Islamistische Terroristen in Mali und anderen Sahel-Staaten breiten sich weiter aus. Westliche Regierungen fürchten, dass sich der Terror der Küste nähert.
Eine mit al-Kaida assoziierte islamistische Terrorgruppe hat bei einem spektakulären Angriff am Dienstag in Malis Hauptstadt Bamako mehr als 70 Personen getötet; mehr als 200 wurden verletzt. Die Terroristen griffen am frühen Morgen ein Ausbildungszentrum der Militärpolizei und den internationalen Flughafen von Bamako an. Das Ausmass der Attacken ist erst in den Tagen danach bekanntgeworden. Malis Militärregierung sprach zuerst vage von «gewissen Todesopfern». Am Donnerstag bezifferten verschiedene Medien, unter anderem die Nachrichtenagentur AFP, die Zahl der Opfer dann auf 70 oder höher. Sie beriefen sich auf Quellen in Malis Sicherheitsapparat, Diplomaten und Ärzte.
Der doppelte Angriff auf die Hauptstadt ist eine Machtdemonstration des Al-Kaida-Ablegers JNIM (Jamaat Nusrat al-Islam wal-Muslimin). Attacken auf eine Hauptstadt sind in Mali und den anderen krisenzerrütteten Sahel-Staaten höchst ungewöhnlich. Der letzte Terroranschlag in Bamako hatte 2016 stattgefunden.
Im Sahel – einem riesigen Landgürtel unterhalb der Sahara – haben jihadistische Aufständische im vergangenen Jahrzehnt grosse Gebiete der Kontrolle der Zentralregierungen entrissen. Die Kämpfe finden aber meist in abgelegenen Gegenden statt. Die Hauptstädte sind in der Regel Inseln, in die viele Vertriebene aus ländlichen Regionen fliehen. Die meisten Hauptstadtbewohner haben die Gewalt nie aus der Nähe erlebt.
Angreifer setzen Präsidentenflugzeug in Brand
Die Angriffe am Dienstag zeigen, dass JNIM und andere Terrorgruppen stark genug sind, um auch jenseits ihrer ländlichen Machtzentren grosse Angriffe durchzuführen. Videos, die auf Social Media kursierten, zeigten verkohlte Körper und verbrannte Betten, angeblich aus dem Ausbildungszentrum, wo die Kadetten bei Beginn der Attacken noch schliefen. Ein anderes Video zeigte einen Terroristen, der auf dem Rollfeld des Flughafens das Präsidentenflugzeug in Brand setzte.
Für Malis Militärjunta um den Präsidenten Assimi Goïta ist der Angriff demütigend. Die Regierung putschte sich 2021 an die Macht mit dem Versprechen, die desolate Sicherheitslage zu verbessern. Eine zivile Regierung hatte nach 2012 trotz der Hilfe westlicher Militärmissionen immer mehr Boden an die Jihadisten verloren.
Nach der Machtergreifung brach die malische Junta mit der früheren Kolonialmacht Frankreich und anderen westlichen Verbündeten und holte Soldaten der russischen Militärfirma Wagner ins Land. Die Wagner-Kämpfer beschützen die Regierung und kämpfen an der Seite von Malis Armee. Mali wurde so zum engsten Verbündeten Russlands im Sahel.
Doch der Einsatz russischer Truppen (inzwischen als Afrika-Korps bezeichnet) hat die Sicherheitslage in Mali nicht verbessert. Malis Armee hat vereinzelt Gebiete zurückerobert, gleichzeitig ist die Zahl der zivilen Opfer stark gestiegen. In diesem Jahr sind bisher laut der Konfliktdatenbank Acled mehr als 1600 Zivilisten getötet worden.
Malis Armee und ihre russischen Verbündeten haben auch schwere Verluste erlitten. Ende Juli töteten Tuareg-Rebellen im Norden Malis mehr als 80 Wagner-Kämpfer. Es war der bisher grösste militärische Rückschlag für die Truppe, die ab 2017 als Speerspitze Russlands in Afrika diente.
Angst, dass sich der Terror an die Küste ausbreitet
Westliche Regierungen beobachten die Probleme der Sahel-Regierungen und ihrer russischen Verbündeten nicht mit Genugtuung, sondern mit grosser Sorge. Sie fürchten, dass Länder wie Mali, Burkina Faso und Niger komplett zerfallen könnten und ein langer anarchischer Ländergürtel in Europas südlicher Nachbarschaft entsteht.
Westliche Regierungen befürchten auch, dass sich die Terroristen weiter in Richtung westafrikanische Küste ausbreiten könnten. Die Küstenstaaten sind dichter besiedelt und wohlhabender als die Sahel-Länder. In nördlichen Grenzregionen von Küstenländern wie Benin und Côte d’Ivoire haben Angriffe tatsächlich zugenommen. Europäische Partner und die USA fokussieren ihre Militärhilfe deshalb nun auf die Küste. Die Armee von Benin zum Beispiel soll demnächst neue, von Frankreich und der Europäischen Union gesponserte Militärfahrzeuge erhalten.