Die teure Jagd nach der ältesten Segeltrophäe der Welt verbindet den in der Schweiz aufgewachsenen Alinghi-Eigner Ernesto Bertarelli mit dem Luna-Rossa-Zampano Patrizio Bertelli. Dabei hatten beide mit dem Cup eigentlich schon abgeschlossen.
Sie tragen Namen, die nicht selten verwechselt werden: Ernesto Bertarelli, der Eigner von Alinghi, und Patrizio Bertelli, der Teamchef von Luna Rossa. Der eine, Bertarelli, stammt aus Rom und wuchs in der Schweiz auf, der andere ist Toskaner. Beide sind Unternehmer und gute Segler. Sie haben in ihrem Leben Milliarden verdient. Und jagen dem gleichen Traum nach: dem Gewinn des America’s Cup. Beide wollen ihn besitzen, den ältesten Segelpokal der Welt, für den sie viel Zeit und viel Geld investiert haben.
Bertarelli und Bertelli ist es gelungen, in ihrer Heimat eine Segel-Euphorie auszulösen. Beide kehrten dem Cup vorübergehend den Rücken zu, ehe sie mit Ehrgeiz und Enthusiasmus zurückkamen. Und sie haben auch abseits der Regatten Schlagzeilen geliefert. Dafür besorgt war auch ein gemeinsamer Feind.
Bertellis cholerische Ausbrüche waren bei seinen Angestellten gefürchtet
In Barcelona, wo gegenwärtig der 37. America’s Cup ausgetragen wird, segeln die Teams von Bertarelli und Bertelli einmal mehr gegeneinander. Bertarelli, mit seiner Schwester seinerzeit Erbe des drittgrössten Biotech-Unternehmens Serono, ist seinem ewigen Konkurrenten voraus: Er hat den Cup schon zweimal gewonnen. Bertelli, durch Heirat Mitbesitzer des Modehauses Prada geworden, ist bei fünf Versuchen jedes Mal gescheitert; zuerst im Jahr 2000, in Auckland, wo Luna Rossa gegen Neuseeland keine Chance hatte.
Dieser 30. America’s Cup war sowohl für Bertarelli als auch für Bertelli ein Schlüsselerlebnis gewesen. Bertelli hatte trotz deutlicher Finalniederlage bei seiner Premiere einen grandiosen Auftritt. Luna Rossa mit dem eleganten Steuermann Francesco de Angelis wusste zu begeistern. In Italien verfolgten Millionen mitten in der Nacht die TV-Übertragungen. Es war ein Segelfest, von dem, wie man im Nachhinein erfuhr, auch der junge Ernesto Bertarelli als stiller Beobachter fasziniert war. Trotz der Finalniederlage war für Bertelli klar, dass er zu einer zweiten Herausforderung antreten würde. Und Bertarelli war ebenfalls gewillt, eine Challenge zu hinterlegen.
Drei Jahre später war es Bertarelli und nicht Bertelli, der den Pokal in die Höhe stemmte. Dank dem cleveren Schachzug, die besten neuseeländischen Segler zu engagieren, war Alinghi gleich bei seiner ersten Cup-Teilnahme erfolgreich. Für Bertelli hingegen geriet dieser Auftritt in Auckland zum Desaster.
Die Italiener hatten sich im Design vertan. Im Viertelfinal gegen Alinghi war die gestresste Crew chancenlos ausgeschieden. In diesen turbulenten Wochen lernte die Öffentlichkeit eine andere Seite von Bertelli kennen. Er konnte auf Pressekonferenzen aufbrausend sein; seine cholerischen Ausbrüche waren bei seinen Angestellten gefürchtet.
Vier Jahre später war es wieder Bertarelli, der obenaus schwang: In Valencia organisierte er 2007 den besten Cup der Geschichte und verteidigte die Trophäe erfolgreich. In Spanien war Bertelli ebenfalls dabei; Luna Rossa erreichte erneut den Challenger-Final.
