Der jüngste antisemitische Vorfall bringt Davos einen grossen Imageschaden. Die Affäre hätte sich ganz einfach vermeiden lassen.
Wie ignorant kann man sein? Da hängt eine Angestellte des Bergrestaurants Pischa in Davos einen Zettel an die Wand, auf dem auf Hebräisch steht, man vermiete keine Sportgeräte mehr an «unsere jüdischen Brüder» – und der Betreiber des Restaurants ist völlig überrascht über den Sturm der Empörung, der über ihn hereinbricht.
Noch schlimmer machte es die längliche Erklärung, die folgte. Zusammengefasst: Täglich gebe es Probleme mit den Juden. Die Juden klauten Schlitten oder machten sie kaputt. Die Juden nähmen anderen Gästen die besten Plätze auf der Terrasse weg – und bestellten dann nicht einmal etwas, sondern packten das eigene Picknick aus. Hochschwangere Jüdinnen wollten nicht einsehen, dass sie nicht auf die Piste sollten.
Das grösste Problem solcher Aussagen ist die Pauschalisierung. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Teile der strenggläubigen Touristen aus den USA, Belgien oder Israel eine schwierige Klientel sein können. Sie kommen vor allem im Sommer in grossen Gruppen nach Davos, Arosa oder ins Saastal, wo sie die nötige religiöse Infrastruktur und koschere Angebote finden – und den einheimischen Ladenbesitzern und Vermietern einiges Geld bringen.
Manche dieser Gäste nehmen kaum Rücksicht auf hiesige Gepflogenheiten, darüber regen sich auch Schweizer Juden auf. Der Zürcher Orthodoxe Simon Bollag verweist darauf, wie stolz man in seinem Milieu darüber sei, die Hunderte von Geboten und Verboten des jüdischen Glaubens einzuhalten. Und sagt: «Bei gewissen Glaubensbrüdern ist dann vielleicht der Sprung vom Stolz zur Überheblichkeit nicht so gross.»
Offen antisemitisch
Doch nie darf man vom mühsamen Verhalten Einzelner auf eine ganze Gruppe schliessen. Nie darf man einer ganzen ethnischen oder religiösen Gruppe Dienstleistungen vorenthalten, nur weil sich Angehörige dieser Gruppe danebenbenommen haben. Das ist Diskriminierung und – wenn es sich um Juden handelt – offen antisemitisch. Konsequenterweise hat deshalb die Bündner Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnet.
Angesichts der Vorgeschichte fragt man sich: Wie konnte so etwas passieren? Die Konflikte zwischen den Davoser Tourismusverantwortlichen und Vertretern des Judentums schwelen schon so lange, dass dies wohl alle in der Alpenstadt mitbekommen haben. Ebenso den Aufschrei, den eine Hotelbetreiberin in Arosa vor einigen Jahren provoziert hatte, als sie ihre jüdischen Gäste aufforderte, vor der Benutzung des Schwimmbades zu duschen. Sich naiv zu stellen, funktioniert da nicht. Es sollte mittlerweile auch in Davos allen klar sein, dass solche Sonderregeln antisemitisch sind und geharnischte Reaktionen auslösen.
Der Betreiber des Restaurants hat sich immerhin entschuldigt und angekündigt, wieder an Juden zu vermieten, es blieb ihm auch nichts anderes übrig. Doch das ändert wenig am Imageschaden für Davos, wenige Wochen nach dem WEF. Internationale Medien, etwa die deutsche «Tagesschau» oder die «Washington Post», berichten über den jüngsten Vorfall – und lassen die Bündner Tourismusorte wieder einmal als Hort von Judenhassern dastehen. Dies in einer Zeit, in der wegen des Gaza-Konflikts der Antisemitismus in Europa schlagartig zugenommen hat.
Für die Zukunft lernen
Mit ein bisschen gutem Willen hätte sich die Affäre vermeiden lassen. Niemand spricht Restaurantbetreibern das Recht ab, Kunden, die sich nicht an die Regeln halten, im Einzelfall die Tür zu weisen. Auf den Tischen kann man Schilder anbringen: «Picknicken verboten». Und wenn es tatsächlich gehäuft dazu kommt, dass Schlitten verschwinden oder kaputt zurückgebracht werden, kann der Verleiher von allen das Hinterlegen eines Ausweises oder ein Depot verlangen, das potenzielle Schäden deckt.
Problem gelöst, Reputationsrisiko vermieden. Dafür ist es nun im Fall Pischa zu spät. Aber man darf ja für die Zukunft lernen.