In der Schweiz und in Österreich mischen SVP und FPÖ schon lange mit, in Deutschland gewinnt die AfD an Einfluss. Alle drei Parteien werden oft in einen Topf geworfen, dabei sind die Unterschiede interessanter als die Gemeinsamkeiten.
Gibt es einen Rechtsruck in Europa? Das werden vor allem die Wahlen zum EU-Parlament im Juni zeigen. Was rechte Parteien vereint, ist eine kritische Haltung zum Thema Migration und eine scharfe Rhetorik. Wer näher hinschaut, sieht neben Gemeinsamkeiten aber auch viele Unterschiede. Die drei grossen rechten Parteien in der Schweiz, Deutschland und Österreich sind jedenfalls zu speziell, um sie in einen Topf zu werfen. Das fängt schon mit den Ursprüngen von SVP, AfD und FPÖ an.
Die Gründer: Euroskeptiker, Altnazis und Bauern
Die Ablehnung des Euro und Skepsis gegenüber der EU haben 2013 zur Gründung der Alternative für Deutschland (AfD) geführt. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte während der Euro-Krise direkte Finanzhilfen an Griechenland im Bundestag ausgeschlossen, um dem ersten Rettungspaket für das Land auf einem wenige Stunden später stattfindenden EU-Gipfel dennoch zuzustimmen. Merkels Rechtfertigung, ihre Entscheidung sei «alternativlos», wurde zum Aufhänger für die Namensgebung der Wahlalternative und späteren AfD.
Die AfD begann als wertkonservative Bewegung, die sich vor allem für eine andere Finanz- und Wirtschaftspolitik einsetzte. Später bekamen aber weit rechte und rechtsradikale Positionen mehr Zulauf und Gewicht in der Partei. In ihrer Wähleransprache begreift sich die AfD als Anti-Establishment-Partei. 2017 schaffte sie den Einzug in den Bundestag und ist heute in 14 von 16 deutschen Landesparlamenten vertreten.
Die Freiheitliche Partei Österreich (FPÖ) wurde 1955 als Nachfolgepartei des Verbands der Unabhängigen (VdU) gegründet, der bereits 1949 als politische Vertretung ehemaliger österreichischer Nationalsozialisten und Deutschnationaler entstanden war. Ihr erster Parteichef war Anton Reinthaller, ein ehemaliger SS-Brigadeführer, der für seine nationalsozialistische Betätigung nach dem Krieg verurteilt wurde.
Über Jahrzehnte erreichte die FPÖ bei nationalen Wahlen zwischen 5 und 8 Prozent der Stimmen. Sie wurde sowohl von den Konservativen (ÖVP) wie auch von den Sozialdemokraten (SPÖ) als mögliche Mehrheitsbeschafferin hofiert. Nach Jörg Haiders Machtübernahme 1986 stieg die FPÖ zu einer Vorreiterin der europäischen Rechten auf. Der charismatische Demagoge öffnete sie für neue Wählerschichten, in den neunziger Jahren kam sie so auf über 20 Prozent der Stimmen.
Unter den ÖVP-Kanzlern Wolfgang Schüssel (ab dem Jahr 2000) und Sebastian Kurz (ab 2017) regierten die Freiheitlichen neuerlich auf Bundesebene, die Koalitionen waren aber von Affären geprägt und von eher kurzer Dauer. Bei der im kommenden Herbst anstehenden Parlamentswahl könnte die FPÖ unter Herbert Kickl aber erstmals überhaupt stärkste Kraft werden.
Die Schweizerische Volkspartei (SVP) wurde 1971 gegründet, doch die Parteigeschichte reicht bis 1917 zurück. Damals entstand die Zürcher Bauernpartei. Der Parteienstammbaum ist verzweigt und politisch einigermassen bunt.
Prägende Figur der SVP ist bis heute der Unternehmer und Industrielle Christoph Blocher. Von 1977 bis 2003 war er der Präsident der SVP des Kantons Zürich. Er gab das Amt ab, als er mit knappem Resultat in den Bundesrat gewählt wurde. Der Berner Flügel der SVP galt immer als regierungsnaher als der Zürcher.
