Für Fondsmanager Michael Illig sind Wachstum und Berechenbarkeit die Schlüssel für erfolgreiche Aktienanlagen. Im Interview verrät er, welche Unternehmen sich in diesen Bereichen auszeichnen und von welchen Branchen und Unternehmen er lieber die Finger lässt.
Mit dem Aktienfonds «Flossbach von Storch Global Quality» setzt Fondsmanager Michael Illig auf wachstumsstarke Unternehmen mit weitgehend vorhersehbarem Ertrag. Daher meidet er bestimmte Branchen oder Unternehmen konsequent – etwa Halbleiterhersteller wie Nvidia.
Im Interview mit The Market erklärt Illig, warum er ein grosser Fan von Berkshire Hathaway ist und was ihn an SAP und der Deutschen Börse überzeugt. Zudem spricht er über seine jüngsten Investmententscheidungen und analysiert die Marktdynamik in der Pharma- und Nahrungsmittelbranche.
Herr Illig, wie haben Sie den Jahresstart mit dem Fonds erlebt?
Der Start war sehr volatil. Während die europäischen Märkte stark waren, gab es in den USA deutliche Rückschläge. Unser Fonds hielt sich in diesem Umfeld relativ gut, nicht zuletzt, weil wir nicht in Unternehmen wie Nvidia oder Tesla investiert sind.
US-Präsident Donald Trump schafft mit der Zollpolitik derzeit wiederholt viel Unsicherheit. Müssen Investoren derzeit wegen der Politik besonders wachsam sein?
Ja, denn einige Unternehmen sind stark von politischen Entscheidungen abhängig. Wir achten darauf, dass die Unternehmen in unserem Portfolio robust und anpassungsfähig sind. Dennoch gibt es Entwicklungen, denen sich auch flexible Unternehmen nur schwer entziehen können.
Wie gehen Sie vor, um die politische Verletzbarkeit zu bestimmen?
Wir stehen in engem Austausch mit den Unternehmen, zum Beispiel mit dem US-Pharmazulieferer Thermo Fisher. Gerade in der Forschung stellt sich die Frage, wie sich mögliche Budgetkürzungen der US-Regierung auf die Gesundheitsbehörde auswirken. Unsere Gespräche zeigen: Auch die Regierung fährt hier eher auf Sicht, klare Ableitungen sind schwer zu treffen. Grundsätzlich werden private Unternehmen aber weiter in Forschung und Entwicklung investieren. Und für Thermo Fisher stehen die USA für gut die Hälfte der Umsätze, was die Verwundbarkeit etwas reduziert.
Auch der Life-Science-Zulieferer Danaher ist neben Thermo Fisher eine wichtige Position im Fonds.
Es gibt nur wenige Alternativen mit einem ähnlich breiten Portfolio. Beide Life-Science-Zulieferer sind hochprofitabel und profitieren von strukturell wachsenden Endmärkten, sei es durch steigende Pharmaproduktion oder verstärkte Forschungsaktivitäten. Diese Märkte wachsen schneller als die Gesamtwirtschaft, und die starke Wettbewerbssituation der Firmen lässt auf eine nachhaltige Profitabilität hoffen.
Was macht diese Wettbewerbssituation so stark?
Thermo Fisher und Danaher sind in hochspezialisierten Bereichen tätig und arbeiten eng mit ihren Kunden zusammen. Viele ihrer Produkte – beispielsweise Bioreaktoren sowie dazugehörige Zellkulturen – sind Verbrauchsgüter, und viele Prozesse unterliegen strengen regulatorischen Anforderungen, beispielsweise durch die US-Zulassungsbehörde FDA. Solche kritischen Komponenten werden nicht einfach ausgetauscht.
Die grösste Fondsposition ist Berkshire Hathaway von Warren Buffett. Warum?
Berkshire kombiniert eine Ansammlung guter Unternehmen mit starkem Cashflow und einem erstklassig geführten Versicherungsgeschäft, das stetig Kapital generiert. Dieses Kapital sowie die Dividenden aus den Beteiligungen werden äusserst intelligent reinvestiert. Die Anlagestrategie erlaubt es, geduldig Cash zu halten und bei günstigen Gelegenheiten entschlossen zuzugreifen – immer mit dem Ziel, durch den Zinseszinseffekt langfristiges Wachstum zu erzielen. Berkshire investiert nur, wenn es sinnvoll ist, nicht weil andere es tun. Das ist auch unsere Philosophie.
Was macht Warren Buffett besonders gut?
