Die zukünftige Regierung der USA setzt erheblichen wirtschaftlichen Druck auf, um ihre Nachbarn zu besserem Grenzschutz zu zwingen. Kanada droht dadurch eine Rezession.
Donald Trump hat am Montag in seinem sozialen Netzwerk Truth Social angekündigt, was er gleich an seinem ersten Tag im Weissen Haus tun will: einen 25-prozentigen Zoll auf Importe aus Kanada und Mexiko einführen. Die USA, Mexiko und Kanada verbindet das Freihandelsabkommen USMCA, das Trump selbst 2018 als Nachfolge des Nafta-Abkommens verhandeln liess. Lässt der künftige Präsident seinen Worten Taten folgen, wäre dieses Abkommen, das 2026 verlängert oder neu verhandelt werden müsste, Makulatur.
Trump will besseren Grenzschutz
Bemerkenswert war, dass Trump diesen den Nachbarländern angedrohten Schritt nicht als handelspolitische Massnahme erklärte. Vielmehr ist es für ihn ein Mittel, um die Nachbarn zu einem besseren Grenzschutz zu zwingen. Die Abgabe werde so lange in Kraft bleiben, bis Kanada und Mexiko Drogen – insbesondere Fentanyl – und alle illegal einreisenden Einwanderer erfolgreich von den USA fernhielten, so Trump.
Der baldige Amtsinhaber hat damit eher unerwartet den Fokus auf die amerikanische Nordgrenze gelenkt, nachdem bisher in der öffentlichen Diskussion vor allem die für Migranten und Drogen durchlässige Südgrenze als zentrales Problem galt. Vor Trumps Ankündigung hatte bereits dessen neu ernannter oberster Grenzschutzbeauftragter Tom Homan in einem Fernsehinterview darauf hingewiesen, dass die Grenze mit Kanada ein sehr grosses Problem für die nationale Sicherheit der USA sei.
Ausländer aus Ländern, die den Terror unterstützten, verfügen laut Homan über die organisatorischen und finanziellen Mittel, um nach Kanada zu fliegen und von dort illegal in die USA einzudringen. Denn sie wüssten, dass im Norden weniger amerikanische Grenzbeamte stationiert seien als im Süden. Das Problem mit der kanadischen Grenze werde eines der ersten sein, die er nach seiner Amtsübernahme im Januar an die Hand nehmen werde.
Die Zahl der von den amerikanischen Behörden registrierten Versuche von illegalen Grenzübertritten an der amerikanischen Nordgrenze ist zwar weit geringer als jene der Versuche an der Grenze zu Mexiko, wo letztes Jahr mehr als 1,5 Millionen solcher Vorfälle registriert wurden. Doch die Zahl der Fälle an der Grenze mit Kanada ist in den letzten Jahren massiv angestiegen, von rund 900 im Jahr 2021 auf 23 000. Grenzübertritte in die USA mit terroristischer Absicht können damit ebenso gut über Kanada erfolgen. Fälle von Fentanyl-Schmuggel aus Kanada in die USA sind hingegen kaum bekannt, zumindest nicht in grösseren Mengen.
Der kanadische Premierminister Justin Trudeau misst dem sich abzeichnenden Streit mit Trump höchste Bedeutung zu. Bereits kurz nach der Wahl des Republikaners hat er ein spezielles Komitee aus elf Kabinettsmitgliedern reaktiviert, das sich mit den Beziehungen zu den USA befasst. In einem Telefongespräch mit Trump versuchte er am Dienstag, die Wogen zu glätten. Ausserdem rief er die Provinzpremiers am Mittwoch zu einer Krisensitzung zusammen.
Alarmierte Wirtschaftsführer
Trumps Drohung mit Zöllen wird in Kanada auch von Wirtschaftsführern sehr ernst genommen. Die USA sind bei weitem Kanadas wichtigster Handelspartner. Rund 75 Prozent der Exporte gehen in die USA. Beim Erdöl, dem wichtigsten Exportgut, sind es gar 97 Prozent. Weitere wichtige Exportgüter von Kanada für den amerikanischen Markt sind Erdgas, Autos und Autoteile sowie Metalle für die Industrie (insbesondere Stahl und Aluminium). Kanadas Wirtschaft droht durch Trumps Zölle eine Rezession.
Eine Studie vom vergangenen September versuchte den Effekt von Zöllen zu schätzen. Sie kam zum Schluss, dass ein allgemeiner Zoll von lediglich 10 Prozent auf Kanadas Exportgütern für die USA das Wachstum des Bruttoinlandprodukts während der nächsten zwei Jahre um 2,4 Prozentpunkte reduzieren würde, im Vergleich zu den Prognosen ohne Erhöhung der Zölle.
Insbesondere im Erdöl- und Erdgassektor herrscht Alarmstimmung. Dennis McConaghy, ein Spezialist aus diesem Sektor und langjähriger früherer Manager bei TC Energy Corporation, welche unter anderem Erdgas- und Erdölpipelines betreibt, mahnt, die Auswirkungen der angedrohten Tarife wären für Kanada so gravierend, dass man diese einfach nicht zulassen dürfe.
Doch welche Möglichkeiten hat Kanada überhaupt, um sich gegen Trumps Drohungen zu wehren?
Lobbyieren in Washington oder Gegenzölle
In der öffentlichen Diskussion sind vor allem zwei Optionen im Gespräch: Der Hauptfokus liegt derzeit laut Regierungskreisen darauf, die Kommunikationskanäle zu Trumps innerem Zirkel und möglichen amerikanischen Partnern, welche kanadische Interessen teilen, aufrechtzuerhalten. Die Lieferketten der beiden Länder sind so stark miteinander verflochten, dass durch die Zölle auch bedeutende Teile der amerikanischen Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen würden. Deshalb ginge es darum, Vertreter dieser Bereiche für Lobbying in Washington zu mobilisieren. Auch Wirtschaftsbereiche, welche nach Kanada exportieren und Gegenzölle befürchten müssten, könnten dafür aktiviert werden.
Sollte dies nicht zum Ziel führen, wären Gegenmassnahmen von Kanada wohl unumgänglich. Trudeau hat darin bereits Erfahrung von 2018, als Trump Zölle auf Stahl und Aluminium aus Kanada erhob. Allerdings war dies damals eine handelspolitische Massnahme. Die Einführung von Gegenzöllen durch Trudeau führte relativ schnell dazu, dass Trump seine Massnahmen zurücknahm und einen neuen Freihandelsvertrag mit Kanada und Mexiko aushandelte.
Solche Gegenzölle könnten Wirtschaftsbereiche betreffen, welche für die Regierung Trump politisch besonders heikel sind, wie beispielsweise die Landwirtschaft, welche Milchprodukte und Getreide nach Kanada exportiert. Oder sie könnten sich auch gegen wichtige Unternehmer richten, welche bei Trump Einfluss haben: beispielsweise Zölle auf Tesla-Fahrzeuge oder iPhones.