Die Postfinance hat dem Regionalspital im Zürcher Oberland ein Schuldscheindarlehen vergeben. Damit bewegt sich die Staatsbank in der Nähe des bestehenden Kreditverbots.
Die Postfinance darf eigentlich keine Kredite vergeben. Doch wie das Spital Wetzikon gezeigt hat, schlummern auch in den Büchern der Staatsbank grosse Risiken, trotz dem gesetzlich verankerten Kreditverbot. Ihr droht ein Verlust in zweistelliger Millionenhöhe.
Grund ist eine Finanzierung, welche sie dem Regionalspital im Zürcher Oberland vor mehr als zehn Jahren gewährt hatte, ein sogenanntes Schuldscheindarlehen. Laut dem «Sonntags-Blick» beläuft sich dieses auf rund 40 Millionen Franken. Die Bank bestätigt das auf Anfrage nicht.
Seine Rückzahlung steht nun auf der Kippe. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten kann das Spital seine Schulden nicht mehr bedienen. Insgesamt belaufen sich diese auf 285 Millionen Franken. Seit Ende April befindet sich das Regionalspital in provisorischer Nachlassstundung.
Mit den Gläubigern einer Anleihe in der Höhe von 170 Millionen Franken verhandelt das Spital momentan über eine Sanierung. Sie sollen auf rund zwei Drittel ihrer Forderungen verzichten. Ob eine Einigung gelingt, hat auch Auswirkungen darauf, wie viel die Postfinance von ihrem Darlehen wiedersieht.
Grosszügige Auslegung des Kreditverbots
Mit solchen Finanzierungen legt die Post-Tochter das Kreditverbot sehr grosszügig aus. Die Vergabe von Schuldscheindarlehen hat mit ihrem ursprünglichen Auftrag, die Grundversorgung der Bevölkerung im Zahlungsverkehr sicherzustellen, nichts zu tun. Doch im Gegensatz zu anderen Finanzinstituten darf die Postfinance keine Kredite und Hypotheken an Dritte vergeben. Sie investiert daher den grössten Teil ihres Vermögens in festverzinsliche Anleihen, aber auch in Instrumente wie Schuldscheindarlehen und zu einem geringen Teil in Aktien.
Diese Gratwanderung betreibt die Bank schon länger. Seit 1999 bietet sie Schuldscheindarlehen an. In den ersten Jahren im Auftrag der Bundestresorerie, der Kassenwartin des Bundes, lediglich für die Finanzierung von Städten und Gemeinden, später kamen noch staatsnahe Unternehmen dazu. Gemäss eigenen Angaben war die Postfinance in den vergangenen zwanzig Jahren massgeblich am Aufbau eines Marktes für die Finanzierung von Gemeinden, Städten und staatsnahen Unternehmen beteiligt.
Geht es um eine Stadt oder eine Gemeinde, verläuft die Vergabe eines Schuldscheindarlehens, vereinfacht gesagt, so: Wer Finanzierungsbedarf hat, der kontaktiert die Postfinance. Aufbauend auf einem externen Rating prüft deren Tresorerie-Abteilung die Bonität des Kunden. Innerhalb weniger Minuten erhält dieser den Zinssatz für den gewünschten Betrag und die Laufzeit. Der eigentliche Schuldschein ist ein kurzes, knappes Dokument: ein A4-Blatt, hinten und vorne bedruckt, auf dem die wichtigsten standardisierten Klauseln festgehalten sind.
Die Bank vergibt direkt Geld an einen Schuldner
Schuldscheindarlehen eignen sich laut der Postfinance für die Gemeinden gut, da diese oftmals keinen hohen Finanzierungsbedarf haben und sich die Emission einer Anleihe nicht lohnt. Eine Anleihe ist teurer, nicht zuletzt, weil sie zusätzliche Vorschriften erfüllen muss, da sie an der Börse kotiert und gehandelt wird.
Trotzdem ist der Übergang vom Schuldscheindarlehen zum Kredit fliessend, immerhin vergibt die Bank hier direkt Gelder an einen Schuldner. «Man kann durchaus die Frage aufwerfen, ob das nicht eine Kreditgewährung ist», sagt Christoph Lengwiler, Professor an der Hochschule Luzern, der die Studie zur Gemeindefinanzierung durchgeführt hat. Gleichzeitig müsse man das aber relativieren, findet er, weil die Bank ihre überschüssige Liquidität in sichere festverzinsliche Anlagen investieren muss.