Sein Erfolgsrezept war es immer, nachhaltig gut aufgestellte Firmen zu besitzen und talentierte Manager einzusetzen, anstatt sich in das operative Geschäft einzumischen. Diese Philosophie der Qualität ist bei Berkshire tief verankert und wird wohl auch unter seinem Nachfolger Bestand haben.
Ist Berkshire Hathaway ein gutes Beispiel für die Bedeutung von Unternehmenskultur?
Auf jeden Fall. Berkshire verkörpert eine bodenständige, pragmatische No-Nonsense-Mentalität. Wenn eine klare Kultur konsequent gelebt wird, profitieren davon meist auch die Aktionäre.
Wie bewerten Sie den hohen Cash-Bestand?
Er spiegelt die derzeit hohen Bewertungen vieler Sektoren. Historisch gesehen sind zwei Entwicklungen möglich: Entweder bewegen sich die Kurse über Jahre seitwärts, bis sich die Bewertungen relativieren, oder es kommt zu einem plötzlichen Einbruch. Berkshire hat die Geduld und die Mittel, auf attraktive Gelegenheiten zu warten.
Was verstehen Sie unter Qualität?
Qualität definiert sich für uns über zwei wesentliche Aspekte: Wachstum und Vorhersehbarkeit künftiger Erträge – also des langfristig generierten Cashflows. Grundsätzlich gilt: Je höher das Wachstum, desto besser. Bei der Planbarkeit gibt es jedoch oft einen Trade-off. Schnell wachsende Unternehmen sind häufig in unreifen oder volatilen Branchen tätig, in denen die Marktführerschaft schnell wechseln kann.
Wie wichtig ist die Wettbewerbsposition?
Sie ist entscheidend. Wir investieren bevorzugt in Unternehmen mit einer etablierten Marktposition, bei denen wir uns eine belastbare Einschätzung über die Entwicklung der nächsten fünf Jahre und mehr zutrauen. Eine starke Wettbewerbsposition ist die Grundlage für hohe Profitabilität. Denn starkes Wachstum allein reicht nicht aus – ohne hohe Kapitalrenditen müssen Unternehmen ständig neues Kapital aufnehmen oder ihr Wachstum verlangsamen. Im Gegensatz dazu können hochprofitable Unternehmen – auch mit moderatem Wachstum – den Grossteil ihres Gewinns als Dividenden ausschütten oder durch den Rückkauf von Aktien den Anteil der Investoren am künftigen Ertrag erhöhen.
Eine starke Wettbewerbsposition nützt jedoch nichts, wenn das Unternehmen finanziell angeschlagen ist.
Ja. Ein Unternehmen kann kurzfristig erfolgreich sein, aber wenn es finanziell anfällig ist, fehlt die langfristige Planbarkeit. Deshalb analysieren wir genau, in welchen Endmärkten ein Unternehmen tätig ist.
Gibt es Branchen, die Sie grundsätzlich meiden?
Ja, zum Beispiel die Mode. Trends ändern sich schnell, und eine Marke kann von heute auf morgen an Bedeutung verlieren. Auch in einigen Bereichen der Technologiebranche gibt es immer wieder hoch innovative Produkte, die bestehende Anbieter verdrängen können. Solche Unsicherheiten vermeiden wir.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Sun Microsystems, 1982 gegründet, war ein Star des Dotcom-Booms und erreichte zeitweise eine Marktkapitalisierung von 200 Mrd. $. Ihre High-End-Server galten um das Jahr 2000 als unerlässlich für Internetunternehmen, verloren jedoch ihren technologischen Vorsprung. 2009 übernahm Oracle das Unternehmen für 7 Mrd. $. Seit 2011 dient der ehemalige Sun-Campus Meta als Hauptsitz.
Welche Unternehmen sind für Sie denn interessant?
Aufgrund des Trade-offs zwischen Vorhersehbarkeit und Wachstum liegen viele unserer Unternehmen in einem bestimmten «Sweet Spot»: Sie wachsen nicht mit 20 bis 30% pro Jahr, sondern eher mit 6 bis 8%, sie tun dies aber hochprofitabel und über einen sehr langen Zeitraum. Wir investieren auch in «langweilige» Unternehmen – niedrig bewertet, mit guter Vorhersehbarkeit, aber begrenztem Wachstum. Gerade im Konsumgüter- und Gesundheitssektor gibt es viele dieser stabilen Werte.
Können Sie Beispiele nennen?
Der britische Konsumgüterkonzern Reckitt Benckiser und der schweizerische Pharmakonzern Roche sind Beispiele für letztere Gruppe. Beispiele für Beteiligungen im genannten «Sweet Spot» wären das dänische Medizintechnikunternehmen Coloplast oder Verisk Analytics, ein US-amerikanischer Anbieter von Daten und Analysetools für Versicherungen.
