitischer Konstellation zu finden. Der französische Staatschef ist seit den letzten Neuwahlen geschwächt, da er im Parlament über keine Mehrheit mehr verfügt. Die innenpolitischen Reformen, die er vor seiner zweiten Amtszeit angekündigt hat, sind weitgehend blockiert. Er setzt darum ganz auf die Politikfelder, die in Frankreich dem Präsidenten vorbehalten sind, die Aussen- und die Verteidigungspolitik. Hier kann er noch von sich reden machen und den Franzosen und der Welt zeigen, dass er überhaupt noch politisch existiert.
Schon General de Gaulle suchte die Nähe der Araber
Schon im russischen Krieg gegen die Ukraine versuchte Macron immer wieder, zuerst in (fruchtlosen) Telefongesprächen mit Wladimir Putin, dann mit mehreren Konferenzen, eine aktive Rolle zu spielen. Die Nahostpolitik war seit der Epoche von General de Gaulle zudem stets ein Wirkungsfeld der französischen Präsidenten, die einerseits Israels Existenzrecht verteidigten, zugleich aber die Partnerschaft mit den arabischen Nationalisten suchten.
Frankreich hat sich kontinuierlich für eine Zweistaatenlösung eingesetzt. Die offizielle Anerkennung eines zweiten Staats neben Israel liegt also in der Logik dieser Doktrin. Macrons Ankündigung ist dennoch ein wichtiger Schritt. Nicht spektakulär zwar – haben doch bereits 147 von 193 Uno-Mitgliedern (unter ihnen Spanien, Irland, Schweden, Norwegen und Polen) Palästina völkerrechtlich als Staat anerkannt –, aber dennoch eine wichtige Sache. In den Augen Macrons ist Frankreich selbstverständlich nicht irgendein Land, sondern la France, die ehemalige Kolonialmacht, das ständige Mitglied im Uno-Sicherheitsrat, die Wiege der Aufklärung.
Auch möchte Macron dabei etwas in einem derzeit verfahrenen Konflikt in Gang bringen: Er schlägt dazu vor, «irgendwann im Juni» gemeinsam mit Saudiarabien in New York, dem Sitz der Uno, eine internationale Konferenz zu präsidieren, deren Ziel die «gegenseitige Anerkennung» Israels und Palästinas sein soll.
Emmanuel Macron, der Friedensstifter
Hinter der Idee einer formellen Anerkennung eines Palästinenserstaates steckt also ein sehr ehrgeiziges Vorhaben. Macron wäre dann nicht nur Vermittler, sondern vielleicht sogar Friedensstifter. Dass der französische Präsident für dieses Projekt das israelfeindliche Königreich Saudiarabien ins Spiel bringt, ist eine Folge von Macrons Analyse der Kräfteverhältnisse in der Region. Falls der saudische König bei Macrons Vorhaben tatsächlich mitmacht, gäbe es tatsächlich Bewegung in einem diplomatisch verfahrenen Dossier.
In Frankreich wird Macrons Ankündigung mit reservierter Vorsicht zur Kenntnis genommen. Ob es angesichts der gegenwärtigen Lage mit einem Gazastreifen in Trümmern nicht «entweder zu spät oder zu früh» für eine Anerkennung sei, fragte beispielsweise die Zeitung «Libération». Und wer oder was verkörpert als Gebilde diesen Staat? Schliesslich erhebt in den Ruinen von Gaza nach wie vor die Hamas Machtansprüche. Und im Westjordanland wird die Legitimität der palästinensischen Autonomiebehörde infrage gestellt.
Aus offizieller israelischer Sicht wird Macrons Initiative als aussenpolitische Totgeburt abgetan oder gar als Provokation empfunden. Der israelische Botschafter in Paris, Joshua Zarka, sagte am Donnerstag: «Von der Schaffung eines palästinensischen Staates zu sprechen, ist völlig unverantwortlich.» Dies dürfte Macron allerdings nicht davon abhalten, an seinem Vorhaben festzuhalten.