Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat seine Blockade eines 50-Milliarden-Euro-Pakets für die Ukraine aufgegeben. Vermutlich spielten dabei massive Sanktionsandrohungen innerhalb der EU eine Rolle.
Die Mitgliedstaaten der EU haben sich am Donnerstag überraschend schnell auf neue Finanzhilfen für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden geeinigt. Bereits eineinhalb Stunden nach Beginn eines Sondergipfels in Brüssel verkündete EU-Rats-Präsident Charles Michel die Nachricht: «Wir haben einen Deal!» Damit war klar, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban nach monatelangem Streit seinen Widerstand gegen das Hilfspaket aufgegeben hatte.
Erste Überweisung im März
Ab März soll die Ukraine nun eine erste Zahlung erhalten – die Rede ist von 4,5 Milliarden Euro –, die das angegriffene Land dringend benötigt, um Gehälter, Pensionen und andere laufende Ausgaben decken zu können. Der ukrainische Premierminister Denis Schmihal bedankte sich umgehend. «Die EU-Mitgliedstaaten zeigen ein weiteres Mal ihre Solidarität und Einigkeit bei den Massnahmen für das ukrainische Volk, um dem Krieg zu widerstehen», schrieb er auf X.
Die Einigung war am Vormittag in kleiner Runde zustande gekommen. Noch vor Beginn des eigentlichen Spitzentreffens hatten sich der Rats-Chef Michel, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Italien mit Orban an einen Tisch gesetzt. Als ein «lässiges Morgengespräch» bezeichnete der Ungar die Runde auf X und postete ein Foto dazu.
Ob die Unterhaltung allerdings wirklich so lässig verlief, ist fraglich. Ein Diplomat berichtet, dass sich der Ministerpräsident angesichts der «sehr klaren Haltung» seiner Gesprächspartner gefügig gezeigt habe. Zuvor hatte man in Brüssel verschiedene Drohungen mehr oder weniger offen kommuniziert. So war der Entzug des ungarischen Stimmrechts im EU-Rat diskutiert worden, und es kursierte ein Rats-Papier, in dem Schwachpunkte der ungarischen Wirtschaft aufgezeigt wurden – was Orban als gezielte «Einschüchterung» interpretierte.
Auch ein Kompromissvorschlag, wonach die EU die Finanzhilfen in vier Tranchen hätte aufteilen und Jahr für Jahr neu beschliessen müssen, ist vom Tisch. Für die anderen Mitgliedstaaten war dieser Vorschlag nicht tragbar gewesen. Vor allem Deutschland und Frankreich pochten darauf, der Ukraine langfristig Unterstützung zuzusichern. Doch völlig leer ging Orban auch nicht aus.
Nach Angaben von Diplomaten wurde vereinbart, dass die Kommission jährlich einen Bericht erstellt, in dem sie über die korrekte Umsetzung des Finanzpakets informiert. Zudem soll der EU-Rat nach zwei Jahren erneut über die Ukraine-Hilfe abstimmen dürfen. Änderungen können dabei aber nur einstimmig von allen 27 Staats- und Regierungschefs beschlossen werden.
Und schliesslich soll in die Gipfelerklärung ein Passus aufgenommen werden, der sich auf den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus bezieht. Dieser wurde 2022 erstmals ausgelöst und hatte zur Folge, dass wegen schwerer Korruptionsvorwürfe mehrere Milliarden Euro an Fördergeldern für Ungarn eingefroren wurden.
Im Text heisst es, dass die Kommission «objektiv, fair, unparteiisch und faktenbasiert» vorgehen werde, wenn sie die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn untersuche. Bisher hat Orban die Brüsseler Bedingungen nicht erfüllt, damit alle Gelder freigegeben werden können. Diese Zusicherungen dürfte Orban aber trotzdem als Erfolg zu verkaufen versuchen.
Über die Finanzhilfen für die Ukraine hätte eigentlich schon an einem EU-Gipfel im Dezember entschieden werden sollen. Damals hatte Orban als Einziger sein Veto eingelegt und einerseits inhaltliche Vorbehalte geäussert, andererseits aber auch darauf verwiesen, dass sein Land ungerecht behandelt werde.
Tusk spricht von «Orban-Müdigkeit»
Klar ist, dass der Ungar im Kreis der EU-Spitzen weitgehend isoliert und der Ton rauer geworden ist. So sagte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk bei seiner Ankunft in Brüssel, er sehe in der Europäischen Union keine «Ukraine-Müdigkeit», aber eine «Orban-Müdigkeit». Bis zur Abwahl der nationalkonservativen PiS-Regierung galt Polen als enger Verbündeter Ungarns.
Neben der Finanzhilfe diskutierten die Gipfelteilnehmer am Donnerstag auch über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell hatte im vergangenen März das Ziel ausgegeben, dem Land innert eines Jahres eine Million Artilleriegranaten zur Verfügung zu stellen, was sich aber als illusorisch erwies. Tatsächlich wurden bisher lediglich 330 000 Granaten geliefert.