Eine arktische Insel wird zum Spielball der Weltpolitik.
Am Dienstagnachmittag rollt ein gigantischer Privatjet mit der Aufschrift «Trump» über die Piste des Flughafens Nuuk in Grönland. An Bord: Donald Trump junior, der Sohn des früheren und künftigen Präsidenten der USA. Am Flughafen wird er von Journalisten und ein paar Einheimischen mit roten «Make America Great Again»- Dächlikappen in Empfang genommen. Trump hat Fans sogar in der Arktis.
In den wenigen Stunden, die Trump junior auf Grönland verbringt, posiert er vor Statuen und isst in einem Hotel zu Mittag. «Grönland ist schön!!!», schreibt er schon wenige Minuten nach der Ankunft auf X. Vater und Sohn betonen, dass es sich um einen privaten Besuch handle. Ein Besuch auf der Parzelle, die der Präsident erwerben möchte – auch bekannt als die grösste Insel der Welt.
Die Ereignisse der letzten Wochen wecken unweigerlich Erinnerungen an die alte US-Komödie «Und täglich grüsst das Murmeltier». In der Hauptrolle der Neuauflage: Donald Trump. Der Präsident scheint in einer Zeitschleife zu stecken. Er möchte Grönland kaufen. Schon wieder. Das hat er vor Weihnachten angekündigt.
Schon während seiner ersten Amtszeit träumte Trump von Grönland. Damals tat man das in Dänemark, zu dessen Königreich Grönland als weitgehend selbstverwaltetes Territorium gehört, als schlechten Scherz ab. Die Vorstellung, dass rund 50 000 dänische Bürger an die USA verkauft werden sollten, sei vollkommener Wahnsinn, sagte ein Politiker.
Als Trump abgewählt wurde, schien die Sache vom Tisch. Doch in zwei Wochen kehrt der Immobilienmogul zurück ins Weisse Haus, und es scheint: Er meint es tatsächlich ernst.
Trump will Mineralien und ein Bollwerk
So absurd sich die Pläne auch anhören mögen, Trump hat gute Gründe für sein Interesse: Die Klimaerwärmung lässt das Eis in der Arktis schmelzen und legt bisher unerschlossene Erdöl-, Gas- und Mineralvorkommen frei. Und Grönland, das wie ein Bollwerk zwischen Nordamerika, Russland und Europa liegt, ist für die USA auch geostrategisch von Bedeutung. Für die nationale Sicherheit und Freiheit der Welt sei der Besitz und die Kontrolle Grönlands eine absolute Notwendigkeit, schrieb Trump vor Weihnachten auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social.
Die US-Airforce unterhält auf der Insel bereits heute die Thule-Luftwaffenbasis mit einem Frühwarnsystem für ballistische Raketen. Ein Verteidigungsabkommen gibt den Amerikanern dort fast unbegrenzte Freiheiten. Doch auch Washingtons Erzrivale Peking bekundete in den letzten Jahren immer stärkeres Interesse an der Insel. Würde Grönland den USA gehören, könnte Trump den chinesischen Bemühungen ein für alle Mal den Riegel schieben.
Aus dem Deal dürfte jedoch nichts werden, denn es gibt ein Grundsatzproblem: Grönland steht nicht zum Verkauf. Darin sind sich die Grönländer und die Dänen einig. Doch da hört der Konsens auch schon auf. Grönlands Ministerpräsident Mute Bourup Egede hielt an Neujahr eine Rede, die in Kopenhagen wohl für mehr Wirbel gesorgt haben dürfte als das Kaufangebot aus Washington.
Grönland will Unabhängigkeit
«Es ist Zeit, den nächsten Schritt für unser Land zu tun», sagte Egede in seiner Neujahrsansprache. Grönland geniesst seit 1979 Autonomierechte und verwaltet sich in vielen Bereichen selbst. Egede will die «kolonialen Fesseln» nun endgültig ablegen. Das grönländische Parlament und die Regierung seien seit einiger Zeit dabei, eine neue Verfassung für Grönland auszuarbeiten. Das Ziel: die Abspaltung von Dänemark.
Der Zeitpunkt der Ankündigung ist nicht zufällig. Die Kooperation zwischen Kopenhagen und Nuuk harzt schon länger. Für Unzufriedenheit unter den Grönländerinnen und Grönländern sorgt etwa die Aufklärung der sogenannten «Spiralkampagne». In den 1960er Jahren liess die einstige Kolonialmacht Tausenden Frauen und Mädchen Spiralen ohne Einwilligung einsetzen, um die indigene Bevölkerung zu dezimieren. Eine Untersuchung läuft noch, aber betroffene Frauen haben den dänischen Staat auf Entschädigung verklagt.
Im April stehen auf der Insel Wahlen an. Die Aussicht auf Unabhängigkeit eignet sich gut als Wahlkampfthema. In der Realpolitik handelt es sich jedoch um ein langwieriges Vorhaben. Für die Abspaltung braucht es nicht nur die Zustimmung der grönländischen Bevölkerung und des grönländischen Parlaments, sondern auch ein Mehr im dänischen Parlament. Wann eine Abstimmung auf Grönland durchgeführt werden könnte, liess Egede offen. Und Grönland ist in hohem Masse von dänischen Subventionen abhängig.
Diplomatischer Balanceakt
Kurz nachdem Trump junior in Nuuk gelandet war, sagte Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zum Sender DR: «Ich möchte alle – das gilt für alle Verbündeten und Partner im Ausland, aber auch die Politiker im Inland – ermutigen, zu respektieren, dass wir uns in einer neuen Ära befinden und dass jede Diskussion über Grönland in Nuuk beginnen und enden muss.» Wenn sich Grönland irgendwann in die eine oder andere Richtung entscheide, werde die Regierung in Kopenhagen Stellung nehmen.
Für Frederiksen war das Interview ein diplomatischer Balanceakt. Sie freue sich über das zunehmende amerikanische Interesse an Grönland. Die USA blieben auch unter Trump Dänemarks wichtigster Verbündeter. Es sei wichtig zu akzeptieren, dass die Entscheidung über die Zukunft von Grönland bei Grönland liege. 2019 hatte Frederiksen für Trumps Pläne noch deutlichere Worte gefunden: Damals nannte sie sie schlicht absurd.
Der König Frederik X. äusserte seinen Machtanspruch indessen auf royale Weise: Kurz vor Weihnachten veröffentlichte er ein neues königliches Wappen. Es zeigt den Eisbären – das Wappentier Grönlands – prominenter als bisher. Bei dieser symbolischen Geste liess er es mit seinem Interesse vorerst bewenden. Während Trump junior am Dienstag durch Nuuk spazierte und mit der Bevölkerung schäkerte, wartete Grönlands Ministerpräsident Egede in Kopenhagen vergeblich auf den König. Das Treffen, welches die beiden vereinbart hatten, wurde von Frederik X. verschoben.
Trump ist derweil so begeistert, dass er zu Grossbuchstaben greifen muss. Auf Truth Social schreibt er am Dienstag, der Empfang von Don junior und seinen Abgeordneten sei grossartig gewesen. «Sie und die freie Welt brauchen Sicherheit, Stärke und FRIEDEN! Dieser Deal muss zustande kommen.» Und: «MAKE GREENLAND GREAT AGAIN!»