Trotz Schnee und Eis gehen die Kämpfe zwischen Russland und der Ukraine weiter. Moskau zieht derweil Kriegsmaterial und Truppen aus Syrien ab, die künftig in der Ukraine zum Einsatz kommen dürften.
Seit den ersten Hinweisen auf eine Verlegung nordkoreanischer Soldaten nach Russland vor zwei Monaten ist auffallend wenig über den Einsatz dieser ausländischen Hilfstruppen bekanntgeworden. Nun aber hat die ukrainische Führung erstmals einen grösseren Sturmangriff mit nordkoreanischen Truppen gemeldet. Sie seien in russische Verbände integriert worden und hätten bereits erhebliche Verluste erlitten, teilte Präsident Wolodimir Selenski am Wochenende mit.
Laut Selenski setzt Russland die Nordkoreaner bis jetzt nur in der Grenzprovinz Kursk ein, wo seit August ein rund 500 Quadratkilometer grosses Gebiet unter ukrainischer Kontrolle steht. Die Kiewer Militärführung befürchtet jedoch, dass die Gegner aus Fernost bald auch an anderen Frontabschnitten auftauchen.
Für diese Angaben gibt es bis jetzt keine unabhängige Bestätigung. Seit dem Wochenende kursieren zwar Videos, die angeblich zeigen, wie lange Kolonnen von nordkoreanischen Infanteristen über ein offenes Feld im Gebiet Kursk vorrücken. Aber ihre Nationalität ist nicht erkennbar.
North Korean attack on the Kursk front. Extended video. https://t.co/imqQfHuscF pic.twitter.com/8nAe1iXCm5
— Special Kherson Cat 🐈🇺🇦 (@bayraktar_1love) December 14, 2024
Unabhängig davon sind die dortigen Kämpfe überaus heftig. Ein am Sonntag veröffentlichtes Video einer ukrainischen Aufklärungsdrohne zeigt grausliche Bilder von zwei Dutzend russischer oder nordkoreanischer Leichen, die nebeneinander aufgereiht im Schnee liegen, bereits teilweise eingeschneit.
Regelmässig gelingt es den Ukrainern mit Kamikazedrohnen oder Artillerie, die russischen Vorstösse zu stoppen. Zwar verloren die Ukrainer seit dem Sommer etwa die Hälfte ihrer Eroberungen auf russischem Staatsgebiet, aber in den letzten anderthalb Monaten hat sich die Kursk-Front nur noch geringfügig verschoben. Der Kreml wird sein Ziel, alle ukrainischen Truppen vor Ende Januar aus dieser Provinz zu verdrängen, wohl verfehlen.
Die Lage bei Pokrowsk wird kritisch
Überaus blutige Kämpfe toben auch im Donbass, vor allem um die wichtige Stadt Pokrowsk und ihr Umland. Sie sind für die Ukraine viel bedrohlicher als das Geschehen im Raum Kursk. Nachdem die russische Offensive in Richtung Pokrowsk im Frühherbst praktisch zum Stillstand gekommen war, konzentrierten sich die Angreifer auf die Gebiete südlich davon. Sie versuchen die Stadt dort zu umgehen und damit die Voraussetzungen für einen Zangenangriff zu schaffen. Seit der Eroberung eines Vororts vor einigen Tagen stehen die Russen nun erstmals weniger als zwei Kilometer von der Stadtgrenze entfernt.
Zugleich hat sich weiter südlich ein dreissig Kilometer tiefer Kessel gebildet, in dem die Ukrainer beim Dorf Kurachowe ausharren, aber von drei Seiten beschossen werden und mit der völligen Umzingelung rechnen müssen. Bald könnten in diesem Gebiet deshalb Dutzende von Quadratkilometern verlorengehen. Dies wird die Verteidigung des Knotenpunkts Pokrowsk zusätzlich erschweren.