Das änderte sich an einem Sonderparteitag im Jahr 2000, der als «Züri-Putsch» in die Partei-Annalen eingehen sollte. Die ganze SVP wurde nun auf den scharfen Zürcher Kurs getrimmt. Sie betrieb fortan Dauerwahlkampf nach amerikanischem Vorbild. Im Jahr 2003 wurde Blocher nicht nur in den Bundesrat gewählt, die SVP errang national einen historischen Sieg und wurde mit einem Wähleranteil von 26,7 Prozent zur stärksten politischen Kraft der Schweiz.
Wirtschafts- und Sozialpolitik: Leistungen primär für Inländer
Die AfD beruft sich auf die Soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard. Sie fordert Steuersenkungen, um Bürger und Mittelstand zu entlasten. Zugleich bekennt sie sich zu Tarifverträgen, Arbeitnehmervertretungen und Mindestlohn. Sozialleistungen sollen beibehalten, für Menschen ohne deutschen Pass aber begrenzt werden. Das Rentenniveau soll durch eine kapitalgedeckte ergänzende Altersvorsorge steigen.
In der Wirtschafts- und Sozialpolitik der FPÖ spiegelt sich ihre Entwicklung von einer Partei der Akademiker und Freiberufler, die seit der Zeit von Haider mehr und mehr zu derjenigen der unteren sozialen Schichten wurde. Die Folge ist ein Spagat zwischen wirtschaftsliberalen Positionen und sozialpolitischen Versprechungen – allerdings nur für Inländer. So plädiert die Partei in ihrem Programm für niedrige Steuern statt Umverteilung und einen schlanken Staat. Vermögens- und Erbschaftssteuern lehnt sie ebenso ab wie eine Senkung der Arbeitszeit oder auch die Energiewende.
Die SVP unterscheidet sich finanz- und wirtschaftspolitisch kaum von der Schweizer FDP. Sie tritt ein für tiefe Steuern und Abgaben, einen liberalen Arbeitsmarkt und einen international offenen und gut vernetzten Finanzplatz. Im Unterschied zu anderen europäischen Parteien am rechten politischen Rand ist die Finanz- und Steuerpolitik der SVP restriktiv. So wehrt sie sich vehement – und mitunter gegen einen beträchtlichen Teil der eigenen Wählerschicht – gegen einen weiteren Ausbau der Sozialwerke.
Aussen-und Sicherheitspolitik: EU-Skepsis als Konsens
Die AfD sieht die Europäische Union als gescheitertes Projekt an und fordert einen «Bund europäischer Nationen» sowie eine Stärkung der Nationalstaaten. Der gemeinsame Binnenmarkt soll aber beibehalten werden. Einen «Dexit», also einen Austritt Deutschlands aus der EU, lehnte Parteichefin Alice Weidel in der Vergangenheit ab. Kürzlich brachte sie dann aber ein Referendum über diese Frage ins Gespräch.
Die AfD inszeniert sich als Friedenspartei gegen «Kriegstreiber», die sie sowohl in der deutschen Regierung als auch in den oppositionellen Unionsparteien CDU und CSU sieht. Sie lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab und tritt für einen Waffenstillstand im russischen Angriffskrieg gegen das Land ein. Die Sanktionen gegen Russland sollen aufgehoben werden.
Die aussenpolitischen Positionen der AfD sind von Antiamerikanismus geprägt. Die Partei verlangt unter anderem den Abzug der amerikanischen Truppen aus Europa. Sie fordert die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht und begrüsst die Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
Die FPÖ verstand sich einst als Europapartei, unter Jörg Haider verlangte sie einen Beitritt zur damaligen EG. Doch als die Regierung diesen Kurs einschlug, vollzog er eine Kehrtwende und warnte vor der Abstimmung 1994 mit einer Angstkampagne vor den Folgen einer Mitgliedschaft. An der EU-Skepsis hat sich seither wenig geändert: Die Freiheitlichen fordern mehr Souveränität für die Nationalstaaten und flirten immer wieder mit einem «Öxit». Explizit verlangen sie einen Austritt Österreichs aus der EU aber nicht, weil diese Position unpopulär ist im Land.
