Das erste richtungsweisende Urteil zu den Massenentlassungen von Bundesbeamten könnte noch diese Woche gefällt werden.
Vor zehn Tagen erhielten viele Tausende von Bundesangestellten in verschiedenen Bereichen der Verwaltung dieselbe Botschaft vom Personalbüro im Weissen Haus: «You are fired.» Unter den fristlos Entlassenen befand sich der 57-jährige Special Counsel Hampton Dellinger. Er leitete eine eigenständige Aufsichtsbehörde, die unter anderem für den Schutz von Whistleblowern zuständig ist. Als Hauptaufgabe überwacht der Regierungs-Wachhund das Leistungssystem («merit system») in der Verwaltung und untersucht Verstösse gegen ethische Regeln, darunter Diskriminierung, Vetternwirtschaft, politischer Zwang und Korruption.
Dellinger, der vor zwei Jahren von Präsident Biden ernannt und vom Kongress bestätigt wurde, klagte umgehend gegen die Trump-Regierung. Die Kündigung sei illegal, da die Regierung keinen triftigen Grund angegeben habe. Ein Urteil aus dem Jahr 1935 schützt Leiter unabhängiger Behörden vor einer Entlassung. Mit der fristlosen Kündigung von Hampton Dellinger verstösst die Trump-Regierung zudem gegen das Gesetz, mit dem der Kongress 1989 die Funktion des Special Counsel als ethische Kontrollinstanz eingerichtet hat. Dieses schreibt vor, dass Trump Dellinger vor 2029 nur entlassen darf, wenn er Gründe wie «Ineffizienz, Pflichtvernachlässigung oder Amtsmissbrauch» vorbringen kann.
Massenhafte Entlassungen, massenhafte Klagen
Nachdem ein Bezirksgericht eine einstweilige Verfügung gegen die Kündigung erlassen und das Appellationsgericht sie gutgeheissen hatte, rief die Trump-Regierung per Eilantrag den Supreme Court an. Es ist die erste Klage gegen die Entlassungen und Sparmassnahmen der Trump-Regierung, die das Oberste Gericht erreicht. Das Portal Lawfare zählte am Freitag über fünfzig hängige Klagen.
Es geht dabei um mehr als den Einzelfall Dellinger: Die Trump-Regierung fordert in ihrem Antrag ein Grundsatzurteil zu der Frage, ob die Gerichte Entlassungen und Sparmassnahmen in der Verwaltung blockieren dürfen. Es ist laut dem Appellationsgericht unüblich, dass eine einstweilige Verfügung an höhere Instanzen gezogen wird, da sie eine zeitlich begrenzte Massnahme darstellt, bevor ein möglicher Prozess beginnt.
Die Verfasserin des Antrags, die Generalanwältin Sarah Harris, schlägt aber auffallend dringliche Töne an. Sie macht einen «irreparablen Schaden» für die Arbeit der Regierung geltend, falls Dellinger weitere Wochen im Amt bliebe. Darüber hinaus stelle dieser Fall «einen präzedenzlosen Angriff auf die Gewaltenteilung dar, der einen sofortigen Rechtsschutz benötigt». Sie beklagt die zahlreichen einstweiligen Verfügungen, die auf die Regierung einprasseln würden, sei es wegen des Shutdowns der Entwicklungsorganisation USAID oder wegen der Gesundheitsversorgung von Trans-Jugendlichen.
Wie autonom ist die Exekutive?
Harris bezieht sich auf das letztjährige Immunitätsurteil des Obersten Gerichtshofs, das die Autorität eines Präsidenten stark ausgedehnt hat, und schliesst daraus, dass weder der Kongress noch die Richter dem Präsidenten vorschreiben dürften, welche Personalentscheide er fälle. Der Supreme Court dürfe es nicht erlauben, dass die Justiz dem Präsidenten diktiere, wie lange er jemanden gegen seinen Willen beschäftigen müsse. Das sei ein Übergriff auf die Exekutive.
Die konservative Mehrheit des Supreme Court sympathisiert mit der Sichtweise der Trump-Regierung. Sie hat 2020 eine ähnlich abrupte Entlassung des Konsumentenschützers gestützt. Auch dieser war für eine fünfjährige Amtsdauer gewählt und wurde von Trump fristlos entlassen.
Ob der Supreme Court sich der einstweiligen Verfügung des Ethik-Wächters Dellinger isoliert annimmt, das Präzedenzurteil aus dem Jahr 1935 umdreht oder die Exekutive gleich weitgehend vom Zugriff der Justiz und des Kongresses befreit, ist dem Gremium überlassen. Die Trump-Regierung möchte offensichtlich möglichst schnell klären, inwiefern die traditionellen Checks and Balances für sie noch gelten.