Ein ukrainischer Offizier namens Stanislaw Bunjatow bedauerte in seinem Militär-Blog, dass sich «alle» bereits mit dem drohenden Fall von Pokrowsk abgefunden hätten. Aber kaum jemand sei sich darüber im Klaren, welche Konsequenzen dies hätte. Bunjatow befürchtet, dass die Bahn danach frei wäre für einen russischen Vorstoss in die angrenzende Provinz Dnipropetrowsk – und damit für zusätzliche Gebietsforderungen des Kremls. Die Ausbreitung des Krieges auf eine weitere Provinz dürfte 2025 tatsächlich zum Thema werden. Derzeit trennen nur noch zehn Kilometer die Russen von der Oblast Dnipropetrowsk.
In dieser Lage hat sich Präsident Selenski entschlossen, den Regionalkommandanten für die Donezk-Front, General Olexander Luzenko, zu entlassen. Nachfolger wird laut inoffiziellen Angaben Olexander Tarnawski, ein sehr erfahrener General, der jedoch im vergangenen Jahr als Befehlshaber bei der gescheiterten ukrainischen Gegenoffensive in der Südukraine einen Misserfolg erlitt.
Zum heftigen Kampfgeschehen gehört, dass sich beide Seiten auch mit Luftangriffen zu schwächen versuchen. Die Ukrainer setzten am Mittwoch erstmals nach mehrwöchigem Unterbruch wieder weitreichende Atacms-Raketen gegen ein Ziel im russischen Hinterland ein. Getroffen wurde ein Militärflugplatz bei der südrussischen Stadt Taganrog. Die Führung in Kiew demonstrierte damit, dass sie die amerikanischen Raketen weiterhin gegen russisches Territorium einsetzen will – ungeachtet der Moskauer Drohung mit vernichtender Vergeltung.
Allerdings folgte bereits am Freitag eine Salve russischer Luftangriffe, mit mehr als 90 Marschflugkörpern und Raketen sowie fast 200 Drohnen. Anlagen der ukrainischen Energieversorgung erlitten schwere Schäden. Gleichentags setzten die Ukrainer ein russisches Tanklager in Brand. Am Sonntag folgte ein Drohnenangriff auf eine Kaserne in der russischen Kaukasusrepublik Tschetschenien, mehr als 800 Kilometer hinter der Front.
🇷🇺❌🇺🇦 Drohnenangriffe auf die #tschetschenische Hauptstadt
Berichten zufolge wurde die tschetschenische Hauptstadt #Grosny Ziel eines Drohnenangriffs. Die Drohnen waren offenbar auf die OMON-Basis sowie das 2. Polizeiregiment der Spezialeinheiten ausgerichtet.
Zusätzlich… pic.twitter.com/GN8lm5R7QF
— Miraculix ✌️🇦🇹 (@Miracul31792832) December 15, 2024
Bei einer kombinierten Aktion von ukrainischen Partisanen und Artilleristen gelang es ferner in der besetzten Südukraine, einen russischen Versorgungszug in Brand zu schiessen. Die wichtigste russische Nachschublinie entlang dem Asowschen Meer dürfte damit für einige Zeit unterbrochen sein.
Near Tokmak, a #ruSSian train with 40 tanks with fuel caught fire…
-best regards from partisans#Ukraine #UkraineruSSiaWar #ruSSia pic.twitter.com/xovGLNt8C2— Kiborgz (@Kiborgzzz) December 15, 2024
Russland zieht Truppen und Material aus Syrien ab
Unterdessen schreitet die Evakuation russischer Truppen aus Syrien voran. Satellitenbilder, Videos und Augenzeugenberichte belegen, dass Russland mehrere Stützpunkte im Innern des Landes räumt, aber vorerst noch die Kontrolle über die Marinebasis Tartus am Mittelmeer und den nahen Flughafen Hmeimim behält. Über Hmeimim wird umfangreiches Kriegsmaterial ausser Landes geschafft; Moskau hat dafür grosse Transportflugzeuge entsandt.
Unter anderem zieht Russland offenbar sein modernes S-400-Flugabwehrsystem ab. Es könnte, wie auch die mehreren tausend bisher in Syrien stationierten russischen Militärangehörigen, künftig im Ukraine-Krieg zum Einsatz kommen. Das wäre allerdings nur eine geringfügige Verstärkung der dortigen Okkupationstruppen.