Ist die fehlende Vorhersehbarkeit der Grund, warum Sie nicht in den Chipentwickler Nvidia investieren?
Genau. Es hat in der Halbleiterindustrie immer wieder technologische Umbrüche gegeben, die Marktführer abgelöst haben. Nvidia dominiert derzeit den Markt, weil ihre Chips in KI-Rechenzentren unerlässlich sind – sie bieten die beste Leistung bei geringstem Stromverbrauch. Die Alternativen von AMD und anderen sind langsamer und teurer im Betrieb.
Das klingt aber vielversprechend für Nvidia. Was ist das Problem?
Dieser Erfolg beruht ausschliesslich auf technologischer Überlegenheit und nicht auf hohen Wechselkosten für die Kunden. Sollte in den nächsten fünf bis zehn Jahren ein besserer Chip auf den Markt kommen, würde Nvidia nicht nur ein paar Prozent Marktanteil verlieren – der Umsatzeinbruch könnte drastisch ausfallen. Zudem wären wir in Köln sicher nicht die ersten, die das merken.
Die fehlende Vorhersehbarkeit ist wohl nicht der Grund, warum Sie nur eine kleine Position in Apple halten?
Die Bewertung hält uns zurück. Apple überzeugt durch ein perfekt abgestimmtes Gesamtpaket. Kunden bleiben wegen des Ökosystems, nicht nur wegen der Hardware. Hohe Wechselkosten und starke Markenbindung machen Apple widerstandsfähig. der wachsende Serviceumsatz stabilisiert das Geschäft zusätzlich. Apple ist selten Technologiepionier, sondern perfektioniert bestehende Technologien für den Massenmarkt.
Warum sind Ihre Positionen in Microsoft und Amazon deutlich grösser?
Das liegt primär an unserer Einschätzung der Bewertung. Microsoft weist zudem eine aussergewöhnliche Vorhersehbarkeit auf: Windows, Office und Serversoftware sind Quasi-Standards. Selbst bei Preiserhöhungen bleibt die Nachfrage in der Regel stabil – auf die Software kann man nicht verzichten. Zudem ist Microsoft im Cloud-Geschäft stark positioniert.
Welche Geschäftsbereiche überzeugen bei Amazon?
Amazon profitiert besonders in ihrem Cloud-Geschäft von hohen, wiederkehrenden Einnahmen. Im E-Commerce nutzt sie massive Skaleneffekte und dominiert Märkte wie die USA, Deutschland und Japan. Entscheidend ist aber das aussergewöhnliche Management. Amazon zählt aus meiner Sicht zu den bestgeführten grossen Unternehmen weltweit. Die Kultur basiert auf Effizienz und gesundem Menschenverstand – das Unternehmen tut nur, was wirtschaftlich Sinn ergibt, unabhängig vom Wettbewerb oder «schlauer» Ratschläge von Investmentbankern oder kurzfristig orientierten Börsenteilnehmern.
Das Softwareunternehmen SAP profitiert ebenfalls stark vom Geschäft in der Cloud. Sehen Sie den deutschen Tech-Konzern als langfristigen Compounder?
Ja, das würde ich aufgrund des strukturellen Wachstums grundsätzlich unterschreiben. SAP ist hochprofitabel, und die Software ist tief in den Unternehmensprozessen verankert – die Hürde für einen Wechsel ist für Kunden extrem hoch. Zudem sorgt das skalierbare Geschäftsmodell für hohe Margen: Eine zusätzlich verkaufte Einheit kostet SAP wenig, sodass Wachstum besonders profitabel ist.
Vor einigen Jahren gab es noch Zweifel.
Damals lief die Software grösstenteils auf firmeneigenen Servern, und es war unklar, ob die Kunden den Wechsel in die Cloud mitmachen würden. Es gab Befürchtungen, dass Unternehmen bei der Migration gar den Anbieter wechseln könnten. SAP hat diesen Übergang jedoch gut gemeistert, sodass diese Befürchtung nun vom Tisch ist. Die Aktien haben sich in den letzten Jahren stark entwickelt und sind mittlerweile ambitioniert bewertet.
Was sind Ihre jüngsten Zu- und Verkäufe?
Neu aufgenommen haben wir Idex Corp, eine US-Firma, die auf die Übernahme hochspezialisierter Industrieunternehmen fokussiert ist. Verkauft haben wir hingegen unsere Beteiligung am Medizintechnikkonzern Medtronic. Die Aktie hatte sich zuletzt gut entwickelt, und die Bewertung war weniger attraktiv geworden. Hier sahen wir woanders bessere Gelegenheiten.
