Frankreichs Präsident lädt Akademiker aus den USA ein, die unter der Regierung Trump unter Druck geraten sind. Doch nicht alle Disziplinen sind erwünscht.
Frankreich öffnet seine Forschungseinrichtungen für amerikanische Wissenschafter – aber nicht für alle. «Wir konzentrieren unsere Bemühungen auf Forscherinnen und Forscher von hoher Qualität, auf junge Talente oder internationale Spitzenkräfte, die echten Mehrwert bringen», heisst es auf der Website des französischen Zentrums für wissenschaftliche Forschung (CNRS).
Die Einrichtung ist Teil der neuen Initiative «Choose Europe for Science», die Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montag in Paris vorgestellt hat, gemeinsam mit EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen. Das Programm richtet sich in erster Linie an Forscher, die in den USA unter politischen Druck geraten sind. Frankreich nutzt die Initiative gezielt für sich – auch, weil es selber knapp bei Kasse ist und froh ist über Unterstützung aus Brüssel.
Seit Donald Trumps Rückkehr ins Weisse Haus sehen sich amerikanische Hochschulen mit finanziellen Kürzungen, Entlassungen und sprachlichen Säuberungen konfrontiert. Fördermittel werden gestrichen, Begriffe wie «Gender», «Klimawandel» oder «Covid» gelten als Ausrücke einer verfehlten woken Ideologie. Bestimmte Themen verschwinden aus den Ausschreibungen, andere werden faktisch blockiert.
Lieber Klimaforschung als Gender-Studies
Macron warnte in Paris vor einem Diktat der Politik gegenüber Forschung und Lehre und kritisierte die Entwicklung in den USA mit ungewöhnlich scharfen Worten. «Niemand hätte gedacht, dass diese grosse Demokratie, deren Wirtschaftsmodell so stark auf der freien Wissenschaft beruht, einen solchen Fehler machen würde», sagte er.
Mit ihrer Initiative wollen von der Leyen und Macron Europa als Zufluchtsort für die vergraulten Forscher positionieren. In der Auswahl der geförderten Disziplinen zeigt sich jedoch eine klare thematische Ausrichtung. Unterstützt werden Projekte in Bereichen wie künstliche Intelligenz, Raumfahrt, Gesundheit, Klima und Landwirtschaft. Themen wie «Postcolonial Studies», «Gender-Studies» oder «strukturelle Rassismusforschung» fehlen. Dabei handelt es sich genau um diese Felder, die in den USA besonders stark unter Druck geraten sind.
«Das ist nicht überraschend. Angriffe auf die Medizin- oder Klimaforschung lösen in Frankreich wie anderswo viel mehr Empörung aus als Angriffe auf die Sozialwissenschaften, von der Soziologie bis zur Geschichte», sagt die französische Soziologin Laure Bereni. Am Ende gehe es Macron nicht wirklich um eine Antwort auf Ausgrenzung, sondern um die gezielte Anwerbung internationaler Forscher.
An mehreren französischen Hochschulen laufen bereits Auswahlverfahren. Eine zentrale Rolle spielt die Universität in Aix-Marseille, die Anfang März das Pilotprogramm «Safe Place for Science» gestartet hat. Dafür stehen bis zu 15 Millionen Euro über drei Jahre zur Verfügung. Bei rund 600 000 bis 800 000 Euro pro Person für Gehalt und Forschungsbudget können so mindestens 15 Stellen finanziert werden. Innerhalb weniger Tage gingen schon mehr als 100 Bewerbungen aus den USA ein.
Während sich Paris als Verteidiger akademischer Freiheit inszeniert, herrscht im eigenen Wissenschaftsbetrieb allerdings grosser Mangel. Im Jahr 2024 wurden im Hochschul- und Forschungsbereich 638 Millionen Euro eingespart. Weitere Kürzungen sind angekündigt. Mehrere Universitäten berichten von eingefrorenen Projekten, befristeten Verträgen und fehlenden Investitionen.
Die Organisation Stand Up for Science France spricht gar von einem System am Rand der Funktionsfähigkeit. Auch an den beteiligten Universitäten gibt es Vorbehalte: Die Programme könnten zulasten der bestehenden Strukturen gehen, heisst es. Für viele Forscher in Frankreich bleibt die Initiative deswegen ein Signal nach aussen, das an der eigenen Lage wenig ändert.
Hilfe aus Brüssel
Die EU-Kommission will für ihre Initiative europaweit 500 Millionen Euro bis 2027 bereitstellen, verwaltet durch den Europäischen Forschungsrat. Ziel sei es, hochqualifizierte Wissenschafter aus Drittstaaten an europäische Institutionen zu binden und die wissenschaftliche Freiheit künftig rechtlich stärker abzusichern, sagte von der Leyen am Montag. Die Kommissionschefin sprach von einem «Lebenselixier der Wissenschaft», das nicht durch politische Opportunität gefährdet werden dürfe.
Frankreich ergänzt die Mittel aus Brüssel seinerseits mit 100 Millionen Euro aus dem Innovationsprogramm «France 2030». Für Macron ist das Teil eines grösseren Ziels: Europa soll auch in der Forschung strategisch autonomer werden. Am Ende der Konferenz griff der Präsident in gewohntem Pathos zur republikanischen Formel und erklärte: «Vive la science libre et ouverte. Vive l’Europe. Vive la République. Vive la France.»