Die Aufräumarbeiten nach dem verheerenden Erdbeben in Myanmar zeigen: China übernimmt in der Region eine Führungsrolle bei der Entwicklungshilfe.
Über eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben in Myanmar herrscht Klarheit über das Ausmass der Zerstörung: Mehr als 3300 Menschen sind laut den offiziellen Zahlen umgekommen, über 4500 verletzt, über 200 werden noch vermisst. Die Grossstädte Mandalay und Naypyidaw wurden schwer getroffen, und auch die Infrastruktur im Umland, die Strassen und Brücken, wurde schwer beschädigt. Hinzu kommen unzählige betroffene Dörfer und Kleinstädte, in denen Menschen ihre Häuser und ihren ganzen Besitz verloren haben.
Nun lässt sich auch feststellen, wer in Myanmar geholfen hat und noch immer hilft. China sandte sofort 13,8 Millionen Dollar an Nothilfe nach Myanmar, dazu über 600 Helfer. Die USA sandten bloss 2 Millionen Dollar und ein dreiköpfiges Team, das den Schaden begutachten sollte, aber bisher kein Einreisevisum bekommen hat. Am Freitag versprach Washington weitere 7 Millionen Dollar, allerdings versehen mit der Bemerkung, es sei unfair, von den USA zu erwarten, dass sie überall auf der Welt solche Rettungsaktionen anführen müssten.
Der Abschied von Washingtons globalem Führungsanspruch bei der Entwicklungshilfe lässt sich in Myanmar gerade beobachten. Seit die Trump-Regierung das Budget der Entwicklungsbehörde USAID eingefroren hat, scheinen die USA nicht willig, grosse Hilfseinsätze wie in der Vergangenheit zu leisten. Früher hätte man nach einem solchen Erdbeben sofort Rettungsteams losgeschickt, sagte eine ehemalige USAID-Führungsperson gegenüber der Agentur Reuters. Nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal 2015 flossen in den ersten Tagen noch 26 Millionen Dollar Katastrophenhilfe aus den USA nach Nepal.
Auch Russland und Indien helfen
Die Videos, die nach dem Erdbeben in Myanmar auf Social Media kursierten, zeigten chinesische Helfer, die Menschen aus Trümmern befreiten. Oft dankten jene, die die Posts absetzten, China. Das chinesische Staatsfernsehen und die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua gehören zu den wenigen Medien, welche die myanmarische Militärjunta ins Land reisen liess – ihre Journalisten begleiten die chinesische Hilfeleistung prominent.
Zu den ersten Helfern im Land gehörte auch die russische und die indische Armee. Heute sind auch westliche Teams im Erdbebengebiet aktiv, das Internationale Rote Kreuz hat Helfer aus Deutschland, Finnland, Dänemark und Norwegen eingeflogen. Weitere warten nach Berichten noch immer auf die von der Militärregierung nötigen Bewilligungen.
Niemand allerdings leistete so viel Hilfe wie die Chinesen. Das hat einerseits mit der Nachbarschaft zu Myanmar zu tun. Aber auch mit der zwiespältigen Beziehung, die die Staaten in den vergangenen Jahren pflegten.
Seit 2021 das Militär in Myanmar putschte und im Land ein Bürgerkrieg ausbrach, unterstützte China die Militärjunta mit Waffen und legitimierte sie, indem der chinesische Präsident Xi Jinping den Junta-Führer Min Aung Hlaing empfing. Die chinesische Regierung dürfte wenig begeistert sein über einen Bürgerkrieg an ihrer Grenze, die Junta sieht sie laut Analysten als beste Option für Stabilität im Land – Myanmar ist ein komplexes Gebilde aus vielen Ethnien, die gerade in unzähligen kleinen Armeen die Regierung und manchmal auch einander bekämpfen.
Allerdings gibt es glaubwürdige Berichte, dass die Chinesen auch Rebellengruppen in der Grenzregion unterstützen, wo sie chinesische Investitionen bedroht sehen. Die Kontakte zu beiden Seiten scheinen sich nach dem Erdbeben auszuzahlen: China kann Hilfskonvois organisieren, die auch durch Rebellengebiet fahren.
Die Hilfeleistung der Chinesen könnte man als eine Charmeoffensive gegenüber der Bevölkerung im Nachbarstaat deuten. Viele Menschen in Myanmar verzeihen China die Unterstützung der Militärjunta nicht. Eine Studie des Think-Tanks Iseas-Yusof Ishak Institute offenbarte 2024, dass 65 Prozent der befragten Personen in Myanmar den Chinesen misstrauten.
Viel Misstrauen gegenüber Chinesen
Die Augenzeugin Soe lebt zwischen den vom Erdbeben schwer betroffenen Grossstädten Mandalay und Naypyidaw, sie heisst eigentlich anders, möchte aber wegen der repressiven Militärjunta lieber anonym bleiben. Sie sagt am Telefon: «Die chinesischen Rettungsteams, die nach Mandalay kamen, gingen zuerst in die chinesischen Quartiere und haben die Menschen dort zuerst gerettet. Das ist nicht fair.» Rund ein Drittel der Bevölkerung in Mandalay ist chinesischer Abstammung. Soes Vorwurf lässt sich nicht verifizieren. Aber er zeugt vom tiefen Misstrauen im ethnisch zersplitterten Myanmar gegenüber den Chinesen und manchmal auch anderen Ethnien.
Viele ausländische Helfer seien mittlerweile in Myanmar angekommen, sagt Soe. Aber die Aufräumarbeiten würden sich zu sehr auf die Hauptstadt Naypyidaw konzentrieren – dort lebten die Generäle der Militärjunta, die ebenfalls vom Erdbeben betroffen seien. «Und das taiwanische Rettungsteam haben sie nicht einmal ins Land gelassen», sagt Soe. Taiwan hat Myanmar seine Hilfe angeboten. Myanmar hat sie nicht angenommen – wohl um Peking nicht zu verärgern. Taiwan hat das nach dem Erdbeben ad hoc formierte Rettungsteam mittlerweile aufgelöst.
Über eine Woche nach dem Erdbeben, jetzt, wo Helfer kaum mehr Überlebende bergen, entstehen Pläne, wie die betroffenen Gebiete in den kommenden Monaten und Jahren stabilisiert und wieder aufgebaut werden können. Soe hofft, dass die internationale Gemeinschaft und auch der Westen sich in Myanmar engagieren. Ob dies geschieht, bleibt fraglich.
Die Militärjunta in Myanmar ist kein verlässlicher Partner für westliche Hilfsorganisationen. Nicht nur die USA, sondern auch Europa haben in den vergangenen vier Konfliktjahren in den Friedensbemühungen nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Gleich nach dem Erdbeben organisierte die Junta wieder Luftangriffe auf Zivilisten. Zwar erklärte sie vergangene Woche eine Waffenruhe. Laut der Uno lancierte die Junta trotzdem weitere sechzehn Angriffe.