Mäni Weber, vor neunzig Jahren geboren, moderierte Shows wie «Wer gwünnt?». Die Formate und Fragen haben sich geändert — etwas aber ist bis heute gleich.
Am 29. August 1968 strahlt das Schweizer Fernsehen seine allererste eigene Sendung in Farbe aus. Und natürlich kann es nur einen geben, der das Publikum aus dem Schwarz-Weiss-Zeitalter führt: «Mäni national» mit seiner Quizsendung «Dopplet oder nüt». Mäni Webers oranges Hemd leuchtet vor azurblauer Kulisse, Stargast ist Ferdi Kübler. Doch ein Kandidat, der sich die Karriere des Radrennfahrers zum Steckenpferd gemacht hat, muss schon bei der zweiten Frage kapitulieren. Der Quizmaster tröstet den geknickten Kerl anrührend generös mit einer spontanen Einladung zum Nachtessen mit Kübler und ihm. Typisch Mäni.
Was die Rolle der Kandidaten solcher Shows betrifft, fragt man sich bis heute: Bereitet das Leben nicht schon genug Kopfzerbrechen? Warum also sollte man sich in aller Öffentlichkeit das Hirn zermartern anhand von Aufgaben, deren Lösung uns beim Bewältigen des Alltags nicht einmal ansatzweise weiterhelfen kann?
Da war Television noch visionär
Diese Frage ist im Grunde interessanter als die meisten, mit denen wir heute in Quizshows konfrontiert werden. Und doch lebt deren Tradition fort, die allein in Deutschland schon über siebzig Variationen umfasst, seit dort ab 1958 die Sendung «Alles oder nichts» zum vielfach adaptierten Vorbild wurde.
Die Formate und Fragen änderten sich, aber eine Einsicht blieb: Der Erfolg dieser Shows steht und fällt mit der Qualität der Quizmaster. Einer, der als solcher hierzulande Massstäbe setzte, wäre am 26. Februar neunzig Jahre alt geworden: Hermann Weber, im Volksmund «Mäni Wäber», wurde zum umschwärmtesten Fernsehstar dieses Landes überhaupt. Er hatte seine Karriere als Sportreporter beim Radio begonnen, wie später Beni Thurnheer, der in den achtziger Jahren mit der Quizsendung «Tell-Star» sein Erbe antrat und wahlweise als «Schnurri der Nation» oder «Beni national» galt.
«Mäni national» galt ebenfalls als Schnurri, aber von ganz anderem Schlag. Der Studienabbrecher, ein Basler wie Heidi Abel, das zweite Aushängeschild der Schweizer TV-Pionierzeit, hätte auch als James Bond eine gute Figur gemacht. Sein Aussehen war blendend, sein Glamourfaktor hoch, sein Charme legendär. Abertausend Frauenherzen bluteten, als er 1968 eine Swissair-Stewardess heiratete. Die Hochzeit wurde live im Fernsehen übertragen, als würde ein Prinz vermählt. Das ganze Land schien ihn zu lieben. Es war die Zeit, als die Television noch als visionär galt und ihre Stars angehimmelt wurden.
Fernsehen als Versuchsbetrieb
Der Hype um Mäni Weber beginnt, als er 1963 die Sendung «Dopplet oder nüt» übernimmt, die er sieben Jahre lang moderieren wird. Das Konzept hat seinen Ursprung in Amerika, der helvetische Name ist Programm: Drei gegeneinander antretende Kandidaten werden ausführlichst, aber ohne Schnickschnack zu einem selbstgewählten Wissensgebiet befragt, von Jeremias Gotthelf bis zu Sommervögeln. Bei jeder richtigen Antwort wird die Gewinnsumme verdoppelt, bei einer falschen ist alles weg. Mit dieser simplen Formel tragen Quiz und Master massgeblich zur Popularität des hierzulande zunächst mit Argwohn aufgenommenen neuen Mediums bei. Zehn Jahre vorher hat der Bundesrat das Fernsehen als Versuchsbetrieb bewilligt unter der Voraussetzung, dass es «die allgemeine Bildung fördern» und «für gediegene Unterhaltung sorgen» müsse.
1973 wird Weber eine Nachfolgesendung auf den Leib geschrieben: «Wer gwünnt?» Der Titel erinnert an «Einer wird gewinnen», die grosse ARD-Samstagabendkiste mit dem legendären Hans-Joachim Kulenkampff, das Konzept aber stammt aus Italien. Am 15. Februar 1973 wird aus dem Forum des Stadttheaters Basel die erste Folge ausgestrahlt, die vielleicht von amerikanischen Krimiserien jener Zeit inspirierte Erkennungsmelodie wird den Schweizer Ohren bald vertraut sein.
Mäni Weber stellt seine neue Assistentin als «Charlotte» vor, man siezt sich, sie ist mindestens so telegen wie er und nach seiner Aussage vor allem zur Betreuung der Kandidaten da. Er flirtet beiläufig und stellt mit Blick in die Kamera klar: «Z haa isch sie uf jede Fall nüme.»