Die wegen des Ukraine-Kriegs verhängten Sanktionen kritisiert die FPÖ scharf, auch weil sie russlandfreundlich ist. Sie schloss 2016 – bereits nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim – einen Freundschaftsvertrag mit Wladimir Putins Partei Einiges Russland ab. Dieser sei inzwischen ausgelaufen, behauptet FPÖ-Chef Kickl zwar. Doch der Vertrag hätte laut Medienberichten gekündigt werden müssen, und es ist unklar, ob das passiert ist.
Um regierungsfähig zu sein, versuchte die FPÖ auch eine Annäherung an Israel. Allerdings kam und kommt es immer wieder zu antisemitischen Eklats von Funktionären, und Israel lehnt deshalb jeden Kontakt ab.
Seitdem die SVP in den früheren 1990er Jahren eine führende Rolle im Kampf gegen den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) einnahm, wehrt sich die Partei gegen eine weitere politische Integration des Landes in Europa. 1992 hatte sich die Schweizer Stimmbevölkerung mit einem Nein-Anteil von 50,3 Prozent gegen den Beitritt gestellt. Heute ist die SVP dagegen, dass die Schweiz als Ersatz für die langsam erodierenden bilateralen Verträge einen institutionellen Vertrag mit der EU eingeht.
Unter der Themenführerschaft von Blocher setzt sich die SVP zudem für eine immerwährende und bewaffnete Neutralität ein. Einige Exponenten in der Partei fallen immer wieder mit prorussischen Positionen auf. Die Haltung der SVP ist aber ambivalent. Sie sieht in Russland den Aggressor im Ukraine-Krieg, will die Schweiz in dem Konflikt jedoch schlicht neutral halten.
Die Wähler: Unzufriedene und «kleine Leute»
Die AfD zielt mit ihrer Ansprache auf die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, besonders mit der deutschen Asyl- und Migrationspolitik. Zunächst zog die Partei vor allem enttäuschte Wähler von CDU und CSU sowie ehemalige Nichtwähler an. Doch zuletzt liefen auch frühere Wähler von SPD, Grünen und FDP in Scharen zur AfD über.
In Ostdeutschland erreicht die Partei heute doppelt so hohe Stimmanteile wie im Westen. In Sachsen und Thüringen war sie bereits bei der Bundestagswahl 2021 stärkste Partei. In beiden Bundesländern stehen im Herbst Landtagswahlen an, und die AfD liegt in den Umfragen beide Male vorne. Gleiches gilt für Brandenburg, wo ebenfalls ein neues Landesparlament gewählt wird. Die Hochburgen der Partei liegen in Regionen, in denen sich viele Menschen wirtschaftlich abgehängt fühlen. Zwei Drittel der AfD-Wähler sind männlich.
Die FPÖ war bis zu ihrer «rechtspopulistischen Wende» unter Haider eine Honoratioren-Partei der Akademiker und Selbständigen. Seither positioniert sie sich als Protestpartei, die lange Zeit mit ihrer Kritik am «rot-schwarzen Machtkartell» Stimmen holte. Sie gewann zunächst vor allem die Stimmen der Arbeiterschaft. Ihr typischer Wähler war bei der jüngsten Nationalratswahl im Jahr 2019 männlich, unter 30 Jahre alt, mit geringem Bildungsniveau und unzufrieden mit der Regierung.
Die SVP gibt sich als Partei der Bauern und der «kleinen Leute». Ihre Kernwählerschaft rekrutiert sich aus Arbeitern und Gewerbetreibenden. Die Wähler der SVP haben zwar seltener einen Hochschulabschluss, aber verdienen im Schnitt deutlich mehr als etwa die Wähler der Grünen in der Schweiz.
