Die Arbeitgeber zählen zu den feurigsten Unterstützern der staatlichen Krippenförderung. Jetzt, wo das Geld beim Bund knapp ist und man nach anderen Geldquellen sucht, könnte das neue, teure Kita-Gesetz für sie zum Bumerang werden.
Vor drei Jahren schien finanzpolitisch noch vieles möglich. Wenn nicht jetzt, wann dann, sagte sich die Kita-Allianz im Parlament. Sie startete 2021 einen Anlauf, um die seit mehr als zwanzig Jahren laufende befristete «Anstossfinanzierung» für Krippenplätze in eine ständige Bundesaufgabe umzuwandeln. Der Bund sollte definitiv zum Zahlvater für Kinderkrippen gemacht werden.
Der Euphorie waren dabei keine Grenzen gesetzt. Man ging geschickt vor, nahm Einfluss auf die Anhörung von Experten und schickte geneigte Parlamentarierinnen in die zuständigen Sachkommissionen. Mit Erfolg: Im Frühling 2023 hiess eine breite Mitte-links-Allianz im Nationalrat eine Subventionsvorlage gut, die man als masslos, ja als finanzpolitisch frivol bezeichnen kann.
Neue Geldquellen gesucht
Demnach soll der Bund für jedes Kind ab der Geburt bis zum Ende der Primarschule 20 Prozent der Kosten für Krippe oder Tagesschule übernehmen. Der Beitrag würde sich im ersten Jahr auf rund 700 Millionen Franken belaufen, zwei Jahre später wären es bereits 840 Millionen, Tendenz weiter steigend. Hinzu käme die Bürokratie: Die Kantone müssten neue Strukturen und Prozesse schaffen, um die Gelder an die Eltern auszuzahlen und sie sich später beim Bund rückerstatten zu lassen.
Doch seit letztem Jahr hat der Wind gedreht. Der Bund muss sparen und sich vordringlich um die Finanzierung seiner Kernaufgaben kümmern. Die Schaffung einer neuen gesamtschweizerischen Krippen-Sozialleistung hat da keinen Platz. Oder wenn man sie unbedingt will, muss man sie anders finanzieren.
Die zuständige Ständeratskommission (WBK-S), die nach dem Nationalrat am Zug ist, hat sich deshalb auf die Suche nach anderen Geldquellen gemacht und ist fündig geworden: bei den Arbeitgebern. Geht es nach der WBK-S, sollen sie einen «solidarischen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels» leisten, indem sie (und nicht der Bund) die Krippenkosten massgeblich mitfinanzieren.
Man kann darin eine Art Spitze gegen die Arbeitgeber sehen. Denn der Schweizerische Arbeitgeberverband ist seit Jahren Feuer und Flamme für die staatliche Finanzierung von Krippen und von Frühförderung. Es handle sich um eine Investition in die Zukunft, die Mütter könnten mehr arbeiten, die Chancengerechtigkeit unter den Kindern werde verbessert, wird geschwärmt. Wer so viel Begeisterung zeigt, mag sich die Ständeratskommission gedacht haben, soll sich das auch etwas kosten lassen.
Eine neue Zulage bis 500 Franken
Das Modell der Ständeratskommission sieht keinen Bundesbeitrag, sondern eine Betreuungszulage vor. Diese soll in das bestehende Familienzulagengesetz aufgenommen werden – zusätzlich zur Kinderzulage, die mindestens 200 Franken monatlich beträgt. Das Geld soll von den Familienausgleichskassen über die Arbeitgeber direkt an die Eltern ausbezahlt werden.
Das Vorgehen, um zu einer Betreuungszulage zu kommen, wäre einfach und den Eltern von den Kinderzulagen bereits bekannt. Pro Tag, den ein Kind in einer Krippe verbringt, erhalten die Eltern mindestens 100 Franken, bei einer Vollbetreuung sind das 500 Franken pro Monat. Die Betreuungszulage soll ausgezahlt werden, bis das Kind 7 Jahre alt ist.