Sonst ist das Ambiente förmlich bis steif. Die Fragen, die Weber feierlich vorliest wie ein Samichlaus aus dem Buch, kommen in Hochdeutsch, die Antworten auch. Durch Halbkuppeln vor allfälligen Einflüsterern abgeschirmt, wählen die Kandidaten die Themenfelder auf der Videowand, von «Märchen» bis zu «Europäischer Geschichte». Jede korrekte Antwort gibt 30 bis 70 Franken, der erste Champion gewinnt 2580 Franken und darf wiederkommen.
Wer sich heute die alten Shows ansieht, stellt fest: Der Quizmaster hatte wie Polizisten, Pfarrer, Lehrer noch eine unangefochtene Autorität, die längst verlorengegangen ist. Und diese Mischung aus Volksbildung und Unterhaltung war von einer Behäbigkeit geprägt, die heute nicht nur die reizüberflutete Jugend mit Gähnen quittieren würde. Wie die Vorgängersendung wurde aber auch «Wer gwünnt?» zum Strassenfeger – ein Begriff, der jungen Leuten wohl erklärt werden muss: Als man das Fernsehen linear konsumierte und Zerstreuungsangebote rar gesät waren, verfolgten alle Familien, die ein Gerät besassen, die populärsten Sendungen in ihren Stuben. Es waren die Lagerfeuer der Nation.
Und heute?
Fünfzig Jahre später ist manches schlechter, anderes besser. Frauen begnügen sich zum Glück nicht mehr mit der Rolle der Assistentin: Die älteste noch laufende SRF-Quizsendung, das aus der niederländischen Konzeptmaschinerie Endemol stammende «1 gegen 100», ist seit ihrem Start 2008 weiblich besetzt, seit fünf Jahren moderiert eine Angélique Beldner. Wer beim Beantworten von allerhand Multiple-Choice-Fragen, von simpel bis etwas anspruchsvoller, die hundertköpfige Gegnerschaft im Studio schlägt, trägt bis zu 100 000 Franken nach Hause.
Dieses letzte einigermassen klassische SRF-Wissensquiz tauchte bis anhin noch nicht unter den Opfern des jüngsten Sparpakets auf, hat also wohl weiterhin als Service public zu gelten. Schliesslich gibt die Fernsehstation, die sich ihre Quiz- oder Spielsendungen im Schnitt 61 000 Franken kosten lässt, als Beitrag zum nationalen Zusammenhalt vor, dass «mindestens die Hälfte aller gestellten Aufgaben einen Bezug zur Schweiz hat».
Die rasende Popularität eines Mäni Weber jedoch hat hierzulande kein anderer Fernsehmensch mehr erreicht. Das wird sich auch nicht mehr ändern, zumal Quizmaster seines Formats nicht vom Himmel fallen. Wer den mitunter haarsträubend uninspirierten Sportkommentatoren auf SRF zuhört, kann sich auch nicht vorstellen, dass sich dort ein Talent für die Unterhaltungsabteilung aufdrängen könnte wie damals. Es reicht gerade dazu, das Publikum bei Skirennen regelmässig zu einem Wettbewerb einzuladen mit der Frage, ob die Schweiz heute eine Medaille hole.
Vielleicht wird ja dereinst die Befriedung der Rätsellust ganz in diese simpelste Form des Tippens ausgelagert. Vorerst aber dürfen Quizsendungen weiterexistieren. Schliesslich überlebten sie auch die neunziger Jahre, als das Privatfernsehen mit «Tutti Frutti» und dergleichen der Unterhaltung den letzten Funken Seriosität auszutreiben schien. Man rüstete technisch auf. Doch schlichte Quizformate blieben im Grunde die besten, der Reiz wurde allerdings mit erhöhten Preisgeldern gesteigert. Beides vereinte das auf einer britischen Vorlage basierende «Wer wird Millionär?», auf RTL führt seit dem Start 1999 der formidable Günther Jauch durch die Sendung, und der Mix aus Hochspannung und dahinplätschernden Sequenzen erweist sich bis heute als Dauerbrenner.
Dieser Erfolg lässt auch erahnen, was die Faszination von Quizshows ausmacht: Hier finden im Idealfall Wissen, Glück und Geldsegen zusammen – drei Dinge, von denen viele ein Leben lang träumen. Das Publikum kann ein bisschen mitfiebern oder sich mit einer Prise Schadenfreude schadlos halten, ganz nebenbei eine Runde Hirnjogging einlegen und zwischendurch straflos dösen.
Der traurige Epilog
Mäni Weber gehörte nicht nur zu den Gewinnern. Sein Ruhm, so strahlend er auch war, verblasste ungebührlich früh. Als sich 1977 «Wer gwünnt?» totgelaufen hatte, war er 42 – und erhielt keine neue Fernsehsendung mehr. Die folgenden 17 Jahre war seine Stimme nur noch am Radio zu hören. Als er 2006 nach kurzer Krankheit in Luzern starb, wurde er in Nachrufen als einsamer, enttäuschter Mensch beschrieben.
«Das ganze Leben ist ein Quiz, und wir sind nur die Kandidaten», sang einst der wunderbare Hape Kerkeling, unter anderem Deutschlands lustigster Showmaster. Er hatte wohl, wie so oft, recht.