Prozessoren von Intel treiben Millionen von Laptops an. Doch das Unternehmen hat sich zu sehr auf sein Monopol verlassen und neue Entwicklungen verpasst. Nun droht ihm ein massiver Bedeutungsverlust.
Sie waren die Ersten und lange auch die Besten: Intel-Prozessoren. Den blauen Aufkleber mit der Aufschrift «Intel inside» rechts unter der Tastatur kennen viele Laptop-Nutzer. Noch heute ziert er Millionen von Laptops, egal ob von Dell, HP, Acer oder LG.
Während Jahrzehnten stand die kalifornische Tech-Firma Intel wie kaum ein anderes Unternehmen für den technologischen Fortschritt. Vor über 50 Jahren brachte sie den ersten kommerziellen Mikroprozessor auf den Markt, was modernen Computern den Durchbruch verschaffte.
Doch in den vergangenen Jahren wurde die Firma gleich von mehreren Konkurrenten erst ein-, später überholt. Nun muss Intel sparen, will 15 000 Stellen streichen, verschiebt Projekte, die es eigentlich wieder wettbewerbsfähig machen sollten.
Während die Börsenkurse anderer Tech-Unternehmen in den vergangenen Monaten stiegen und stiegen, brach der Wert Intels ein. Heute ist es gemessen an seiner Marktkapitalisierung noch halb so viel wert wie Anfang Jahr. Und nun schrieben verschiedene Medien Anfang Woche, der Konkurrent Qualcomm erwäge eine Übernahme. Wie kann das sein? Warum liegt die einstige Ikone am Boden?
Intel verpasst die Smartphone-Revolution
Mit den Mikroprozessoren für Laptops und PCs verschaffte sich Intel in den 1990er Jahren ein Monopol, das bis heute besteht. Damals wollten alle mit Intel zusammenarbeiten: Microsoft für ihre Windows-Computer, Apple für das erste iPhone, die Elite-Uni Caltech für ihren ersten Supercomputer. Doch heute ist davon nicht mehr viel übrig. Dominierend ist Intel einzig noch auf dem Markt für Laptop-Prozessoren.
Der Abstieg begann mit der Smartphone-Revolution. 2007 lancierte Apple mit dem iPhone das erste internetfähige Mobiltelefon, das sich am Markt durchsetzte. Innerhalb weniger Jahre wurden Millionen der Geräte verkauft. In allen steckten Prozessoren.
Was ein ungeheurer Erfolg für Intel hätte werden können, wurde eine riesige verpasste Chance. Apple fragte Intel an, ob es die Prozessoren für die mobilen Geräte liefern wolle. Der damalige Intel-CEO Paul Otellini lehnte ab, unter anderem, weil er den Markt dafür und die Herstellungskosten falsch einschätzte.
Ohnehin wären die damaligen Prozessoren von Intel für Smartphones ungeeignet gewesen. Denn bis heute sind Intels Computerchips komplex im Aufbau und erfüllen verschiedenste Aufgaben. In ihrem Einsatzbereich sind sie damit zwar flexibler als andere Chips, dafür verbrauchen sie relativ viel Energie.
Das ist bei Smartphones ein Problem. Anders als Laptops hängen Smartphones nicht ständig am Stromnetz. Für Smartphone-Chips ist Energieeffizienz deshalb viel wichtiger. Die britische Firma Arm sah die Marktlücke frühzeitig und entwickelte ein Design für einen Prozessor, der zwar weniger kann als jener von Intel, aber dafür weniger Strom verbraucht. Bis heute basieren Prozessoren der meisten Smartphones auf dem Arm-Design.
Arm war also der erste Konkurrent, der Intel im Prozessorengeschäft eingeholt und abgehängt hatte. Für Intel war der Smartphone-Markt von da an verloren.
Intel verpasst die GPU-Revolution
Computerprozessoren kann man, grob gesagt, in zwei Kategorien einteilen: CPU (Central Processing Unit) und GPU (Graphics Processing Unit). Die CPU führt die grundlegenden Programmbefehle aus und bestimmte deshalb lange, wie schnell ein Computer war.
Die GPU war bis vor wenigen Jahren fast nur unter Gamern bekannt: als Prozessor, von dem die Bildschirmauflösung von Videospielen abhängt. Doch in den vergangenen Jahren wurden GPU immer wichtiger. Dies liegt an ihrer Funktionsweise: Sie sind besonders stark darin, Berechnungen parallel, also gleichzeitig, durchzuführen. Das braucht es etwa bei dem Mining von Kryptowährungen oder dem Training von grossen KI-Modellen.
In den folgenden Jahren verpasste Intel eine weitere Wachstumsbranche: Datenzentren fürs Cloud-Computing. Dieses Mal zog Nvidia an Intel vorbei, der gegenwärtig grösste Profiteur der GPU-Revolution.
