Präsident Trump hat der Islamischen Republik ein Ultimatum gesetzt: Sie muss auf ihr Atomprogramm verzichten oder mit einem Bombardement rechnen. Nun wollen die beiden Seiten auf neutralem Boden eine friedliche Lösung ausloten.
Die USA und Iran haben für diesen Samstag Gespräche zur Beilegung des jahrelangen Streits um das iranische Atomprogramm angekündigt. Aus Teheran soll Aussenminister Abbas Araghchi anreisen, aus Washington der Nahost-Sondergesandte Steve Witkoff. Die Ergebnisse werden Aufschluss über die Chancen geben, eine kriegerische Eskalation am Persischen Golf abzuwenden.
Präsident Donald Trump hat dem iranischen Revolutionsführer Ayatollah Mohammed Khamenei in einem Brief eine zweimonatige Frist für eine diplomatische Lösung gesetzt. Andernfalls, so verkündete Trump, würden die USA militärisch gegen die iranischen Atomanlagen vorgehen. Bereits vor zwei Wochen sprach er von einem Bombardement, wie es Iran «noch nie erlebt» habe. Er bekräftigte diese Drohung am Mittwoch mit der Aussage, dass die USA gemeinsam mit Israel zuschlagen würden.
Jahrelanger Unterbruch
Ort der Krisengespräche ist das Sultanat Oman, das gute Beziehungen zu beiden Seiten unterhält und schon 2013 Gastgeber für Geheimverhandlungen zwischen Teheran und Washington gespielt hatte. Auch wenn am Samstag kein Durchbruch zu erwarten ist, liegt die Bedeutung nur schon darin, dass die beiden Erzfeinde erstmals seit vier Jahren wieder über den Atomstreit verhandeln wollen.
Wie zerstritten sie sind, zeigt sich bereits bei ihrer Uneinigkeit über die Art des Dialogs: Trump hat direkte Gespräche angekündigt, während Iran darauf pocht, nur indirekt mit den Amerikanern zu sprechen. Das hiesse, nicht an einem gemeinsamen Verhandlungstisch zu sitzen, sondern in unterschiedlichen Räumen. Vermittler würden dann zwischen Witkoff und Araghchi hin- und herpendeln und die jeweiligen Standpunkte ausrichten.
In der iranischen Haltung spiegelt sich das tiefe Misstrauen gegenüber den USA, die nach der Atomvereinbarung von 2015 wortbrüchig geworden waren und Iran nun faktisch zur Kapitulation zwingen wollen. Araghchi forderte in einem Beitrag für die «Washington Post» ein echtes Bekenntnis zur Diplomatie. Zeige Amerika Respekt, so werde dies auch Iran tun. Das Weisse Haus droht hinter vorgehaltener Hand jedoch mit einem Eklat, falls es keine direkten Gespräche gebe. Der Sondergesandte Witkoff werde dann gar nicht erst anreisen. Das Zustandekommen des Treffens wird somit ein erster Indikator für die beiderseitige Kompromissbereitschaft sein.
Diplomatisch kaum lösbar
Das Kernproblem im Atomstreit dreht sich darum, dass Iran unter dem Deckmantel eines zivilen Atomenergieprogramms entscheidende Voraussetzungen zum Bau von Atomwaffen geschaffen hat. Es beherrscht die Technologie zur Anreicherung von Uran und verfügt über genügend Vorräte an hoch angereichertem Uran, um damit innert einer Woche das Spaltmaterial für eine erste Bombe zu gewinnen.
Offiziell bestreitet Iran jede Absicht, Atombomben zu erlangen, und bezeichnet sie sogar als unislamisch. Aber Teheraner Hardliner drohen seit vergangenem Jahr ziemlich unverhüllt mit dieser Option. Faktisch ist das Land zur nuklearen Schwellenmacht aufgestiegen. Das ist für Israel und seine Freunde schwer zu akzeptieren, zumal Iran im Oktober und April 2024 erstmals Angriffe auf Israel mit atomar bestückbaren ballistischen Raketen verübt hat.
Eine diplomatische Lösung kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten erfolgen: Zum einen ist eine Neuauflage des Atomabkommens von 2015 denkbar. Dieses verpflichtete Iran zu einer Beschränkung seines Atomprogramms, vor allem im Bereich der Urananreicherung. Im Tausch dafür wurden die meisten Wirtschaftssanktionen gegen das Land eingefroren. Ein neues Abkommen ist heute aber noch schwieriger auszuhandeln als damals, weil Iran in der Zwischenzeit grosse Fortschritte in der Uranzentrifugen-Technologie gemacht hat und Uran höher anreichert als damals.
Um die internationalen Bedenken auszuräumen, müsste Iran sein auf 60 Prozent angereichertes Uran vollständig aufgeben. Denn dieses Spaltmaterial lässt sich sehr schnell in waffenfähiges Uran umwandeln. Nötig wären auch schärfere Inspektionen, da Iran die von der Internationalen Atomenergieagentur geforderte Transparenz oft verweigert. Ein neues Atomabkommen müsste laut manchen Experten zudem Beschränkungen für Irans Raketenprogramm umfassen, da diese Waffen als Trägersysteme für Atomsprengköpfe dienen können.
Iran wird nicht so schnell kapitulieren
Israel schwebt ein radikalerer Ansatz vor, die Vernichtung aller Teile des iranischen Atomprogramms, die für militärische Zwecke missbraucht werden können. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu brachte diese Woche das «libysche Modell» auf. Gemeint ist damit der Totalabbau, den Libyen 2004 unter amerikanischem Druck vollzog. Das damalige Ghadhafi-Regime lieferte tonnenweise Teile von Uranzentrifugen und Raketen sowie umfangreiche Dokumentationen an die USA aus.
Iran ist dafür nicht bereit, höchstwahrscheinlich nicht einmal unter dem Druck eines unmittelbar bevorstehenden amerikanisch-israelischen Luftangriffs. Es ist zwar wirtschaftlich angeschlagen und wurde im Zuge der jüngsten nahöstlichen Umwälzungen als Regionalmacht geschwächt. Aber das Kleriker-Regime kann hoffen, dass Trump nur blufft und vor einem Krieg zurückschreckt, zumal er stets seine «Friedenspolitik» lobt und sich eigentlich auf das Problem China konzentrieren will.
Trotz unvereinbaren Positionen haben derzeit beide Seiten ein Interesse an Gesprächen. Trump braucht sie, um die Kompromissbereitschaft des Gegners auszuloten. Den Iranern bieten Gespräche eine Chance zum Zeitgewinn. Dazu passen unbestätigte Berichte, wonach Teheran am Samstag eine Zwischenlösung anbieten wird und Verhandlungen über eine umfassende Lösung auf später verschieben will.
Die Iraner haben nicht nur Trumps Ultimatum im Nacken, sondern auch ein europäisches: Grossbritannien, Frankreich und Deutschland drohen, im Sommer weitreichende Uno-Sanktionen gegen Iran zu reaktivieren. Diese sind nur suspendiert. Sie können aber dank einem speziellen Passus von diesen europäischen Vertragspartnern im Alleingang erneuert werden. Scheitert der jetzige diplomatische Anlauf, haben nicht nur die USA und die Europäer die Möglichkeit zur Eskalation, sondern auch die Iraner. Über der ganzen Situation hängt das Damoklesschwert, dass sie in einem «Breakout»-Szenario die internationalen Inspektoren täuschen und im Geheimen eine erste Atombombe bauen, bevor sie von den USA daran gehindert werden können.