Ein Blick auf Wichtiges, Unterhaltsames und Nebensächliches, das sich vermischt – typisch Trump.
In seinen ersten fünf Arbeitstagen hat der neue amerikanische Präsident nicht weniger ausgerollt als den Plot für ein vierjähriges Politdrama. Viel ist passiert, für die meisten zu viel, um noch den Überblick zu behalten.
Die nächste Staffel dieser bekannten Serie mit Donald Trump als Hauptdarsteller hat also begonnen: Perfekt inszeniert, die Konflikte sind bereits mehr als angedeutet, und der energetische Hauptdarsteller hat sich dramaturgisch in solche Höhen aufgeschwungen, dass man sich fragt: Wann kommt der Fall?
Was bisher geschah.
Montag
Donald Trump hatte Anfang Dezember, nach seiner Wiederwahl, gesagt, er wolle kein Diktator sein – «except on day one», ausser am ersten Tag. Eine typische trumpsche Provokation.
Doch da sind wir nun, Tag eins von Trumps zweiter Präsidentschaft. Mit Spannung wurde ihr Start erwartet. Ist Trump wirklich so gut vorbereitet wie behauptet? Das Weisse Haus hat er vor vier Jahren nach dem Sturm auf das Capitol in Schande verlassen. Viele Politbeobachter waren sich sicher: Der Mann ist erledigt.
Nun ist Trump zurück, in der Rolle des Siegers. Die Ereignisse des 6. Januar 2021 haben in den letzten vier Jahren eine Umdeutung erfahren, wie es viele kaum für möglich hielten. Noch in dieser ersten Woche wird diese Umdeutung ihren vorübergehenden Höhepunkt erreichen.
In Washington D. C. ist es zu kalt, um die Inauguration wie üblich draussen abzuhalten. Es gibt aber noch andere Gründe, die Vereidigung in der Rotunde des Capitols zu veranstalten: besseres Licht und besseren Ton für die TV-Kameras – Trump ist schliesslich ein Profi der Inszenierung. Und hätte man all seine reichen Freunde in dicken Mänteln und allenfalls Kopfbedeckung draussen in der Kälte überhaupt erkannt? Die Chefs der grossen Tech-Konzerne sind da, nebst anderen Milliardären. Sie erweisen Trump im Capitol die Ehre.
Elon Musk steht nicht bei den Kollegen aus dem Silicon Valley, sondern bei der Präsidentenfamilie. Der Platz zeugt von seiner besonderen Stellung: Der Tesla-Gründer, der mit seiner Firma SpaceX auch Satelliten ins All katapultiert, soll die Administration nicht nur technisch auf Vordermann bringen und Sparmöglichkeiten identifizieren, er verkörpert in Trumps Augen auch die Zukunft. Trump will Amerika so gross machen, dass das Sternenbanner bald auch auf dem Mars weht. Musk soll es möglich machen.
Trump schwört in der Rotunde, dass er die Verfassung der Vereinigten Staaten nach besten Kräften wahren, schützen und verteidigen werde. Bei Trump wären andere Verben allenfalls ebenso angemessen: Testen? Ausweiten?
Und dann spricht er. Drei Sätze links in die Kamera, drei Sätze rechts, immer schön abwechslungsweise. Als Zuschauer denkt man sich: Gut geschminkt ist der Mann. Zum ersten Mal trägt ein amerikanischer Präsident ähnlich viel Make-up wie seine Frau.
Diktatoren zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie viel zu lange Reden halten und dabei ihr Publikum arg strapazieren. Trump dagegen schafft es innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens, seine Botschaften zu platzieren. Es ist keine versöhnliche Rede. Trump tippt vieles an, geisselt die woke Linke und seinen Vorgänger Joe Biden, der neben ihm sitzt.
Trump geizt auch nicht mit Ankündigungen: Es soll an der Grenze zu Mexiko der Notstand ausgerufen werden. Damit kann er das Militär an die Grenze schicken. Auch soll in wenigen Stunden der Notstand bei der Energieversorgung herrschen. Das hat zur Folge, dass Trump Umweltvorschriften umgehen kann, die einer Ausweitung der Erdöl- und Gasförderung im Weg stehen. Beides soll dazu dienen, dass die «goldene Ära», die Trump in seiner Rede heraufbeschwört, Realität wird.
Trump hält an diesem Abend noch mehrere Reden. Sie waren etwas weniger diszipliniert, dafür kryptisch und auch lustig und damit authentischer. Als Trump am Commander-in-Chief-Ball Truppen begrüsst, die aus Südkorea zugeschaltet werden, fragt er als Erstes: Wie geht es Kim Jong Un? Die Lacher sind ihm sicher.
Trump ist fasziniert vom nordkoreanischen Diktator. Gibt es bald ein Wiedersehen?
Noch ein letzter Tanz auf der Bühne zur Schnulze «Unchained Melody», wo Trump zu den Songzeilen «. . . I’ve hungered for your touch» («. . . ich habe mich nach deiner Berührung gesehnt») seine Melania übers Parkett führt. Eine kleine Anspielung auf Melanias Unnahbarkeit?