Intels Fokus lag seit seiner Gründung auf CPU. Als Nvidia um das Jahr 2017 erstmals kräftig wuchs und GPU an Bedeutung zu gewinnen begannen, verzichtete Intel darauf, seine Strategie anzupassen. «Intel verpasste die GPU-Revolution komplett. Es überliess den Markt Nvidia kampflos», sagt Raj Joshi, Experte für den Halbleitermarkt bei der Rating-Agentur Moody’s.
Die zwei verschlafenen Technologierevolutionen zeugen davon, dass Intel stehen blieb, während sich die Konkurrenz weiterentwickelte. Intel ruhte sich auf seinem profitablen Monopol bei Laptop-Prozessoren aus. «Irgendwann haben sie aufgehört, auf den Kunden zu schauen und den Markt zu lesen», sagt Handel Jones, Chip-Experte beim amerikanischen Beratungsunternehmen International Business Strategies.
Intel überschätze die eigenen Fähigkeiten in der Fertigung
Zusätzlich dazu fiel Intel bei der Chipproduktion hinter die Konkurrenz zurück. Intel ist eines der wenigen Unternehmen, das Chips sowohl designt als auch produziert. Firmen, die heute sehr erfolgreich sind, fokussieren sich entweder auf das Design, wie Nvidia oder Arm, oder aber auf die Herstellung von Halbleitern, wie die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC).
2015 war Intel im Bereich der Herstellung führend. Gemessen wird das bis heute an der Grösse der einzelnen Transistoren auf den Chips. Dabei gilt grundsätzlich: Je kleiner die Transistoren, desto mehr davon passen in einen Chip. Und wo mehr Transistoren sind, wird mehr gerechnet. Das erhöht die Leistung des Endgeräts.
2014 produzierte Intel als erstes Unternehmen weltweit Chips mit Transistoren in der Grösse von 14 Nanometern. Doch dann brachten sowohl TSMC wie auch Samsung 10-Nanometer-Transistoren Jahre vor Intel auf den Markt. «Intel überschätzte seine Fähigkeiten in der Fertigung», sagt Handel Jones.
Der Grund: Intel fehlten die Maschinen zur Produktion von modernsten Chips, Produkte verspäteten sich. Der technologische Vorsprung hatte sich in einen Rückstand verwandelt. Und es kam noch schlimmer.
Damit Intel seine Kunden weiterhin beliefern konnte, musste es die Produktion seiner modernsten Chips 2021 zu TSMC auslagern. Eine unglaubliche Schmach. Dan Hutcheson, Intel-Experte bei der Analyseplattform Techinsights, sagt dazu: «Es ist, als würde man ein Auto besitzen. Und statt dieses zu fahren, mietet man ein anderes.»
Eine Wette entscheidet über Intels Zukunft
Nun hängt Intels Zukunft davon ab, ob es der Firma gelingt, bei der Herstellung wieder zur Konkurrenz aufzuschliessen. TSMC will nächstes Jahr die Massenproduktion von Chips mit 2 Nanometer grossen Transistoren starten. Intel versucht dies auch, muss dafür aber mehrere Entwicklungsschritte überspringen.
Der Plan ist ebenso ambitioniert wie riskant. Und zeugt von der Verzweiflung des Unternehmens. Warum soll Intel in zwei Jahren etwas gelingen, wofür die Konkurrenz fünf brauchte?
Der Moody’s-Analyst Joshi sagt, Intel könne den Turnaround schaffen, aber vermutlich werde die finanzielle Situation der Firma erst schlimmer, bevor sie besser werde. Das Risiko sei gross und die Geldreserven seien knapp bemessen. «Intel verfügt kaum über die finanziellen Polster, um weitere negative Überraschungen zu verkraften.»
Andere sind optimistischer. Hutcheson glaubt an den Erfolg Intels, gerade auch wegen Qualcomms Interesse am Unternehmen. Qualcomm verstehe Intels Probleme und wisse, dass sie lösbar seien, sagt er.
Intel droht ein Schattendasein
Alles in allem sind die Aussichten für Intel heute trotzdem schlecht. Bei Smartphone-Technologie ist Intel längst vom Markt verschwunden. Bei KI-Entwicklungen ist das Unternehmen gegen Nvidia chancenlos. Es gibt nur wenige Bereiche, in denen Experten Intel noch Potenzial bescheinigen. So beispielsweise bei Prozessoren für Hochleistungscomputer oder Datenzentren. Und natürlich im Bereich der Chipproduktion, wo Intel gerade ein Comeback versucht.
Doch sollte Intel mit den Ambitionen in der Chipproduktion scheitern, ist das Unternehmen, wie wir es heute kennen, am Ende. Zwar dürfte die Firma trotzdem weiter existieren, solange Microsoft auf Intel setzt und damit dessen Monopol bei Laptop-Prozessoren aufrechterhält. Damit würden auch die Aufkleber auf den Laptops noch eine Weile zu sehen sein. Aber Intel wäre damit nicht mehr Treiber des technologischen Fortschritts, sondern ein Schatten seiner selbst.