Und in Spanien betrat jener andere Milliardär die Cup-Szene, der zum gemeinsamen Feindbild der beiden Teambesitzer werden sollte: der Amerikaner Larry Ellison. Der Besitzer von Oracle zwang Alinghi nach dem Cup-Sieg zu einem jahrelangen Prozessgeschehen. Bertarelli verlor 2010 das vom Gericht angeordnete Rennen gegen Oracle und wandte sich vom America’s Cup ab. Solange dieser von unfairen Protokollen regiert werde, wolle er damit nichts mehr zu tun haben. Bertelli hingegen unternahm 2013 einen weiteren Versuch, den Cup, nun ausgetragen auf Katamaranen, zu gewinnen; sein Team scheiterte im Challenger-Final erneut an Neuseeland.
Als im darauffolgenden Cup Oracle mithilfe eines Mehrheitsentscheids der Challenger den geplanten 62-Fuss-Katamaran durch ein kleineres Cup-Boot ersetzte, zog sich Bertelli wutentbrannt vom 35. America’s Cup zurück. «Sie haben uns gezwungen, in ein Projekt zu investieren, das sie jetzt wegwerfen.» Damit spielte er auf den Oracle-Boss Ellison an. Das seien keine seriösen Leute, er wolle mit denen nichts mehr zu tun haben, sagte Bertelli. «Für mich ist der America’s Cup zu Ende. Unwiderruflich.»
Bertarelli und Bertelli, so schien es, hatten den Cup für immer hinter sich gelassen. Doch die Begeisterung für diesen im Sport einzigartigen Wettbewerb, bei dem der Sieger den nächsten Anlass organisieren kann, brachte sie zurück in die Welt, in der die besten Designer und Segler engagiert sind und in der der Cup zur Obsession wird.
Wenn einer der beiden den Cup gewinnen sollte, könnten sie gemeinsame Sache machen
Zuerst war 2021 Luna Rossa wieder dabei. Bertelli, der Mehrrumpfboote nicht mag, setzte als erster Herausforderer beim Defender Neuseeland durch, dass das künftige Cup-Boot ein foilender Monohull wird. Das war zunächst nicht nach dem Gusto des Mehrrumpf-Seglers Bertarelli, er blieb dem Cup in Aukland fern. Doch als er sah, welches Potenzial in der AC75-Klasse steckt, entschied er sich zu einer erneuten Teilnahme.
Bertarelli und Bertelli ist auch gemeinsam, dass sie ihre Kampagnen gerne aus der Nähe verfolgen. Während Bertarelli die Kunst des Managements im Delegieren sieht und die grossen Linien festlegt, soll sich Bertelli auch bei kleinsten Details einbringen. Beide suchen den Kontakt zu den Leuten, die in jahrelanger Arbeit den Cup vorbereitet haben.
Der Hobbykoch Bertelli lässt es sich bisweilen nicht nehmen, für die gesamte Belegschaft Pasta zu kochen. Bertarelli macht es sichtlich Freude, Besuchern seiner Alinghi-Basis mit dem Mikrofon in der Hand den America’s Cup zu erklären. Aber die beiden stehen nicht mehr selber auf den Cup-Booten; Bertarelli ist 58, Bertelli 78 Jahre alt. Ihre Auftritte in der Öffentlichkeit sind immer noch selten.
Wenn einer der beiden den Cup gewinnen sollte, wäre es nicht verwunderlich, wenn der andere vom Sieger zum ersten Challenger erkoren würde. Dann könnten sie zusammen im neuen Protokoll das Reglement für den 38. America’s Cup festlegen.
Bertelli hat zurzeit im Kampf auf dem Wasser die besseren Karten. Luna Rossa hat Alinghi in Barcelona in drei Rennen (eines davon in der Vorregatta) zweimal geschlagen. Die Möglichkeit, dass es erneut zum Duell zwischen den Teams von Bertelli und Bertarelli kommt, scheint jedoch eher gering. England, das als Sieger der Qualifikationsregatta für den Halbfinal den Gegner aussuchen kann, wird wohl Alinghi wählen, da die Schweizer bisher den schwächsten Eindruck der übrig gebliebenen Challenger hinterliessen. In diesem Fall müsste Luna Rossa gegen die USA segeln. Die Paarungen werden am Freitag bekannt.