Dienstag
Der Tag beginnt in Europa mit Dutzenden von Push-Meldungen auf dem Smartphone. Was war das für eine Nacht in Washington. Nein, nicht der Glamour der Amtseinführung, sondern das Feuerwerk an Präsidialerlassen, die Trump danach unterschrieb.
Es sind Dutzende ausführende Bestimmungen zu den beiden Notstandserlassen. Das Asylverfahren in den USA wird ausgesetzt. Menschen, die illegal eingewandert sind und straffällig wurden, dürfen bis zu Prozessbeginn nicht mehr auf freien Fuss gesetzt werden.
Die Nachrichtenflut nimmt kein Ende. Dazwischen auch kleine, unterhaltsame Aspekte: Barron Trump, der nun 18-jährige Präsidentensohn, mausert sich in den sozialen Netzwerken zum Co-Star. Ein Riese ist er. Sein Vater hat ihn auf einem der Bälle nach der Amtseinführung mit Stolz vorgestellt. Er hat den Schalk seines Vaters. Hat er auch seinen Schneid?
Und da ist schon wieder Aufregung um Elon, dieses Wunderkind mit Asperger-Diagnose. Grund ist eine Freudengeste bei einer Rede am Montag. War es ein römischer Gruss, gar ein Hitlergruss? Die Empörung flutet das Netz, man könnte sich leicht davon ablenken lassen. Dabei geschehen in Amerika ganz andere verwunderliche Dinge mit grösserer Tragweite.
Trump begnadigt wie versprochen die Anführer des Sturms auf das Capitol und erklärt die Gefängnisstrafen von gewalttätigen Teilnehmern für geleistet. Insgesamt profitieren 1500 Personen von Trumps Nachsicht.
Am Dienstag sind die republikanischen Politiker damit beschäftigt, Trumps Begnadigungen zu rechtfertigen. Viele hatten sich zuvor dafür ausgesprochen, aber gleichzeitig versichert, Trump würde die schlimmsten Übeltäter ihre Strafen absitzen lassen. Doch bald werden alle «Patrioten», die laut Trump am «Tag der Liebe» zum Capitol «spazierten», frei sein. Die Politik hat über den Rechtsstaat gesiegt. Auch schwere Gewalttäter sind nun Sieger. Was nur macht das mit diesem Land?
Mittwoch
Inzwischen sind Soldaten an die Grenze unterwegs. Auch wird gemeldet, dass einige hundert straffällig gewordene Migranten ohne legalen Aufenthaltsstatus bereits in Haft genommen wurden.
Für den Nachmittag ist das erste TV-Interview aus dem Oval Office angekündigt. Die Fragen stellen darf Sean Hannity, ein beliebter Moderator bei Fox News. Es ist ein Gefälligkeitsinterview, doch hakt Hannity immerhin einmal kritisch nach, als er fragt, ob es tatsächlich gut sei, dass Trump gleich alle Gewalttäter des 6. Januar 2021 begnadigt habe.
Trump ist ein grosser Fan des Rechtsaussen-Senders. Für Donnerstag ist der zweite Teil des Interviews angekündigt. Kein Sender ist Trump so nah und überträgt die Polit-Soap in Echtzeit.
Der Anführer der Miliz Oath Keepers, Stewart Rhodes, kehrt nur wenige Stunden nach seiner Begnadigung zum Capitol zurück. Trump weniger gut gesinnte Nachrichtenportale zitieren derweil die Resultate einer taufrischen Umfrage, nach der eine Mehrheit der Amerikaner nicht damit einverstanden ist, dass einer wie Rhodes, zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt, nun frei herumläuft.
Enrique Tarrio, Anführer der rechtsextremen Miliz Proud Boys und der zweite Drahtzieher beim Sturm auf das Capitol, sagte nach seiner Freilassung beim ähnlich gesinnten Podcaster Alex Jones, dass die Menschen, die ihn für 22 Jahre einsperren wollten, nun die «Hitze spüren» sollten. Sie sollten nun strafrechtlich verfolgt werden.
Ist da Rache im Anzug?
Zeichen dafür gibt es mehrere: Gleich nach Trumps Vereidigung wird das Porträt des früheren Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs der Streitkräfte, Mark Milley, im Pentagon abgehängt. Milley hatte sich nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd durch einen weissen Polizeibeamten im Mai 2020 Trump entgegengesetzt, der verlangte, die Armee zur Verstärkung bei Protesten einzusetzen.
Joe Biden hat unter anderem Mark Milley in den letzten Stunden seiner Präsidentschaft vorsorglich begnadigt, um ihn vor einer Strafverfolgung zu schützen.
Weiteren ehemaligen Regierungsmitarbeitern entzieht Donald Trump den Zugang zu Geheimdokumenten und den staatlichen Personenschutz. Damit setzt er ein Zeichen.
