Während sich die städtische Bevölkerung an den Saatkrähen stört, sind für die Landwirtschaft insbesondere Rabenkrähen ein Problem. Was tun?
Methoden zur Vergrämung von Krähen werden in der Schweiz innovativer. Die Stadt Yverdon-les-Bains versuchte es mit Drohnen, die Geräusche von Greifvögeln – natürliche Feinde der Krähen – imitieren. Auch Falken wurden zur Vertreibung freigelassen. Trotz den Bemühungen ist die Population jedoch über die letzten Jahre weiter gewachsen – zum Leidwesen der Bevölkerung, die sich vor allem am Krächzen während der Brutzeit im Mai und Juni stört.
Krähen sind anpassungsfähige Allesfresser, die hauptsächlich in Landwirtschaftsgebieten wohnen. Bei Bauern sind sie unbeliebt, weil sie das Saatgut wegfressen. Sie haben jedoch begonnen, sich in Städten einzunisten. Neben dem Lärm, den sie verursachen, können Krähen Abfallsäcke beschädigen und mit ihrem Kot die Städte verschmutzen.
Die Saatkrähe ist eine der drei Krähenarten, die in der Schweiz vorkommen. Sie ist im Mittelland verbreitet und brütet in städtischen Regionen in Kolonien, also in Gruppen. 1963 wurde das erste Brutpaar in der Schweiz entdeckt, seit 1993 hat sich die Anzahl von Saatkrähen verzehnfacht. Die Schweizerische Vogelwarte schätzt den Bestand auf 5800 bis 7300 Paare.
Krähen durchschauen Massnahmen schnell
Dass es im Zusammenleben zwischen Mensch und Krähe immer wieder zu Konflikten komme, lasse sich nicht leugnen, sagt Livio Rey von der Vogelwarte. Doch nicht alle stören sich an den Tieren. Rey sagt: «Saatkrähen haben durchaus auch Fans.» Oft seien aber jene Personen lauter, die Massnahmen gegen Krähen forderten. Denn der Lärm der Krähen werde subjektiv wahrgenommen, wie Studien zeigten. Verkehrslärm etwa sei mit 80 bis 90 Dezibel lauter, grosse Kolonien kämen auf 60 bis maximal 75 Dezibel.
Krähen sind kreative und intelligente Tiere. Sie lernen schnell und können kausal denken, also planen und Muster erkennen. Das erschwert es, gegen sie vorzugehen.
Weil sie sich rasch an visuelle Massnahmen gewöhnten, seien Ballone oder Glitzerstreifen wenig wirksam, sagt Rey. Uhu-Attrappen, die einen natürlichen Feind der Krähen imitierten, zeigten einen gewissen Effekt, doch nur kurzzeitig. Auch die Krähenklatsche, eine akustische Methode, funktioniere. Doch Anwohner würden sich oft am Lärm stören.
Alternativ kann man Bäume schneiden, um den Nestbau zu reduzieren. Doch Bäume können nicht beliebig beschnitten werden. Und selbst wenn sich die Krähen dann nicht ansiedeln, ziehen sie einfach weiter oder gründen neue Kolonien. Rey empfiehlt daher eine Kombination von verschiedenen Massnahmen.
Schwärme fressen Bauern das Saatgut weg
Nicht nur in den Städten werden Krähen von Teilen der Bevölkerung als lästig empfunden. Auch Bauern stören sich an ihnen. Denn insbesondere Nebel- und Rabenkrähen mögen das Saatgut der Landwirtschaft. Vor allem Nichtbrüterschwärme sind für Bauern ein Problem. Sie finden ausserhalb der Brutzeit zusammen, um gemeinsam nach Nahrung zu suchen.
Rabenkrähen sind in der ganzen Schweiz verbreitet, Nebelkrähen vor allem im Tessin, in Graubünden und im Wallis. Grösstenteils sind Felder mit frischen Mais-Ansaaten von Schäden betroffen, aber auch Gemüse-, Getreide- und Rebkulturen. Im Jahr 2006 hat die Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen Rabenkrähenschäden in Mais-Kulturen im Kanton Bern untersucht. Die Schäden wurden auf 0,6 bis 1 Prozent des kantonalen Mais-Gesamtwerts geschätzt und als gesamtwirtschaftlich gering eingestuft. Allerdings können gewisse Betriebe gemäss der Studie stärker von Schäden betroffen sein als andere.
