Franziskus war zwar von seiner Krankheit gezeichnet, doch sein plötzlicher Tod am Ostermontag hat alle überrascht. Rom steht vor herausfordernden Wochen.
Noch einmal hatte er seine letzten Kräfte mobilisiert und sich am Ostersonntag den Gläubigen auf dem Petersplatz gezeigt. Doch dann kam am Montagmorgen die überraschende Nachricht: Der Papst ist gestorben. Um 7 Uhr 35 sei «der Bischof von Rom, in das Haus des Herrn zurückgekehrt», sagte Kardinal Kevin Farrell, der päpstliche «Camerlengo», zu Deutsch: Kämmerer. Diesem kommt im Todesfall eines Papstes eine wichtige Rolle zu: Er stellt offiziell den Tod des Papstes fest und übernimmt während der Übergangsphase bis zur Wahl des neuen Papstes die Verwaltung der Kirche.
Bei seinem letzten Auftritt am Sonntag wirkte der argentinische Papst zwar angeschlagen. Den Ostersegen «Urbi et Orbi» spendete er mit brüchiger Stimme. Die Ansprache vom Balkon des Petersdoms liess er von seinem Zeremonienmeister, Erzbischof Diego Giovanni Ravelli, verlesen. Der Ostermesse am Vormittag war er ferngeblieben, jedoch traf er an seinem Wohnsitz im Gästehaus Santa Marta im Vatikan noch kurz mit dem amerikanischen Vizepräsidenten J. D. Vance zusammen.
Spekulationen um die Todesursache
Niemand hätte zu diesem Zeitpunkt damit gerechnet, dass der Tod des Papstes unmittelbar bevorstehen würde. Ja, es schien, als hätte er sich von der schweren Atemwegsinfektion sogar einigermassen erholt. Vor wenigen Tagen liess er sich im Rollstuhl von seinem Krankenpfleger durch den Petersdom führen. Dabei trug er schwarze Hosen und einen Poncho aus seinem Heimatland – ein ganz und gar unkonventioneller Auftritt für einen Papst. Auch in seiner letzten Lebensphase blieb der 266. Pontifex sich selbst treu.
Den Tod hatte er sich freilich so gewünscht, wie er nach den vorliegenden Informationen nun gekommen ist: Plötzlich und rasch. Er habe eine «pragmatische Einstellung» zu seinem Tod, hielt er in seiner Autobiografie fest, und den Herrn «um Gnade gebeten»: «Nimm Dich meiner an. Es geschehe, wann immer Du willst. Aber Du weisst ja, dass ich einigermassen zimperlich bin, was körperliche Schmerzen angeht . . . Also bitte, mach, dass es nicht allzu weh tut.»
Zur Todesursache liegen keine bestätigten Informationen vor. Gemäss Medienberichten soll Franziskus einen Schlaganfall als Folge von schweren Herz-Kreislauf-Problemen erlitten haben. Tatsache ist, dass sich der Papst nach seinem langem Spitalaufenthalt in diesem Frühjahr nur bedingt die Schonung auferlegt hatte, welche die Ärzte ihm nach dem Austritt aus der Gemelli-Klinik dringend empfohlen hatten. Noch am Ostersonntag nahm er ein Bad in der Menge. Die Nähe zu den Gläubigen war ihm stets ein Anliegen.
Detailliertes Ablaufprotokoll
Es war Franziskus’ Weg. Jedes Pontifikat hat seine eigene Leidens- und Sterbensgeschichte. Die Spätphase von Johannes Paul II. war geprägt von langer, öffentlich inszenierter Agonie; Benedikt XVI. entschied sich für einen vorzeitigen Rücktritt, als er seine Kräfte schwinden sah. Franziskus wiederum nahm die Krankheit an und ging für einen Papst ungewöhnlich offen damit um. Während er im Spital lag, liess er täglich verkünden, wie es um seine Gesundheit stehe.
