Mit letzter Kraft versucht Julian Assange, sich der drohenden Auslieferung in die USA zu entziehen. Doch nach einer Anhörung vor dem High Court in London drohen dem Wikileaks-Gründer die juristischen Optionen auszugehen.
In den letzten Jahren war es still geworden um Julian Assange. Seit 2019 sitzt der Wikileaks-Gründer im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, während seine Anwälte versuchen, Assanges Auslieferung in die USA mit immer neuen Rekursen zu verhindern. Laut seiner Gattin Stella ist der psychische und physische Zustand des 52-Jährigen schlecht. Als am Dienstag und Mittwoch vor dem High Court in London die womöglich letzte Anhörung vor britischen Gerichten über die Bühne ging, konnte Assange den Verhandlungen weder persönlich noch per Video-Link beiwohnen.
Entscheid folgt im März
Nach Abschluss der Anhörung müssen die beiden Richter Victoria Sharp und Adam Johnson nun entscheiden, ob Assange in Grossbritannien noch eine letzte rechtliche Chance erhält. Seine Anwälte hatten um Erlaubnis ersucht, gegen den Auslieferungsentscheid der britischen Regierung ein letztes Mal in Berufung zu gehen. Der Entscheid soll nach Angaben des Gerichts nach dem 5. März fallen.
In den USA drohen Assange ein Prozess und eine womöglich langjährige Haftstrafe. Ihm wird vorgeworfen, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von amerikanischen Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und auf der Plattform Wikileaks veröffentlicht zu haben. Die Informationen waren kaum redigiert – auch darum werfen die USA Assange vor, er habe das Leben von Informanten gefährdet.
Seine Unterstützer sehen Assange hingegen als Helden. Dutzende von Demonstranten protestierten vor dem Gerichtsgebäude für seine Freilassung. Assanges Gattin erklärte, ihr Ehemann würde eine Auslieferung in die USA nicht überleben. Und mehrere Redner bezeichneten Assange als Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht habe – weshalb die Anklage der USA einem generellen Angriff auf die Pressefreiheit gleichkomme.
Herkömmliche journalistische Praxis?
Auf diese Argumentationslinie stützten sich im Gerichtssaal auch Assanges Anwälte. Ein Fürsprecher erklärte, die amerikanische Anklage sei politisch motiviert. Assange habe Verbrechen ans Tageslicht gebracht und gemäss herkömmlicher journalistischer Praxis Dokumente publiziert, die im öffentlichen Interesse gestanden seien.
Ein anderer Anwalt ergänzte, die USA bestraften Assange für seine politischen Ansichten, was gemäss britischer Rechtspraxis ein Grund wäre, um eine Auslieferung abzulehnen. Ohne Beweise vorzulegen, suggerierten die Anwälte sogar, ihr Mandant könnte vom amerikanischen Geheimdienst CIA aussergerichtlich hingerichtet oder gefoltert werden.
Weiterzug nach Strassburg?
Die Rechtsvertreterin der amerikanischen Regierung verwehrte sich gegen solche Mutmassungen. Washington habe klare Verfahrensgarantien über die Behandlung Assanges abgegeben. Zudem seien die Handlungen Assanges weit über die herkömmliche journalistische Praxis hinausgegangen.
So habe der Wikileaks-Gründer Chelsea Manning und andere dazu angestiftet, in Computer der amerikanischen Regierung einzudringen und Daten zu stehlen. Nicht zuletzt, so die Argumentation der Anwältin, habe Wikileaks die gestohlenen Daten ohne journalistische Prüfung veröffentlicht und damit Personen in Afghanistan, im Irak, in Syrien, China und Iran mutwillig in Gefahr gebracht.
Ermöglicht der High Court Assange einen letzten Rekurs, nimmt die Geschichte rund um den Wikileaks-Gründer in Grossbritannien eine weitere Schlaufe. Wird der Antrag aber abgelehnt, bliebe Assange nur noch ein Weiterzug vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) in Strassburg.
Ob der EGMR intervenieren würde, ist allerdings fraglich, da die Strassburger Richter gegen Auslieferungen von Grossbritannien in die USA in der Regel keine Vorbehalte anmelden. Laut Beobachtern könnte eine Überführung Assanges in die USA daher bereits wenige Wochen nach dem Entscheid des High Court vollzogen werden.