Auch die Konsumgüterhersteller Unilever und Nestlé sind im Portfolio vertreten. Welchen marktspezifischen Herausforderungen sind diese ausgesetzt?
Die Stärke von Unilever und Nestlé liegt in den etablierten Marken in Kategorien, die regelmässig konsumiert werden und aus Sicht des Konsumenten Raum für Differenzierung bieten. Das bringt eine hohe Vorhersehbarkeit mit sich: Auch ohne Werbung gibt es am nächsten Tag Umsatz. Wird jedoch dauerhaft zu wenig in Marketing investiert, verschwinden die Marken langsam aus den Köpfen der Konsumenten, auch wenn die Verpackung gleich bleibt – warum sollte jemand für das Produkt mehr bezahlen als für eine billigere Alternative? Markenführung braucht Psychologie und stetige Investitionen, weshalb ein weitsichtiges Management hier wichtig ist.
Wie sieht es mit der Vorhersehbarkeit von Pharma aus?
Das muss auch immer relativ zur Bewertung gesehen werden – und diese preist bei vielen Pharmafirmen momentan wenig Wachstum ein. Wir sind in Johnson & Johnson und Novartis investiert, Roche ist unsere grösste Position im Pharmabereich. Thermo Fisher und Danaher sind als Zulieferer und Dienstleister zwar höher bewertet, profitieren aber unabhängig vom Erfolg einzelner Medikamente. Sie liefern die «Schaufeln und Pickel» der Branche – also Labor- und Analysegeräte – und haben damit ein stabileres Geschäftsmodell.
Die Medikamentenentwicklung ist ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten.
Der Ablauf von Patenten stellt ein Risiko dar, ist aber gestaffelt. Breite Forschungs- und Entwicklungs-Pipelines verhindern die Abhängigkeit von einzelnen Medikamenten. Zudem haben diese Unternehmen das Know-how, Wirkstoffe durch Studien und regulatorische Hürden zu bringen, und ihr Vertriebsnetz verschafft ihnen Vorteile gegenüber kleineren Biotech-Unternehmen.
Sie argumentieren, dass die Grösse Schwächephasen aushalten lässt, korrekt?
Ja, grosse Pharmaunternehmen können Forschungslücken durch Zukäufe schliessen, auch wenn diese teuer sind. Entscheidend ist eine Bewertung, die Puffer bietet. Roche hat zudem noch die Diagnostiksparte, Johnson & Johnson ein grosses Medizintechnikgeschäft.
Eine der grössten Positionen ist die Deutsche Börse. Wie wichtig ist der Aktienhandel überhaupt noch für das Unternehmen?
Der reine Aktienhandel macht nur etwa 5% des Geschäfts aus. Volatilität kann sich hier sogar positiv auswirken, da sie das Handelsvolumen erhöht. Ähnliches gilt für den grösseren Derivathandel, da in unsicheren Zeiten mehr abgesichert wird. Darüber hinaus hat die Deutsche Börse ein grosses Custody-Geschäft, das stabile Einnahmen generiert – die Gebühren richten sich nach dem verwahrten Vermögen und steigen oder fallen mit den Märkten. Weitere Einnahmequellen sind die Energiebörse, Datenanalysen und Zinserträge auf die verwahrten Gelder, die das Geschäftsmodell diversifizieren. Dadurch ist das Geschäft weit weniger volatil, als es auf den ersten Blick scheint.
Und Börsen haben einen Burggraben.
Ja. Für bestimmte Finanzinstrumente – beispielsweise Schweizer Aktien oder Derivate auf deutsche Bundesanleihen – gibt es in der Regel einen dominanten Handelsplatz mit der höchsten Liquidität. Dieser zieht den Grossteil der Marktteilnehmer an, weil dort die Spreads am geringsten sind. Ein neuer Anbieter hätte es schwer, Marktanteile zu gewinnen, weil er diesen Vorteil kaum ausgleichen kann.
Zur Person
Michael Illig
Michael Illig ist seit 2016 Portfoliomanager und Analyst bei Flossbach von Storch. 2019 übernahm er das Management des Aktienfonds «Flossbach von Storch Global Quality», seit 2022 leitet er das Equity Portfolio Management. 2024 wurde er Partner. Zuvor war er Portfoliomanager und Analyst bei der DWS Investment GmbH (2010–2015) und Associate im Bereich Wirtschaftsprüfung bei PwC (2009–2010). Er studierte Betriebswirtschaftslehre in Mainz und Valencia.