2014 und 2019 hatte sich Prabowo Subianto im Wahlkampf als nationalistischer Populist geriert. Er scheiterte krachend. Aus seinen Fehlern hat er gelernt.
Im dritten Anlauf scheint es für Prabowo Subianto geklappt zu haben: Bereits im ersten Wahlgang wählten die Indonesier den 72-Jährigen laut Hochrechnungen zu ihrem neuen Präsidenten.
So erreichte er zusammen mit seinem Vizepräsidentschaftskandidaten Gibran Rakabuming Raka 58 Prozent der Stimmen. Die Konkurrenten waren chancenlos. Der 54-jährige Anies Baswedan erhielt rund 25 Prozent; der 55-jährige Ganjar Pranowo kam auf 17 Prozent.
Der frühere General und heutige Verteidigungsminister zeigte sich am Mittwochabend in Jakarta siegessicher. Seine beiden abgeschlagenen Kontrahenten sahen zunächst davon ab, ihre Niederlage einzugestehen. Sie beklagten Unregelmässigkeiten. Ein offizielles Resultat wird erst im März erwartet. Allerdings gelten die Hochrechnungen in Indonesien als verlässlich.
Prabowo dürfte also auf Joko Widodo folgen, der in Indonesien Jokowi gerufen wird. Er tritt am 20. Oktober ab. Nach zwei Amtsperioden hatte er nicht mehr antreten dürfen. Die Ironie ist, dass sich Prabowo 2014 und 2019 mit Jokowi noch erbitterte Wahlkämpfe geliefert hatte. In diesem Jahr spannten die beiden zusammen. Jokowi sprach sich für die Wahl des einstigen Erzfeindes aus, und sein Sohn Gibran wird mit gerade einmal 36 Jahren Indonesiens neuer Vizepräsident.
Aus der Armee unehrenhaft entlassen
Prabowo kam im Oktober 1951 als drittes von vier Kindern in Jakarta auf die Welt. Er entstammt einer der einflussreichsten Familien Indonesiens. Prabowos Vater war ein bekannter Wirtschaftswissenschafter, der in der Regierung des Autokraten Suharto Minister war.
Die Familie verbrachte ein Jahrzehnt im Ausland, nachdem sich der Vater mit dem ersten Präsidenten Indonesiens, Sukarno, überworfen hatte. Sie lebte auch in Zürich, wo Prabowo als Achtklässler die American International School besuchte. Aus jener Zeit stammt sein Faible für Sprachen: Neben Deutsch soll er Englisch, Französisch und Niederländisch beherrschen.
Die Familie kehrte Ende der sechziger Jahre nach der Machtübernahme Suhartos in die Heimat zurück. Kurz darauf erfolgte Prabowos Aufstieg im Militär. 1983 heiratete er die Tochter von Suharto. Aus der Ehe stammt ein Sohn, der ein international bekannter Modedesigner ist.
Die 28 Jahre bei der Armee belasten Prabowos Reputation. So soll er während der indonesischen Besetzung von Osttimor brachial gegen die Unabhängigkeitskämpfer vorgegangen sein. Und in der Endphase der Diktatur seines Schwiegervaters Suharto soll er 1998 mit Spezialeinheiten Aktivisten verfolgt haben. Das Schicksal von mindestens zwölf Kämpfern für Demokratie ist bis heute ungeklärt.
Prabowo ist für die Taten in Osttimor und in Jakarta nie angeklagt worden. Er bestreitet die Vorwürfe. Aber Untergebene aus seinen Einheiten wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Und in die Vereinigten Staaten durfte er wegen der Geschehnisse in Osttimor zwanzig Jahre lang nicht einreisen. Die amerikanische Regierung hob das Einreiseverbot erst auf, nachdem Prabowo 2019 zum Verteidigungsminister ernannt worden war.
Das Ende der Diktatur von Suharto bedeutete einen tiefen Einschnitt im Leben Prabowos. Aus der Armee wurde er als General wegen seiner Rolle bei der Entführung der Aktivisten unehrenhaft entlassen. Seine Ehe ging in die Brüche. Prabowo begab sich für drei Jahre ins selbstgewählte Exil nach Jordanien, bevor er 2001 zurückkehrte. 2004 startete er seine politische Karriere und gründete die Partei Gerindra. Schon damals hatte er den Lebenstraum, Indonesiens Staatsoberhaupt zu werden. Dafür brauchte er einen langen Atem.
In den Wahlkämpfen 2014 und 2019 unterlag er Jokowi. Damals präsentierte er sich als nationalistischer Populist, der sich mit konservativen Muslimen zusammentat. Er hatte ein schlichtes Weltbild: Für ihn gab es das gute einfache Volk und die korrupte Elite, obwohl er dieser selbst angehörte. Sein Vermögen wird auf umgerechnet 114 Millionen Franken geschätzt.
Prabowo, der als heissblütig gilt, schonte seinen Gegner Jokowi nicht. So streute er das haltlose Gerücht, sein Widersacher sei ein chinesischer Christ, der Indonesien an China verkaufen wolle. Und obwohl er 2019 deutlich gegen Jokowi verloren hatte, respektierte er das Ergebnis nicht. Vielmehr steigerte er sich in einen Furor hinein. Er witterte Wahlbetrug und zog vor das Verfassungsgericht. Mit der Klage scheiterte er zwar. Aber seine Anhänger lieferten sich blutige Schlachten mit den Sicherheitskräften. Es sollen acht Menschen gestorben sein. Prabowo galt damals als der Donald Trump Indonesiens.
Der Wolf hat Kreide gefressen
Er hat jedoch aus seinen Fehlern gelernt und an seinem Image gefeilt. Prabowo versöhnte sich mit Jokowi und wurde 2019 Verteidigungsminister. Fünf Jahre später gab er sich im Wahlkampf als «elder statesman», der über seine politischen Gegner kein schlechtes Wort verlor.
Bei Auftritten gab er sich locker, liess trotz einer Gehbehinderung zu Techno-Rhythmen die Hüften kreisen und gestand dem einstigen Erzfeind Jokowi seine Liebe. Prabowo wusste, dass er ohne den Segen des scheidenden und immens populären Präsidenten keine Chance auf einen Wahlsieg hatte. Da hätte auch sein Imagewandel nicht geholfen.
Prabowos Strategie ging auf, auch weil im Wahlkampf seine dunkle Vergangenheit keine Rolle mehr spielte. Mehr als jeder zweite der 205 Millionen Wähler ist noch keine vierzig Jahre alt. Und diese Generation hat keine Ahnung von den mutmasslichen Menschenrechtsverletzungen ihres neuen Präsidenten.