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Ein Schwarz-Weiss-Foto seiner Hoffotografin gibt zu reden. Wieso zeigt Emmanuel Macron ausgerechnet jetzt seinen beeindruckenden Bizeps?
Emmanuel Macron tut etwas – und Frankreich und Europa dürfen mal wieder spekulieren. Vor vier Jahren war es ein Satz, in dem er die Nato als hirntot bezeichnete. Vor drei Wochen erklärte er bei einer Pressekonferenz, dass er nicht ausschliesse, dereinst auch Truppen in die Ukraine zu entsenden.
Dieser Schlag in die Bauchgegend der europäischen Verbündeten sass. Nach kurzem Taumeln richteten sich der Deutsche Scholz, der Brite Sunak und die EU-Kommissions-Präsidentin von der Leyen auf und dementierten. Doch noch immer erregt die Aussage die Gemüter, insbesondere in Frankreich. War das wirklich nötig, Monsieur le Président? Schliesslich hört ja auch Putin mit.
Nun ist es ein Bild, schwarz-weiss. Geschossen hat es die Hoffotografin Soazig Le Prévost de La Moissonnière, dem Namen nach im Gegensatz zum «Monarchen» im Élysée eine richtige Adlige. Seit Beginn von Macrons Präsidentschaft 2017 begleitet sie das Leben und Leiden des französischen Staatsoberhaupts. Auf Instagram publiziert sie die ästhetischen Fotos, die für die Ewigkeit gedacht sind.
Was für ein Umfang!
Am Dienstag veröffentlichte La Moissonnière ein Bild von Emmanuel Macron als Boxer, die Zähne gefletscht, die Stirn in Falten, der Bizeps angespannt. Und siehe da: Was für ein Umfang! Hat man schon jemals einen so fitten Präsidenten gesehen in der westlichen Hemisphäre? Olaf Scholz, der deutsche Zauderer, kann es wohl kaum mit ihm aufnehmen, Rishi Sunak, der englische Premierminister, vielleicht knapp. Biden kämpft mit altersbedingter Ungelenkigkeit. Von der Leyen – eine Frau. Wer bleibt da sonst noch mit Rang und Namen?
Das Foto provoziert insbesondere auch bei den linken französischen Feministinnen. Wieso nur muss sich der Präsident im 21. Jahrhundert als viriler Posterboy inszenieren? Das machen doch sonst nur noch Autokraten mit rückständigem Männerbild. Wladimir Putin hat sich mit nacktem Oberkörper aufs Pferd gesetzt und sich zudem als Judoka mit schwarzem Gürtel präsentiert. Manche Französinnen wittern Rückschritte in der Gleichberechtigung, andere einen Tiefpunkt in Macrons Präsidentschaft. Wieder spiele er nur, sagt eine Kommentatorin, nehme die Präsidentschaft und seine Herausforderungen gar nicht wirklich ernst.
Auf dem Sender France Info dagegen wurde das Bild für seine Ästhetik gelobt. Und Macrons Muskeln, hiess es, seien wirklich sehr eindrücklich. Doch dann kam man zum ernsteren Teil der Fotoexegese. Wieso kommt dieses Bild ausgerechnet jetzt?
Schon früher konnte man feststellen, dass der 46-Jährige sich und seinen Körper mag. In die Öffentlichkeit geschafft hat es bereits ein Bild, das Macron mit halboffenem Hemd auf einem Sofa zeigt. Seine Anzüge sind sowieso sehr körperbetont. Auch Inszenierungen ist der Präsident nicht abgeneigt – nach seinem ersten Wahlsieg marschierte er zur Europahymne «Freude, schöner Götterfunken» minutenlang vom Halbdunklen ins Licht.
Die Verwandlung von der Taube zum Falken
Eitelkeit könnte natürlich ein Motiv dafür sein, ein solches Foto zur Publikation freizugeben. Es ist aber so gut wie sicher, dass Macron damit auch eine Botschaft transportieren will. Der französische Nachrichtensender CNews sieht darin Macrons Verwandlung von einer Taube zum Falken. Es brauchte allerdings zwei Jahre Krieg in der Ukraine, bis die Notlage diese Transformation des französischen Präsidenten bewirkte – wenn sie denn auch tatsächlich stattgefunden hat.
Zuvor hatte er gezögert und davor gewarnt, Putin zu provozieren. Munition hat Frankreich nur in beschränktem Umfang zu bieten, und seine Panzer fanden keinen politischen Weg ins Kriegsgebiet. Auch bei der Finanzhilfe liegt Frankreich weit hinter Deutschland, Polen und noch viel kleineren europäischen Ländern zurück. Das alles ist eigentlich ziemlich beschämend für Frankreich.
Nun aber meldet Macron seinen Anspruch auf die Position des europäischen Anführers an. Er warnt vor Putin, mahnt, nicht nachzugeben und dem Bösen die Stirn zu bieten. Er will auch nicht, dass die Europäer rote Linien definieren – wie bei den Bodentruppen. Mit dem Bild will Macron offensichtlich zeigen: Ich bin bereit! Man nimmt es ihm nicht ab.