Beim Startup kommt es zu einer Massenentlassung, weil die Regierung unter Donald Trump wohl keine Fördergelder sprechen wird. Eine neue Studie meldet zudem Zweifel an den Aussichten der Technologie an.
Climeworks gilt als idealtypisches Schweizer Startup. Was könnte schweizerischer sein, als der Klimakrise mit Putzen zu begegnen? Das aus der ETH hervorgegangene Jungunternehmen entwickelt einen riesigen Staubsauger, der die Luft filtert und CO2 daraus entfernt. Dieses wird dann im Boden eingelagert.
Die Idee klingt bestechend – so bestechend, dass prominente Investoren wie Bill Gates, Swiss Re, der Amag-Erbe Martin Haefner und andere Schlange standen. Bis heute haben sie mehr als 800 Millionen Dollar gesprochen. Auch die Kundenliste ist imposant: Sie umfasst Microsoft, UBS oder H&M. Die Band Coldplay liess den Namen von Climeworks bei ihren Tourneen sogar über die Bildschirme flimmern.
Doch seit einiger Zeit werden die ambitionierten Pläne des hochgejubelten Jungunternehmens zunehmend von der Realität eingeholt. Neustes Beispiel: In den USA gibt es offenbar Probleme mit einer geplanten neuen Anlage, die im grossen Stil CO2 aus der Luft holen soll. Unter der neuen Regierung von Donald Tramp werden die Fördergelder wohl versiegen. Die Folgen für das Unternehmen und seine rund 500 Mitarbeiter sind einschneidend. Es bereitet eine Massenentlassung vor, wie es am Mittwoch in einem Bericht von SRF hiess.
Mindestens zehn Prozent
Noch ist unklar, wie viele Mitarbeiter den Job verlieren werden, wie der Climeworks-Mitgründer und Co-Chef Jan Wurzbacher gegenüber der NZZ sagt. Bei einem Unternehmen seiner Grösse spricht man dann von einer Massenentlassung, wenn mindestens zehn Prozent der Mitarbeitenden betroffen sind. Zu den Gründen für die Entlassungen äussert sich Wurzbacher nicht im Detail. Er nennt unter anderem die «sich wandelnden politischen Rahmenbedingungen» und die technische Komplexität des Vorhabens.
Auf dem Papier mag die Idee des Zürcher Startups einfach klingen. Doch bereits beim Bau der ersten Grossanlage von Climeworks in Island hat sich gezeigt: Es ist extrem schwer, sie Realität werden zu lassen. Die Anlage trägt den Namen «Orca» und hatte zum Ziel, der Luft jedes Jahr netto rund 3000 Tonnen Kohlendioxid zu entziehen. Das entspricht den jährlichen Emissionen von rund 450 Europäern.
Letztes Jahr räumte das Unternehmen in einem Blog-Beitrag ein, dass es seine eigenen Reduktionsziele nicht erfüllen konnte. Im Jahr 2023 schaffte die Anlage knapp 1000 Tonnen, also etwa ein Drittel der angekündigten Menge. 2022 hatte der Wert noch tiefer gelegen: bei nur 487 Tonnen.
Inzwischen ist Climeworks daran, in Island eine zweite, fast zehnmal so grosse Anlage in Betrieb zu nehmen. Doch beim Vorhaben, das sich «Mammoth» nennt, gibt es ebenfalls bereits negative Schlagzeilen. Laut isländischen Zeitungsberichten hat auch diese Anlage die Ziele weit verfehlt. 2024 hätten nur wenig mehr als 100 Tonnen CO2 aus der Atmosphäre gefiltert werden können.
Dieser Wert wird von Climeworks bestätigt, auch wenn er aus Sicht des Unternehmens von den Medien falsch interpretiert wird – etwa darum, weil die neue Anlage in Island noch längst nicht fertiggestellt ist. Was Wurzbacher aber zugeben muss: Der Wert «liegt aktuell noch unter unseren Erwartungen». Ein Grund für die Verzögerung ist ein mechanisches Problem, das derzeit behoben werde. Zudem hat sich offenbar die Lieferung des Filtermaterials verzögert.
