Im Poker um den begehrtesten Ingenieur der Formel 1 macht Aston Martin mit seinem milliardenschweren Besitzer Lawrence Stroll das Rennen. Newey soll beim Rennstall 35 Millionen Euro pro Jahr verdienen.
Schon das Intro zur grossen Inszenierung in der neuen Rennfabrik des Formel-1-Rennstalls von Aston Martin in Silverstone verrät alles. Ein Bleistift ist zu sehen, ein Lineal, ein Zirkel. Und eine Hand, die das legendäre Firmenlogo skizziert. Wer in der hochtechnisierten Königsklasse des Motorsports zeichnet denn noch von Hand? Nur einer. Und zwar derjenige, der seit vier Jahrzehnten Rennwagen entwirft, die für 13 Fahrer- und 12 Konstrukteurstitel gut waren: Adrian Newey.
Im Mai hat der Brite seinem Arbeitgeber Red Bull Racing mitgeteilt, dass er genug habe. Nicht vom Siegen, wohl aber vom ganzen Trubel um den amtierenden Weltmeister-Rennstall. Was er machen wolle, wisse er nicht, sagte der 65-Jährige zum Abschied. Die Idee dazu werde ihm vielleicht unter der Dusche kommen.
Nun, sie war wohl schon da. Gekommen im Fitnessstudio an einem Rennwochenende im Mittleren Osten, als Newey dort auf Lawrence Stroll traf, den milliardenschweren Besitzer von Aston Martin. Der kanadische Geschäftsmann auf dem Laufband, Newey vor ihm auf dem Fahrrad – so kam die Sache ins Rollen, die Stroll am Dienstagmittag als «das grösste und wichtigste Puzzlestück» bezeichnet, das dem runderneuerten Traditionsrennstall gefehlt habe.
«Es ist die aufregendste Neuigkeit in unserer Geschichte, vielleicht sogar in der ganzen Formel 1», sagt Stroll, als er den genialen Designer in einer ganz neuen Rolle präsentiert – als Anteilseigner und Partner in der Unternehmensführung. Das Ziel zu erwähnen, hätte er sich sparen können: endlich ein Rennen, vor allem aber einen Titel zu gewinnen.
Die Gelegenheit war günstig, das Timing ist es auch. Newey darf am 1. März 2025 anfangen, dann hat er noch gut ein Jahr Zeit, um den Rennwagen für das komplett neue Reglement zu gestalten, das ab 2026 gilt. Aus dem Nichts Siegerautos auf die Räder zu stellen, das ist seine Spezialität. Stroll nennt ihn den «Allergrössten der Welt auf seinem Feld».
«Du musst deinen Geist frisch halten»
Dem eher schüchtern wirkenden Ingenieur, der im blassblauen Jackett auf der Bühne etwas ungelenk wirkt, war es wichtig, nicht noch einmal das Gleiche zu machen. Der neue Job gibt ihm mehr Möglichkeiten, mehr Macht, noch mehr Geld, aber vor allem ist er gut fürs Gemüt: «Du musst deinen Geist frisch halten», sagt Newey, der alle Gerüchte um einen Teilzeit-Job von sich weist. «Voll hinein», laute seine Maxime.
Stroll neben ihm auf der Bühne nickt beifällig, endlich hat er einen Manager ganz nach seinem Geschmack. Der Kanadier lebt gern das Extrem, und er liebt den Erfolg. Newey soll das derzeitige Mittelfeldteam antreiben. Eine Handvoll Top-Techniker hat er bereits verpflichtet, der neue leitende Angestellte weiss über seinen Chef: «Lawrence Stroll setzt gern alles auf eine Karte.»
In diesem Fall mit dem Nebeneffekt, dass der Newcomer Stroll das Ferrari-Team im Kampf um den Designer aus dem Feld geschlagen hat. Dabei soll es auch um Kompetenzen, mehr aber ums Geld gegangen sein. Newey hat sein Salär vom ehemaligen Teamchef Eddie Jordan verhandeln lassen, die BBC taxiert das Jahresgehalt auf 35 Millionen Euro. Auch Audi und Alpine hatten so nur Aussenseiterchancen mit ihren Offerten.
Um Newey den Wechsel schmackhaft zu machen, schickte Lawrence Stroll Anfang Juni seine Belegschaft früh in den Feierabend, um den Wunschkandidaten persönlich durch die Fabrik zu führen. Mit Adrian Newey an Bord, das weiss der gewiefte Investor Stroll, wird Aston Martin künftig auch für die talentiertesten Rennfahrer zur ersten Adresse – auch für einen Max Verstappen. Zunächst aber freut sich Newey auf die Zusammenarbeit mit Formel-1-Routinier Fernando Alonso, den er seit Jahrzehnten nur als Gegner kannte.