Früher als angekündigt hat Polen mit dem Bau seines sogenannten Ostschilds an den Grenzen zu Russland und Weissrussland begonnen. Das Land will sich damit für das schlimmste Szenario wappnen.
Polens Regierungschef Donald Tusk hat am vergangenen Wochenende an der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad (dt. Königsberg) eine erste Etappe des sogenannten Ostschilds der polnischen Armee eingeweiht. Es handelt sich dabei um rund 700 Kilometer Betonsperren und weitere Einrichtungen, die allfällige Angreifer an der polnisch-russischen und der polnisch-weissrussischen Grenze abschrecken oder zumindest bei ihrem Vormarsch verlangsamen sollen.
Baubeginn im Geheimen
«Ganz Europa wartet auf uns und wünscht uns viel Glück beim Bau», sagte Tusk im Grenzdorf Dabrowka, rund 15 Kilometer nordöstlich von Wegorzewo, dem einstigen Angerburg in Ostpreussen. Er stand vor einer Reihe stählerner Panzersperren, die auf den abgemähten Getreidefeldern aufgestellt worden waren. Tusk hatte seinen Infrastrukturminister Dariusz Klimczak in das abgelegene Gebiet im Norden der Masurischen Seenplatte mitgebracht. Die Massnahmen sollen offenbar auch Arbeitsplätze in das arme, von Landwirtschaft geprägte Gebiet bringen. Die Region gilt selbst in der touristischen Hochsaison als verschlafen. Zwischenfälle mit russischen Bürgern oder mit im Rahmen von Moskaus hybrider Kriegsführung gegen Polen eingesetzten Migranten sind hier äusserst selten.
Dennoch hatte die Mitte-links-Regierung von Tusk im Mai bekanntgegeben, dass die 232 Kilometer lange Grenze zu Russland und die 418 Kilometer lange zu Weissrussland in den nächsten vier Jahren durch den Bau von Infrastruktur und dank der Installation elektronischer Überwachungs- und Abwehrgeräte besser gesichert werden sollen. Geplant ist laut Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz zudem ein ausgeklügeltes System von Anti-Panzer- und Drohnenabwehranlagen. Diese sollen im Hinterland mit Armeeunterständen und Bunkern für Soldaten und Zivilisten ergänzt werden. Offiziell hiess es, die Baumassnahmen sollen im Januar 2025 beginnen. Doch offenbar war die Regierung schon in den letzten Monaten aktiv.
Auch an der bisweilen unruhigen Grenze zu Weissrussland, die über rund 200 Kilometer entlang des Flusses Bug verläuft, wurde der von der Vorgängerregierung gebaute 5,5 Meter hohe Metallzaun in den letzten Monaten verstärkt. Derzeit werden dort jede Nacht etwa dreissig Personen festgenommen, die versuchen, den Zaun zu überqueren oder sich unter ihm durchzubuddeln. Dabei handelt es sich meist um Migranten aus arabischen Staaten, Asien oder Afrika, die oft via Moskau nach Weissrussland geschleust worden sind.
Vorbereitungen auf das Schlimmste
Bis 2028 sollen laut Tusk umgerechnet rund 2,2 Milliarden Franken in die neuen militärischen Schutzmassnahmen investiert werden. «Ich garantiere, dass es zu keinen Umsiedlungen kommt», versicherte Tusk. Wie das bei diesen Plänen – etwa mehrere Reihen Panzersperren und Minenfelder – möglich sein soll, ist unklar. Denn an mehreren Stellen reichen polnische Grenzdörfer wie etwa Szczurkowo (einst dt. Schönbruch) direkt an den bereits bestehenden Grenzzaun.
«Je besser die polnische Grenze geschützt wird, desto grösser ist die Friedensgarantie», sagte Tusk. Polens Regierung beruft sich dabei implizit auf Warnungen aus Nato-Kreisen, wonach Putin ab dem Jahr 2029 für einen Angriff auf die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland sowie auf die Suwalki-Lücke in Polen bereit ist. Diese Vorhersagen gehen vom Zusammenbruch der im Februar 2022 von Russland angegriffenen Ukraine aus. Warschau will es – wie die Balten – so weit nicht kommen lassen und arbeitet laut Tusk bei den Grenzbefestigungen eng mit den drei Ländern zusammen. Polens Nachbarland Litauen, das ebenfalls eine Staatsgrenze mit der russischen Exklave Kaliningrad teilt, hat bereits vor einigen Jahren mit Grenzbefestigungen begonnen. Diese sollen ebenfalls ausgebaut werden.