Und wieder das Wetter
Bei den Investoren dürfte es allerdings für Stirnrunzeln sorgen, dass auch die neue Anlage bereits mit so grossen Problemen kämpft. Denn die Kinderkrankheiten hätten bereits mit der ersten Anlage ausgemerzt werden sollen. Diese waren insbesondere auf das harsche Wetter in Island zurückzuführen. Teile der Anlage vereisten und funktionierten nicht mehr.
Climeworks scheint die Wetterprobleme aber noch immer nicht vollständig in den Griff bekommen zu haben. Laut dem Co-CEO Wurzbacher wurden beim Design der neuen Anlage Änderungen vorgenommen, die erneut zu wetterbedingten Problemen führten. Dabei handle es sich um eher «triviale» Faktoren, deren Behebung aber Zeit in Anspruch nehme.
Doch diese Zeit läuft Climeworks zunehmend davon. Das zeigt ein kürzlich publizierter Kommentar von Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Es wirft einen kritischen Blick auf die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die Unternehmen erwarten, die CO2 direkt aus der Luft herausfiltern wollen.
Die MIT-Forscher argumentieren, dass die Technologie mit mehreren grundlegenden Herausforderungen zu kämpfen habe. Diese dürften dazu führen, dass sie – allen Weiterentwicklungen zum Trotz – auch langfristig teuer bleibe.
Das grösste Problem: Das CO2 in unserer Atmosphäre hat zwar starke Auswirkungen auf unser Klima. Die eigentliche Konzentration von CO2 in der Luft ist aber erstaunlich gering. Sie liegt bei etwa 0,04 Prozent. Um eine einzige Tonne CO₂ zu extrahieren, muss eine Anlage rund 1,8 Millionen Kubikmeter Luft verarbeiten. Das entspricht dem Volumen von 720 olympischen Schwimmbecken. Laut den MIT-Forschern führt das unweigerlich zu enormen Investitions- und Energiekosten.
Ein weiteres Problem ist die Standortwahl. Luft und damit CO2 gibt es zwar überall auf der Welt. Doch mögliche Anlagenstandorte müssen eine lange Liste von Bedingungen erfüllen.
Es braucht nicht nur Zugang zu günstiger und gleichzeitig CO₂-freier Energie. Sondern auch viel Wasser und geeignetes Gestein, um das abgeschiedene CO2 für immer sicher zu speichern. Da die Anlagen enorme Dimensionen annehmen können, braucht es viel freie Fläche. Und – wie Climeworks in Island erfahren musste – das Wetter sollte möglichst stabil sein, um die Kosten nicht aus dem Ruder laufen zu lassen.
Technologie bleibt nötig
Die MIT-Forscher sprechen sich trotz der Kritik nicht grundsätzlich gegen die Technologie aus: Es werde sie brauchen, um schwer vermeidbare Emissionen zu kompensieren. Diese fallen zum Beispiel in der Luftfahrt oder in der Landwirtschaft an.
Laut dem Papier besteht jedoch die Gefahr, dass falsche Hoffnungen geschürt werden. Statt sofort zu handeln und die Emissionen rasch zu senken, könnte man darauf hoffen, dass heute ausgestossenes CO2 künftig günstig mit den Riesenstaubsaugern von Climeworks oder Technologien von anderen Unternehmen entfernt werden kann.
Die Gefahr dabei: Bleiben diese Technologien aus, werden nicht nur kostspielige Massnahmen für die Anpassung an die Klimaveränderung nötig. Im schlimmsten Fall könnte dadurch die Glaubwürdigkeit der gesamten globalen Klimapolitik erschüttert werden, geben die MIT-Forscher zu bedenken.
Es wird nun an Climeworks liegen, zu beweisen, dass solche Sorgen unbegründet sind. Im April dieses Jahres stellte Climeworks per sofort eine neue Technologiechefin ein. Sie leitet die Einheit mit 150 Ingenieuren und Wissenschaftern, die die hochfliegenden Ideen der Firmengründer auf den steinigen Boden der isländischen Realität bringen sollen. Der Co-Chef Wurzbacher geht davon aus, dass die neue Anlage in Island spätestens Anfang 2027 voll laufen wird. Allzu viele Verzögerungen werden er und sein Jungunternehmen sich nicht mehr leisten können.