Apple feiert sein neues iPhone als grundlegend künstlich intelligentes Gerät und erhofft sich davon Impulse für den zuletzt stagnierenden Verkauf. Das Problem: Wesentliche KI-Funktionen werden auf Monate hinaus nicht verfügbar sein.
Die Vorstellung des neuen iPhone ist jedes Jahr das wichtigste Ereignis im Hause Apple, schliesslich verdankt der weltgrösste Technologiekonzern dem Smartphone mehr als die Hälfte seines Umsatzes von zuletzt 383 Milliarden Dollar.
Doch 17 Jahre nach der Erfindung wird es zunehmend schwerer, das iPhone jahraus, jahrein neu zu erfinden und anzupreisen. Am Montag hatte der CEO Tim Cook deswegen vor allem eine Botschaft für die Zuschauer am Firmensitz in Cupertino und vor den Bildschirmen zu Hause: «Das neue iPhone ist von Grund auf ein KI-Gerät.» Fast ein Dutzend Mal wiederholten Cook und die anderen Apple-Manager diese Botschaft in der rund 100-minütigen Präsentation.
Sie ist für Apple deshalb so wichtig, weil künstliche Intelligenz – oder «Apple Intelligence», wie der Konzern seine Version der Technologie nennt – in Cupertino eine neue Ära einläuten soll. Seit dem Aufkommen von Chat-GPT vor knapp zwei Jahren muss sich Apple vorwerfen lassen, nur langsam auf den Zug der generativen KI aufgesprungen zu sein. Nicht nur Open AI, auch Konkurrenten wie Microsoft, Google und Samsung hatten längst ihre neuen KI-Funktionen auf den Markt gebracht, als Apple im Juni an seiner Entwicklerkonferenz endlich seine Antwort auf die KI-Revolution präsentierte. Investoren waren da bereits unruhig geworden.
Das neue iPhone spielt in Apples KI-Strategie nun eine Schlüsselrolle. Viele Funktionen von «Apple Intelligence» werden nicht mit älteren Versionen des Smartphones, sondern nur mit der jetzt präsentierten Version 16 funktionieren.
Mächtiger Siliziumchip
Das neue, ganz auf KI ausgerichtete Gerät soll den Nutzern einen Grund geben, sich für in der Schweiz 849 Franken und mehr ein neues iPhone zu kaufen. Konkret verfügt das nun vorgestellte iPhone – neben einer wie immer besseren Kamera – über einen besonders leistungsfähigen, von Apple intern hergestellten Siliziumchip namens A18, der auf leistungsstarker Drei-Nanometer-Chiptechnologie basiert. Dieser Chip ist der Motor, der die KI-Maschine zum Laufen bringt. So sollen die Nutzer dank «Apple Intelligence» etwa Hilfe beim Schreiben von E-Mails und Nachrichten bekommen, unerwünschte Objekte aus Fotos entfernen können oder sich von der KI Dokumente, E-Mails und auch Telefonate zusammenfassen lassen.
Es sind alles Funktionen, welche die Nutzer bereits von der Konkurrenz kennen. Doch Apples Verkaufsargument ist, dass die KI, erstens, den Nutzer enorm gut persönlich kennt, weil das iPhone eine Schlüsselrolle in unserem Leben spielt – sprich die KI kann nicht nur mit allgemeinen Wissensfragen helfen, sondern auch mit Fragen wie «Wann landet das Flugzeug meiner Mutter heute?». Zweitens wirbt Apple mit dem Schutz der eigenen Daten, da all diese Anfragen dank mächtigem Siliziumchip auf dem Handy verarbeitet werden und nicht etwa in einem Datenzentrum.
Kein Verkauf in der EU und in China
Doch es gibt dabei zwei entscheidende Probleme. Das gravierendere: Das neue KI-Handy wird ab dem 20. September in den Verkauf gehen, ohne dass die neue KI-Software verfügbar ist. «Apple Intelligence» wird Teil des Betriebssystem-Updates iOS18.1 sein, und dieses ist erst ab Oktober verfügbar. Selbst dann werden mehrere der nun beworbenen KI-Funktionen noch nicht verfügbar sein, etwa der neue Sprachassistent Siri oder KI-Bildgenerierungsfunktionen.
Ausserdem wird Apple Intelligence bis auf weiteres in zwei wesentlichen Märkten nicht erhältlich sein: der EU und China. Apple verwies auf die Regulierung der Digital Markets Act als Begründung für den europäischen Markt. «Wir sind besorgt, dass die Interoperabilitätsanforderungen uns dazu zwingen könnten, die Integrität unserer Produkte in einer Weise zu beeinträchtigen, die die Privatsphäre und die Datensicherheit der Nutzer gefährdet», teilte der Konzern mit.
In China wiederum muss Apple einen anderen, lokalen Kooperationspartner suchen, da die Partnerschaft mit dem Chatbot der kalifornischen Firma Open AI dort nicht zugelassen ist. Wie «Bloomberg» berichtet, ist Apple in Gesprächen mit Baidu und Alibaba.
Beides könnte dazu führen, dass das neue iPhone nicht der Verkaufsschlager wird, den sich Apple erhofft hat.
Die wichtigsten sonstigen Ankündigungen von Apple:
- Neue Smartwatch: Apple Watch Serie 10 hat einen grösseren, dünneren Bildschirm mit Oled-Technologie (organische Leuchtdiode) und verfügt neuerdings über einen Siliziumchip S10, der die «Apple Intelligence» unterstützt. Zudem kann die Software nun Schlafapnoe erkennen, also eine gestörte Atemregulation beim Schlafen. Preis ab 449 Franken.
- Neue Kopfhörer: Die Bluetooth-Kopfhörer Airpods 4 gibt es in einer Version mit aktiver Noise Cancellation, die Umgebungsgeräusche ausblendet und Gespräche erkennt. Anrufe lassen sich mit Kopfnicken oder -schütteln annehmen oder ablehnen. Zudem stellt Apple eine neue Version der Airpods Pro vor: Die zweite Generation dieser Kopfhörer wird zunehmend zu einem smarten Hörgerät und kann etwa die Audiolautstärke basierend auf dem eigenen Hörprofil herauf regeln. Bei lauten Umgebungsgeräuschen regelt sie sie umgekehrt zum Schutz herunter. Preis ab 129 Franken.