Wie will die Landesregierung künftig wahrgenommen werden?
15 Jahre lang hat er die Entscheide des Bundesrats vermeldet und die Pressekonferenzen der Regierungsmitglieder geleitet. An diesem Mittwoch blieb sein Stuhl leer. Eine weisse Rose diente als Platzhalter. Die Schönheit und die Vergänglichkeit alles Irdischen – André Simonazzi hätte die schöne Geste seiner Kollegen zu schätzen gewusst.
Die Stimme des Bundesratssprechers ist am vergangenen Freitag für immer verstummt. André Simonazzi war selbst zu einer Institution geworden. Er gehörte zum Inventar in diesem niemals ruhenden Betrieb. Das Leben in Bundesbern geht indes weiter.
Simonazzis Nachfolger werde eine grundsolide Basis vorfinden, versicherte Viktor Rossi am Mittwoch. Der Bundeskanzler kam der Pflicht nach, über die erste Bundesratssitzung nach Simonazzis plötzlichem Tod zu berichten. Die Landesregierung hatte zuvor das weitere Vorgehen zur Nachfolge des Bundesratssprechers festgelegt.
Demnach wird Ursula Eggenberger vorübergehend Simonazzis Aufgaben übernehmen. Der Bundesrat hat am Mittwoch die 62-Jährige als Vizekanzlerin und Bundesratssprecherin ad interim gewählt. Eggenberger war die engste Mitarbeiterin Simonazzis. Seit 2011 führt sie die Sektion Kommunikation der Bundeskanzlei.
Sie habe ihm gegenüber bereits offengelegt, dass sie wieder in ihre angestammte Funktion zurückkehre, sobald der Nachfolger bekannt sei, sagte Kanzler Rossi. Mit ihrem unprätentiösen Auftritt am Mittwoch machte Eggenberger auch klar, dass Simonazzis Rollenverständnis des Amtes in ihr weiterleben wird: Kein Wort zu viel – und alles im Dienst des Bundesrates.
Der Posten des Bundesratssprechers sei eine «Schlüsselstelle», sagte Rossi. Simonazzis Nachfolger werde vom Bundesrat gewählt – auf Antrag des Kanzlers. Die Stelle werde demnächst ausgeschrieben. Das Auswahlverfahren müsse jetzt schnell gehen. Gleichzeitig sei beim Prozedere oberste Sorgfalt geboten. Ziel sei es, die Stelle im Verlauf der zweiten Jahreshälfte neu besetzt zu haben.
Wie immer, wenn in Bundesbern eine ranghohe Stelle frei wird, geht es – neben der Kompetenz – um eine ganze Reihe von Kriterien. Das Geschlecht, die Herkunft, die Partei oder zumindest das parteipolitische Zugehörigkeitsgefühl – das alles wird bei der Besetzung eine Rolle spielen. Zum Profil des Bundesratssprechers wird sicherlich gehören, dass er zwei, besser noch drei Landessprachen «einigermassen perfekt» beherrscht, wie es Rossi ausdrückte.
Der locker dreisprachige Kanzler geht mit bestem Beispiel voran. Auch André Simonazzi war ein Sprachtalent. Bei der Suche nach einem neuen Sprecher wird es aber neben der Sprache auch darum gehen, wie sich der Bundesrat selber sehen und hören will.
Sucht die Landesregierung eher einen Verkäufer, einen Verteidiger, einen Mitgestalter oder einfach nur einen Protokollschreiber und Ausführer? Simonazzis Nachfolger wird die Wahrnehmung des Bundesrats in einer rundum mediatisierten Welt mitbestimmen. Dem Vernehmen nach sollen sich bereits mehrere Regierungsmitglieder bei potenziellen Kandidaten erkundigt haben, ob sie sich das Amt zutrauen würden.
Parteipolitisch dürften vor allem die SVP und die FDP ihre Ansprüche geltend machen. Simonazzi war wie sein Vorgänger Oswald Sigg SP-Mitglied. Zuvor war mit Achille Casanova das Amt in den Händen der CVP. Im Juli tritt mit Rachel Salzmann bereits ein Mitte-Mitglied das Amt der zweiten Vizekanzlerin an.
Aus der grossen Leere, die André Simonazzi hinterlässt, wird schon bald eine Vakanz werden mit all dem personal-politischen Drumherum. Die Dinge nehmen ihren Lauf. Fast keiner wusste das in Bundesbern besser als André Simonazzi.