Ab 2025 ist die Neuanschaffung von Rottweilern verboten. Dabei ist schon lange wissenschaftlich erwiesen: Rasselisten sind Unsinn. Etwas anderes wäre viel wichtiger, um neue Hundeangriffe zu verhindern.
Der Mensch freut sich immer, wenn er auf etwas ein Etikett kleben kann – denn dann ist scheinbar alles in der richtigen Schublade, Problem gelöst. Nun hat man im Kanton Zürich ein neues schönes Etikett gefunden: Die Hunderasse Rottweiler gilt nun als potenziell gefährlicher Hund. Ab 1. Januar 2025 sind keine Neuanschaffungen mehr erlaubt, die Haltung der bereits hier lebenden Rottweiler bedarf einer Bewilligung.
Der Grund für dieses Verbot sind zwei Hundeangriffe, bei denen in den vergangenen Monaten unter anderem Kinder schwer verletzt wurden. Die Regierung habe schnell handeln müssen, um neue Vorfälle zu verhindern, sagte die Regierungspräsidentin Natalie Rickli zur NZZ.
Selbstverständlich sollte jede sinnvolle Massnahme ergriffen werden, um Menschen zu schützen.
Das Problem ist nur: Das Rottweiler-Verbot ist eine Scheinlösung. Diese vermag vielleicht die Ängste der Menschen ein wenig zu nehmen, mehr nicht. Mittlerweile haben mehrere europäische Länder jahrzehntelange Erfahrung mit Rasselisten. Verhaltensbiologen, Tierärzte und andere Fachleute sind sich einig: Sie bringen rein gar nichts.
Keine Hunderasse ist per se gefährlich
Denn aus verhaltensbiologischer Sicht ist unbestritten, dass Gefährlichkeit bei Hunden extrem selten genetisch bedingt ist. Es gibt viele Gründe, die dazu führen können, dass ein Hund gefährlich wird – dazu zählt die Rasse nicht.
Nun ist es selbstverständlich so, dass ein durchschnittlicher Rottweilerrüde mit 50 Kilo Gewicht und dem entsprechenden Gebiss einen Menschen schwerer verletzen kann als ein Chihuahua. Auch sagt Rickli korrekt, dass Rottweiler ein anderes Wesen besässen als Labradore.
Das trifft jedoch auf eine Vielzahl an Rassen zu, genauso wie die imposante Grösse des Rottweilers. Die meisten Hunderassen sind für bestimmte Arbeitszwecke gezüchtet worden wie Jagen, Hüten, Schützen, Tiere treiben. Aufgrund ihrer Zuchtgeschichte haben Rassen unterschiedliche Eigenschaften, einige eignen sich eher für die moderne Hundehaltung als andere.
Auch der Labrador ist kein Hamster
Die ursprüngliche Aufgabe des Rottweilers war es, Vieh zu treiben und zu bewachen. Das macht Rottweiler «nur» ähnlich anspruchsvoll in der Haltung wie vielleicht den Deutschen Schäferhund, Australian Shepherd oder Belgischen Schäferhund. Dies sind Hunderassen, die teilweise in Mode waren oder sind und zahlenmässig im Durchschnitt häufiger beissen als Rottweiler. Im Übrigen sind auch die als Familienhund beliebten Labradore in den Beissstatistiken regelmässig vertreten, denn auch sie sind keine Hamster.
Die echten Gründe für Gefährlichkeit sind bekannt: Hunde sind sozial ausserordentlich intelligente Tiere, Hund und Mensch bilden ein Beziehungsgespann, das ähnlich fehler- und konfliktanfällig ist wie jenes zwischen Menschen. Wissenschaftlich ist erwiesen, dass ein Grossteil der gefährlichen Situationen mit Hunden aus einer gestörten Beziehungsdynamik zwischen Hund und Halter heraus erfolgt.
Zu viele Halter sind ahnungslos
Es ist die Pflicht jedes Hundehalters, sich mit den Anforderungen der Hundehaltung allgemein und den speziellen Eigenschaften ihrer Rasse auseinanderzusetzen und dem gerecht zu werden. Zwar schaffen sich immer mehr Menschen Hunde an, aber eine echte Auseinandersetzung dieser Art ist die Ausnahme. Viele Hundehalter haben einfach Glück, dass Hunde im Durchschnitt sehr leidensfähig sind.
Genau hier müsste die Politik das Problem an der richtigen Stelle regulieren und die Hundehalter rechtzeitig in die Pflicht nehmen: Die obligatorischen Hundekurse vor der Anschaffung eines Hundes sollten ausgebaut, nicht abgeschliffen werden wie in der Vergangenheit geschehen. Der Beruf Hundetrainer sollte zum geschützten Ausbildungsberuf werden. Derzeit kann sich Hinz und Kunz Hundetrainer nennen und damit um die Erlaubnis beim Kanton bewerben, die Hundekurse zu geben. Inhalt und Qualität der Kurse sind schlecht geregelt und entsprechen selten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Aber natürlich ist es da viel einfacher, ein hübsches Etikett auf jenen zu kleben, der halt gerade zufällig den letzten Vorfall verursacht hat. Und damit in Kauf zu nehmen, dass die Zahl der Hundeangriffe trotzdem weiter steigen wird.