Donnerstag
Es geht Schlag auf Schlag. Doch eines nimmt einen zuerst einmal wunder an diesem wolkenverhangenen Morgen in der Schweiz. Wie heisst nun der Golf von Mexiko? Zumindest auf Google Maps immer noch gleich. Trump hatte am Montag bei seiner Ansprache in der Rotunde angekündigt, die Meeresbucht werde künftig Golf von Amerika heissen.
Eine weitere Frage ist noch ungeklärt: Falls eine bemannte Rakete noch während Trumps Amtszeit auf dem Mars landen sollte, wann müsste diese die Erde verlassen? Manchmal lenken die wichtigen Fragen von der Politik ab. Der Annahme folgend, dass der Flug bis zum Mars neun Monate dauert, müsste die Rakete spätestens Mitte April 2028 gezündet werden. Dann wäre sie noch vor der nächsten Amtsübergabe am 20. Januar 2029 auf dem Mars.
Gemäss der amerikanischen Verfassung kann ein Präsident nur zweimal während vier Jahren das Amt ausüben. In der Trump-Bubble wird nun diskutiert, ob diese Bestimmung sich nur auf zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten bezieht. Wäre das der Fall, könnte Trump 2028 nochmals antreten. Da kommt noch mehr, garantiert.
Sonst scheint es erste Differenzen zu geben zwischen Musk und Trump. Der Präsident hat am Dienstag eine grosse, von der Wirtschaft finanzierte Technologie-Initiative namens «Stargate» angekündigt. 500 Milliarden Dollar wollen Tech-Firmen die kommenden vier Jahre in die Entwicklung von künstlicher Intelligenz investieren. Musk bezeichnet das Projekt als «Fake» und unterstellt einigen Firmen, sie hätten das versprochene Geld gar nicht. Was steht hinter Musks Gifteln? Wir warten auf die Fortsetzung.
Trump hat an diesem Donnerstag einen Auftritt am WEF in der Schweiz, zumindest virtuell. Bei seiner Ansprache fragt man sich allerdings, ob da vielleicht ein Video von einer früheren Ansprache abgespielt wurde? Trump sagt teilweise wörtlich dasselbe wie an der Vereidigung. Es wird dann auch nur verhalten applaudiert.
In der Fragerunde geht es dann um Zölle, Trumps angebliches Lieblingswort. Diese will Trump, obwohl anders angekündigt, nun den Chinesen ersparen. Kommt da noch jemand draus?
Am Abend bei Fox News bezeichnet er Kim Jong Un als «very smart». Der Verdacht kommt auf, dass sich dieses Diktatoren-Geschmuse bald abnutzen könnte.
Doch Langeweile ist noch nicht im Anzug. Bevor die Schweizer schlafen gehen, wird bekannt, dass Trumps Präsidialverordnung, mit der er das Recht auf Staatsbürgerschaft bei Geburt für Kinder von Migranten mit illegalem Aufenthaltsstatus abschaffen will, von einem Richter für mindestens 14 Tage suspendiert wird. Auch hier: Fortsetzung folgt.
Freitag
Es ist bereits weit mehr passiert als bei anderen Präsidenten in einem ganzen Monat. Aber was ist mit der Ukraine? Trump hat versprochen, dass innert 24 Stunden nach Amtsübernahme ein «Deal» zwischen Russland und der Ukraine auf dem Tisch liegen werde. Es sind jetzt fünf Arbeitstage vergangen, und die Waffen schweigen nicht.
Es war von Anfang an klar, dass es sich um eine vollmundige Ankündigung handelte. Erst am Mittwoch hat sich Trump zum ersten Mal als Präsident zum Angriffskrieg geäussert, in Form eines etwas kryptischen Tweets. Am Donnerstag bei Hannity wurde er dann deutlicher. Der Krieg solle sofort enden. Wenn Putin nicht einlenke, werde er Russland weitere Sanktionen auferlegen.
Ob Trumps Poltern den Russen nachhaltig einschüchtert? Das beansprucht fast schon eine eigene Staffel dieser Serie.
Am Freitag unternimmt Trump die erste Inlandreise in die von Naturereignissen zerstörten Gliedstaaten North Carolina und Kalifornien. Während der Präsident weg ist, wird im Senat in Washington über das Schicksal von Pete Hegseth abgestimmt. Wird er nun Verteidigungsminister oder nicht? In einer Testabstimmung in der Nacht auf Freitag reichte es knapp, obwohl sich zwei republikanische Senatorinnen gegen ihn aussprachen.
Vielleicht hat sie die eidesstattliche Erklärung von Hegseths ehemaliger Schwägerin beeindruckt. Sie sagte diese Woche aus, dass sich Hegseths zweite Frau so stark vor ihrem Mann gefürchtet habe, dass sie sich manchmal im Schrank vor ihm versteckt habe.
Wird es, wenn er einmal im Amt bestätigt ist, weniger Drama geben um den 44-jährigen Ex-Soldaten? Den amerikanischen Streitkräften wäre es zu wünschen. Der Trump-Show vielleicht weniger.
Doch an umstrittenen Figuren mangelt es in dieser neuen Staffel Trump auch so nicht. The show will go on.