Die Aktivisten kritisieren die humanitäre Katastrophe in Gaza. Sie fordern ein Ende der Zusammenarbeit der Uni Genf mit bestimmten israelischen Universitäten – wie schon vor einem Jahr.
Vor genau einem Jahr besetzte die Studentengruppe Coordination Étudiante pour la Palestine ein Gebäude der Genfer Universität. Am Jahrestag sind die Aktivisten nun zurückgekehrt: Am Mittwochmittag nahmen sie die Aula desselben Gebäudes in Beschlag. Sie veranstalteten eine «Volksküche» und hängten Banner auf mit Slogans wie «Free Palestine» und «Stop genocide».
An einer Pressekonferenz am Abend bekräftigte die Gruppe vor mehr als 100 Studenten und Sympathisanten ihre zentrale Forderung: Die Uni Genf solle sofort die Zusammenarbeit mit israelischen Institutionen beenden, die angeblich am «Genozid, an der Apartheid und der Kolonialisierung in Palästina» beteiligt sind. Namentlich nannte ein Redner insbesondere die Hebräische Universität Jerusalem und die Universität Tel Aviv. Zudem soll die Uni Genf ein Ende solcher Zusammenarbeiten von allen Schweizer Universitäten und dem Hochschulverband Swissuniversities fordern.
Ein Redner zitierte aus einer E-Mail der Gruppe an das Uni-Rektorat. Darin verwiesen die Aktivisten auf die humanitäre Katastrophe in Gaza, die sich seit Anfang März, seit der israelischen Totalblockade von Hilfslieferungen, weiter verschlechtert. Der Redner zitierte Zahlen der Uno, laut denen Israel knapp 90 Prozent der Schulen in Gaza teilweise oder komplett zerstört hat, was die Bildung von 685 000 Kindern verschlechtere. Zudem sind bei den Angriffen laut Uno-Zahlen insgesamt mehr als 13 000 Schüler und Studenten getötet worden.
Im Gespräch sagten Vertreter der Coordination Étudiante, sie gingen davon aus, dass die Besetzung während der Nacht auf Donnerstag andauern werde. Den Entscheid sollte später am Abend das Plenum fällen. Zur Begründung für die geplante nächtliche Besetzung sagte eine junge Frau, die anonym bleiben wollte, dass Sicherheitskräfte andernfalls wohl die Sofas und das sonstige Material der Besetzer räumen würden.
Ausserdem bestehe das Risiko, dass die Universitätsleitung danach nur noch berechtigte Personen mit Zutrittsbadge in das Gebäude lasse, sagte die Frau. Das könnte die Mobilisierung schwächen, auch wenn der Grossteil der Teilnehmer Studenten der Universität Genf seien.
Die Universität reagierte auf NZZ-Anfrage am Abend zunächst nicht. Die Aktivisten hatten zunächst nach eigenen Angaben nur zwei kurze Antworten des Rektorats erhalten: Die Besetzer sollten die Nutzung der Aula im Reservierungssystem der Uni beantragen und das Gebäude bis 15 Uhr verlassen, hiess es laut einem Screenshot in einer ersten E-Mail. In einer zweiten E-Mail verlängerte ein Vizerektor die Frist bis 17 Uhr und drohte andernfalls damit, die Polizei zu rufen.
Doch von der Polizei war auch am frühen Abend nichts zu sehen. Lediglich ein Dutzend Mitarbeiter eines Sicherheitsdiensts standen am Rande der beiden Haupteingänge des besetzten Gebäudes und beobachteten das Geschehen. Zwei der Mitarbeiter sprachen von einer «ruhigen» Lage.
Auf Anfrage des Portals «Watson» hatte die Universität am Nachmittag lediglich mitgeteilt, dass sie die Situation beobachte. Vor einem Jahr hatte die Leitung die Besetzung im Namen der Neutralität lange geduldet. Nach einigen Tagen schliesslich rief sie die Polizei zur Räumung des Gebäudes.
2024 hatten propalästinensische Aktivisten zunächst die Universität Lausanne besetzt. Dann breitete sich die Bewegung unter anderem auf Genf, Freiburg und die Deutschschweiz aus.