Die Lösung der WBK-S hat den Vorteil, dass sie auf den Strukturen der Familienzulagen aufbaut, deren Finanzierungskanal nutzt und damit einigermassen schlank ist – ungleich schlanker als der Vorschlag des Nationalrats. Das wird von fast allen Seiten anerkannt. Billig ist das Ganze aber nicht. Die WBK-S rechnet damit, dass die Betreuungszulage im ersten Jahr nach ihrer Einführung rund 640 Millionen Franken kosten würde. Bezahlt werden soll sie von den Arbeitgebern, die bereits heute über 6 Milliarden Franken jährlich für die Familienzulagen leisten. Die Kantone könnten aber auch eine paritätische Finanzierung vorsehen oder die Zulage selber ausrichten.
Die 640 Millionen sind allerdings bloss das «Basismodell». Daneben gibt es in der WBK-S zahlreiche Zusatzwünsche. Die einen wollen einen höheren Babytarif durchsetzen, was insgesamt rund 720 Millionen Franken pro Jahr kosten würden. Andere möchten die Zulage ausrichten, bis das Kind 11 Jahre alt ist, was rund 940 Millionen Franken entsprechen würde. Wieder andere fordern, dass nicht nur Kollektivbetreuungen, sondern auch private Arrangements mit Nannys oder Nachbarn unterstützt werden. Diese Lösung würde sich auf 865 Millionen Franken jährlich belaufen.
Nichts tun könnte gefährlich sein
Im März hat die Ständeratskommission ihre Vorschläge in die Vernehmlassung geschickt, die Frist für die Einreichung der Stellungnahmen läuft noch bis Mitte Juni. Wie sich die Arbeitgeber zur Betreuungszulage stellen, ist offen. Wegen der Einführung der 13. AHV-Rente müssen sie ohnehin mit höheren Beiträgen rechnen, und es ist ungewiss, wie gross die Bereitschaft sein wird, sich zusätzlich noch für die Kinderbetreuung zu engagieren. Der Arbeitgeberverband holt derzeit die Meinungen seiner Mitglieder ein.
Im Parlament ist die Sorge jedenfalls gross, dass die Arbeitgeber aus der Krippen-Allianz aussteigen könnten, wenn am Ende sie allein die Kosten des Sozialausbaus tragen müssten. So beantragt eine Minderheit der WBK-S, dass die Finanzierung aufgeteilt wird: Ein Drittel der Kosten für die Betreuungszulage soll der Bund übernehmen, was nach dem «Basismodell» rund 212 Millionen Franken bedeuten würde. Die Arbeitnehmer müssten 1/25 des Betrags der Arbeitgeber tragen, was 216 Millionen entsprechen und eine Anhebung der Lohnbeiträge um 0,072 Prozentpunkte erfordern würde. Den restlichen Betrag von 164 Millionen müssten die Arbeitgeber tragen. Das würde heissen, dass auch Alleinstehende, Eltern mit grösseren Kindern oder traditionelle Familien den Sozialausbau über Lohnbeiträge mitfinanzieren müssten.
Ein klares Nein der Wirtschaft zur Betreuungszulage ist kaum zu erwarten. Dies auch deshalb, weil das Thema wegen der sogenannten Kita-Initiative der SP ohnehin aktuell bleibt. Das Begehren ist derzeit beim Bundesrat hängig. Es will die externe Kinderbetreuung institutionalisieren und würde den Bund mit zusätzlichen Milliardenkosten belasten. Nichts zu tun, könnte gefährlich sein, sagt man sich in Wirtschaftskreisen.
Die Kita-Debatte zeigt einmal mehr: Übernimmt der Bund eine Aufgabe, und sei dies auch nur befristet, so wird er sie nicht mehr los. Es ist reihum anerkannt, dass die familienexterne Kinderbetreuung in der föderalistischen Schweiz zu den Aufgaben der Kantone gehört und den Bund nichts angeht. Doch im Parlament scheint der Wille, entsprechend zu handeln, kaum noch vorhanden zu sein. Das zeigt sich auch bei der «Anstossfinanzierung»: Die immer wieder verlängerte Finanzhilfe für Krippen würde eigentlich Ende 2024 auslaufen. Das aber wird nicht geschehen: In der Sommersession dürfte bereits ein weiterer Kredit von 50 Millionen Franken bewilligt werden.