Die Publikation eines Artikels über den Einfluss von Homosexuellen in der katholischen Kirche stellt keinen Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm dar.
Der Theologieprofessor Manfred Hauke durfte am Montag aufatmen. Die Einzelrichterin Petra Vanoni vom Strafgericht in Bellinzona sprach ihn vom Vorwurf frei, gegen das Diskriminierungsverbot verstossen und zu Hass gegen Homosexuelle aufgerufen zu haben. Sie hob einen Strafbefehl der Tessiner Staatsanwaltschaft auf, die Hauke im Dezember 2022 zu einer bedingten Geldstrafe von 9450 Franken sowie einer Busse in Höhe von 1800 Franken verurteilt hatte. Statt einer Busse erhält der in Lugano lehrende Theologe nun eine Entschädigung von 20 000 Franken, mit der er das Honorar seines Strafverteidigers Luigi Mattei begleichen kann.
«Plage» und «Krebsgeschwür»
Im Mittelpunkt des Justizfalls steht ein äusserst umstrittener Aufsatz mit mutmasslich homophoben Passagen, der 2021 in der konservativen katholischen Monatszeitschrift «Theologisches» erschienen ist, für die Hauke als Herausgeber verantwortlich zeichnet. Autor des Artikels mit dem Titel «Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der Kirche zu begrenzen» war der polnische Theologe Dariusz Oko. Dieser spricht in seinen Ausführungen im Zusammenhang mit Homosexuellen unter anderem von «rücksichtslosen Parasiten», «Plage», «Krebsgeschwür, das sogar bereit ist, seinen Wirt zu töten» und «Homomafia».
Die Einzelrichterin Vanoni kritisierte zwar das grobe Vokabular, konnte aber – im Gegensatz zur Staatsanwältin – keinen Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm (Artikel 261bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches) feststellen, die im Jahr 2020 um das Verbot des Hasses wegen sexueller Orientierung erweitert worden war. Es habe sich um eine lange wissenschaftliche Fachpublikation gehandelt, die sich nicht allgemein über Homosexuelle ausgelassen habe, sondern sich um deren Einfluss in der katholischen Kirche gedreht habe. Sie sezierte die inkriminierten Passagen im Detail im deutschen Original und in der italienischen Übersetzung mitsamt Fussnoten, um den jeweiligen Kontext herzustellen. Zwei in der Anklageschrift zitierte Abschnitte waren ihrer Meinung nach äusserst grenzwertig, etwa die folgende Aussage: «Es ist auch wichtig zu wissen, dass etwa 20 Prozent der Homosexuellen eine ephebophile oder päderastische Vorliebe haben, was eine ihrer typischen Störungen ist.»
Uni nimmt Fall unter die Lupe
Der Fall war von der Tessiner Justiz auf Anzeige von Pink Cross, der Dachorganisation der schwulen und bisexuellen Männer in der Schweiz, aufgegriffen worden. Diese hatte aber kein Recht, sich als Privatklägerin zu konstituieren. Arianna Lucia Vassere verfolgte für Imbarco Immediato, eine Partnerorganisation von Pink Cross, die Urteilseröffnung. «Wir sind sehr enttäuscht», erklärte sie, «denn durch die Kontextualisierung werden klar homophobe Aussagen einfach ihrer diskriminierenden Bedeutung enthoben.»
Ganz anders der freigesprochene Theologe. Für ihn war es ein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk; er wird am kommenden Sonntag 68 Jahre alt. «Ich bin sehr zufrieden», sagte er nach der Urteilseröffnung. Wie die Theologische Fakultät in Lugano (FTL) sowie die Universität der italienischen Schweiz (USI) am Abend mitteilten, hat er jedoch darum gebeten, von seiner Lehrtätigkeit an der Fakultät suspendiert zu werden.
Die Arbeit einer Ad-hoc-Kommission, die unabhängig vom strafrechtlichen Ausgang und vom nun erfolgen Freispruch diesen Fall unter die Lupe nimmt, werde aber fortgesetzt, bestätigte die USI-Rektorin Luisa Lambertini gegenüber dieser Zeitung. Die Kommission soll beurteilen, «ob das Verhalten von Professor Hauke gegen die Grundprinzipien der Universität und ihren Ethikkodex verstossen hat». Die 1992 gegründete Theologische Fakultät von Lugano wurde 2021 der Universität der italienischen Schweiz angegliedert.