Thomas Jäggi vom Schweizer Bauernverband (SBV) kritisiert, dass die zwanzig Jahre alte HAFL-Studie stets als Referenz herangezogen werde. Aktuelle Zahlen, oder solche für andere Kantone oder Saaten, gibt es keine. Dies erschwere die sachliche Diskussion über die Bewertung des Ertragsausfalls und den Erfolg getroffener Massnahmen, sagt Jäggi. Der SBV berichtet von Fällen, in denen Mais bis zu drei Mal frisch gesät werden musste.
Ist Krähe gleich Krähe?
«Landwirte sollten froh sein, wenn sie eine brütende Rabenkrähe haben», sagt Livio Rey von der Schweizerischen Vogelwarte. Denn im Gegensatz zu den Krähenschwärmen seien brütende Rabenkrähen territorial, vertrieben also andere Krähen aus ihrem Revier. Sie fressen Tierkadaver auf den Feldern, die sich in Geräten verfangen oder Tierfutter verschmutzen könnten. Ausserdem seien Rabenkrähen hilfreich, weil ihre Nester die einzigen natürlichen Brutplätze für Waldohreulen und Turmfalken seien. Diese fressen wiederum die Mäuse von den Feldern, wovon die Bauern profitieren.
Thomas Jäggi sieht das anders. Zwar hielten Brutpaare Schwärme fern, doch deren Nachwuchs werde später zum Problem. Ausserdem richteten sie auch an Siloballen Schäden an. «Krähe ist einfach Krähe», sagt Jäggi. Ob Saat-, Raben- oder Nebelkrähe, alle richteten Schäden an. Ein Erfolgsrezept zur Bekämpfung gebe es nicht.
Laut Schweizerischer Vogelwarte sind vor allem anbautechnische Massnahmen wirksam. Sobald eine Pflanze eine Höhe von 10 bis 15 Zentimeter erreicht hat, haben Krähen kein Interesse mehr daran. Denn Krähen sind keine Pflanzenfresser. Deswegen sollten Bauern möglichst wenig Körner an der Oberfläche streuen. Mais werde ohnehin drei bis vier Zentimeter unter der Oberfläche gesät, sagt Jäggi vom Bauernverband. Wenn man zu tief säe, dann komme der Keimling nicht an die Oberfläche. Zudem beeinflusse die Witterung, wie schnell die Samen spriessten.
Zur Vertreibung der Krähen werden auch Präparate eingesetzt. Das giftige Abwehrmittel Mesurol ist in der Schweiz jedoch seit 2019 verboten. Laut dem SBV und dem Landwirtschaftsmagazin «Agrarheute» hoffen Bauern auf das neue natürliche Mittel des Agrarunternehmens Corteva Agriscience. Es schreckt Vögel durch einen starken Geruch ab, ohne ihnen Schaden zuzufügen. Es soll voraussichtlich 2025 oder 2026 auf den Markt kommen. Ob es in der Schweiz eine Chance habe, sei unsicher, sagt der SBV.
Abschiessen ist nicht unbedingt wirksam – und immer unbeliebter
Die Rabenkrähe ist der am häufigsten gejagte Rabenvogel in der Schweiz und wird regelmässig zur Vergrämung abgeschossen. Gemäss eidgenössischem Jagdgesetz ist das Abschiessen von Saat-, Raben- und Nebelkrähen legal. Die Kantone bestimmen, ob und wie Jäger Selbsthilfemassnahmen ergreifen dürfen. Einzig die Saatkrähe geniesst eine Schonzeit von Februar bis Juli. Nichtbrüterschwärme auf landwirtschaftlichen Kulturen dürfen das ganze Jahr über gejagt werden. Seit 30 Jahren werden allerdings immer weniger Rabenvögel gejagt: 1991 wurden 37 500 Tiere abgeschossen, 2022 waren es noch 9500.
Ohnehin sei die Jagd kein geeignetes Mittel, um den Bestand der Rabenkrähe zu reduzieren, sagt Livio Rey von der Vogelwarte. Denn über kurz oder lang wächst der Bestand wieder zur alten Grösse heran. Es sei ein Teufelskreis, bestätigt auch Thomas Jäggi vom Bauernverband.
Rey und Jäggi sagen beide, dass Abschüsse zur Vergrämung allerdings wirksam sein könnten. Dabei werden gezielt einzelne Vögel abgeschossen, um andere zu vertreiben. «Auf Feldern, auf denen eine Krähe geschossen wurde, ist in der Regel für den restlichen Sommer kaum noch eine Krähe zu sehen», sagt Jäggi. «Sie wissen, wo es gefährlich ist.»