Migration und Asyl: ein harter Kurs als bestimmendes Thema
Nach der Euroskepsis ist die Kritik an der Asyl- und Migrationspolitik das bestimmende Thema der AfD geworden. Die Einwanderungspolitik soll sich nach dem Willen der Partei ausschliesslich an der Integrationsfähigkeit und den Bedürfnissen der Wirtschaft orientieren. Beim Thema Staatsangehörigkeit setzt sich die AfD für eine Rückkehr zum «Abstammungsprinzip» ein, wie es in Deutschland bis zum Jahr 2000 galt. Einen Anspruch auf Einbürgerung soll es nicht geben.
Die Partei fordert ständige Grenzkontrollen, um unerlaubte Einreisen zu stoppen. Abgelehnte Asylbewerber will sie konsequent ausschaffen und Asylleistungen reduzieren. Zudem soll der Staat jährlich und über eine Dauer von zehn Jahren prüfen, ob die Gründe für ein gewährtes Asyl noch vorliegen. Es handle sich um ein Recht auf Zeit.
Auch für die FPÖ ist die Zuwanderung das wichtigste Thema – und entscheidend für den Erfolg an den Wahlurnen. Unter der Führung von Kickl hat sich die Position der Partei in diesem Bereich nochmals verschärft: Wie auch die AfD verwendet die FPÖ den von rechtsextremen Kreisen in die politische Debatte gebrachten Begriff «Remigration». Sie fordert eine «Festung Österreich» und einen absoluten «Asylstopp».
Anträge sollten demnach einfach nicht mehr entgegengenommen werden, und bei Straffälligkeit sei ein Asylverfahren abzubrechen oder allfälliger Schutz abzuerkennen. Pushbacks an der Grenze sollen erlaubt werden. Wie sich das alles rechtlich umsetzen liesse, erklärt die Partei nicht. Die FPÖ möchte auch «Österreich ist kein Einwanderungsland» als Staatsziel in der Verfassung verankern.
In der Migrationspolitik unterscheidet sich die SVP kaum von der FPÖ. Sie wehrt sich gegen «unkontrollierte Zuwanderung» von Asylsuchenden, verlangt einen strikteren Grenzschutz und steht der Personenfreizügigkeit, von der die Schweizer Wirtschaft stark profitiert, skeptisch gegenüber. In der Ausländerpolitik setzt sie sich für Verschärfungen des Asylrechts und eine Eindämmung der Zuwanderung ein. Zu ihrem Mantra gehört die Klage einer «Zuwanderung ins Sozialsystem». Viele Mitglieder der SVP zeigen sich zudem klar islamkritisch. Die Initiative für ein Verbot des Baus von Minaretten, die 2009 angenommen wurde, kam mithilfe eines SVP-nahen Komitees zustande.
«Brandmauern» hier, Zusammenarbeit dort
Alle etablierten deutschen Parteien lehnen eine Koalition mit der AfD bisher strikt ab. Der Vorsitzende der Christlichdemokraten, Friedrich Merz, spricht von einer «Brandmauer» zur Rechtspartei – die allerdings in der Kommunalpolitik vielerorts Risse hat. Die AfD wäre hingegen, unter bestimmten Bedingungen, zu Koalitionen mit anderen Parteien bereit.
Die FPÖ wurde dagegen praktisch seit ihrer Entstehung von den beiden einstigen Grossparteien SPÖ und ÖVP als Mehrheitsbeschafferin umworben, um aus dem Korsett der ungeliebten grossen Koalition ausbrechen zu können. 1983 kam es in einer «liberaleren» Phase der Freiheitlichen zu einer ersten Regierungsbeteiligung mit der SPÖ. Die ÖVP koalierte auf Bundesebene zwei Mal mit der FPÖ, nachdem diese schon eine starke rechte Kraft geworden war. Zur AfD hat die FPÖ einen engen Draht.
Die Schweiz kennt kein System der Koalitionen. In den kommunalen, kantonalen und nationalen Parlamenten und Regierungen arbeitet die SVP am engsten mit der FDP zusammen. Das Verhältnis hat in jüngster Zeit aber Risse bekommen. Das Wachstum der SVP ging seit je auch auf Kosten der FDP. International arbeitet die SVP mit keiner anderen Partei zusammen und hält Distanz zu anderen Rechtsparteien.