Die Postfinance sieht keine Verletzung des Kreditverbots. Es gebe eine klare Abgrenzung zwischen Schuldschein und Kredit. Schuldscheine dürften beispielsweise nicht an KMU oder Privatkunden vergeben werden. «Wir achten darauf, dass wir die Bedingungen exakt einhalten», sagt Kurt Fuchs, Leiter Finanzen bei der Bank.
Anders als bei einem Kredit nimmt die Bank zudem bei diesen Geschäften auch keine Sicherheiten, wie etwa Liegenschaften. Faktisch vergibt sie damit unbesicherte Darlehen, weshalb Schuldscheine auch nur an Schuldner mit hoher Bonität vergeben werden.
«Wir haben den Auftrag, unser Geld am Kapitalmarkt anzulegen, und Schuldscheine sind eines von verschiedenen Instrumenten dafür», sagt Marc Bonfils, Leiter Tresorerie bei der Postfinance. Auf Anfrage wollte sich das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) zur Vergabe von Schuldscheinen durch die Postfinance nicht äussern. In seiner Botschaft zur Änderung des Postorganisationsgesetzes 2021 hat der Bundesrat jedoch die Position der Bank gestützt; Schuldscheindarlehen würden aufgrund der geltenden Bedingungen nicht unter das Kreditverbot fallen.
«Kritisch zu sehen wäre die Rolle der Postfinance, wenn sie als eine Bank, die im Eigentum des Staates steht, mit Dumpingpreisen im Markt agiert», sagt Lengwiler. Von einem lukrativen Geschäft will die Postfinance nicht sprechen. Laut Bonfils habe die Bank aber mit Schuldscheindarlehen auch während der Tiefzinsphase der vergangenen Jahre eine Rendite erzielt. Deren Zinsmarge liegt etwas über derjenigen von vergleichbaren öffentlichen Anleihen, da Schuldscheindarlehen einfacher strukturiert sind und weniger administrativen Aufwand mit sich bringen.
Gemäss den aktuellsten Zahlen von Ende September 2024 hatte die Postfinance Schuldscheine im Umfang von 13,9 Milliarden Franken ausstehend. Die Hälfte des Portfolios entfallen auf Städte und Gemeinden, ein Viertel auf Kantone und Kantonalbanken. An staatsnahe Unternehmen wie das Spital Wetzikon hat sie 17 Prozent vergeben. Das sind für diese Kategorie demnach Schuldscheindarlehen in der Höhe von rund 2,36 Milliarden Franken.
Für Städte und Gemeinden ist die Postfinance der grösste Finanzierer unter den Banken. Der Anteil der Staatsbank ist von 10 Prozent 2007 auf 26 Prozent 2019 gewachsen, das geht aus einer Studie der Hochschule Luzern (HSLU) hervor, welche die Finanzierung von Schweizer Gemeinden untersucht hat. Dieser Anteil sei seit damals stabil geblieben, heisst es von der Bank. In diesem Markt konkurriert sie als Staatsbank direkt mit anderen Banken oder institutionellen Anbietern wie der Suva, der Compenswiss und weiteren Versicherungen und Pensionskassen.
Weitere Korrekturen sind möglich
Ob die Postfinance noch andere Risiken als das Spital Wetzikon in ihren Büchern hat, ist unklar. Kritik an ihrem Risikomanagement will sie nicht gelten lassen, sie habe in den vergangenen neun Jahren keine Wertberichtigungen auf ihrem Portfolio vornehmen müssen.
Das hat sich mit dem Fall Wetzikon geändert. Einen Teil des Darlehens musste die Bank bereits abschreiben. In ihrem Halbjahresbericht hat sie einen Abschreiber von 25 Millionen Franken auf einer Einzelposition in ihrem Anlageportfolio vermerkt. Offiziell nimmt die Postfinance keine Stellung dazu. Quellen innerhalb des Finanzinstituts bestätigen jedoch, dass der Abschreiber in Zusammenhang mit dem Spital steht.
Ob die gleiche Finanzierung auch unter den heutigen Vorzeichen vergeben würde, ist fraglich. Als die Postfinance das Darlehen vergeben hat, war laut Fuchs die Planung des Neubaus, für den die 170-Millionen-Franken-Anleihe abgeschlossen wurde, noch nicht in Sicht. Die Finanzierung des Spitals Wetzikon, welches auf der Spitalliste des Kantons Zürich aufgeführt ist, galt als sichere Anlage.
Dazu hat auch die implizite Staatsgarantie beigetragen, über die das Regionalspital verfügte. Diese ist jedoch mit der Entscheidung der Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli von Anfang April, Wetzikon keine Finanzspritze zu gewähren, hinfällig geworden. Gut möglich, dass die Postfinance daher noch weitere Wertberichtigungen bei ihrem Darlehen machen muss.