Nun schlägt im Vatikan gleichsam die Stunde Null. «Nichts wird mehr so sein wie vorher, für die Kirche und für uns alle», schreibt der «Corriere della Sera». «Franziskus wollte bis zur letzten Minute Papst sein, und er hat es geschafft.»
Mit seinem Stil, seiner Bescheidenheit und seiner leutseligen Art kam er bei den Gläubigen und ausserhalb der römischen Kurie gut an. Er sei ein sehr guter Papst gewesen, sagt Rosalia, 32, die am Montagnachmittag auf dem Petersplatz in Rom den Rosenkranz betet. Rosalia stammt aus den Philippinen und lebt seit zwei Jahren als Nonne in Rom. Sie sei sehr traurig über Franziskus’ Tod. Er habe sehr viel geändert und die Kirche für alle geöffnet. Rosalia hofft, dass die Kirche auf seinem Weg weitergehe und sich nicht wieder verschliesse.
Im Übrigen herrscht auf dem Petersplatz am Montag noch keine grosse Trauerstimmung. In den nächsten Stunden und Tagen dürfte sich die Szenerie indessen ändern. Für den Montagabend war ein Rosenkranz-Gebet vor dem Petersdom angekündigt, und ab Mittwoch soll der Sarg mit Papst Franziskus dort aufgebahrt werden.
Die Aufbahrung ist Teil eines detaillierten Ablaufprotokolls, das die katholische Kirche nach dem Tod eines Papstes vorsieht. Im Unterschied zu seinen Vorgängern wird Franziskus aber nicht im Petersdom beigesetzt. Seinem Wunsch entsprechend, wird er in der Basilika Santa Maria Maggiore zur letzten Ruhe gebettet. Diese liegt in der Nähe des Römer Bahnhofs Termini und damit ausserhalb der vatikanischen Mauern. «Der Vatikan ist mein letzter Arbeitsplatz auf Erden, aber nicht der Wohnort für die Ewigkeit», hat Franziskus in seiner Autobiografie geschrieben. Das Datum der Beisetzung steht noch nicht fest.
Parallel dazu beginnt das Verfahren zur Regelung der Übergangsphase im Vatikan. Im Kirchenrecht wird diese Phase als «Sedisvakanz» bezeichnet: Alle Dikasterien der Römischen Kurie, vergleichbar mit den Ministerien einer Regierung, stellen ihre Funktionen ein und die Inhaber der jeweiligen Ämter scheiden aus dem Amt aus. Die Zuständigkeiten gehen weitgehend auf den Camerlengo über, also auf Kardinal Farrell.
Auftakt zum Konklave
Schliesslich setzt der Prozess zur Wahl des Nachfolgers ein. In den nächsten Tagen werden fast alle Kardinäle der katholischen Kirche in Rom eintreffen. Diejenigen, die noch nicht achtzig Jahre alt sind, gelten als wahlberechtigt. Insgesamt zählt die Kirche momentan 252 Kardinäle aus 86 verschiedenen Ländern, 135 von ihnen sind wahlberechtigt. Die grosse Mehrheit von ihnen hat Papst Franziskus selber ernannt.
Die Kirche schreibt vor, dass das Konklave zwischen 15 und 20 Tagen nach Beginn der Sedisvakanz beginnt. Theoretisch ist ein früherer Termin möglich, dann nämlich, wenn alle unter 80-jährigen Kardinäle in Rom anwesend sind.
Dann nimmt das Wahlverfahren in der Sixtinischen Kapelle seinen Lauf. 2013 nahm die Wahl fünf Wahlgänge in Anspruch, und das Konklave dauerte knapp 27 Stunden; 2005 waren es nur vier Wahlgänge, und das Konklave dauerte etwa 24 Stunden. Dekan des Kardinalskollegiums ist der 91-jährige Giovanni Battista Re, der aufgrund seines Alters die Papstwahl selbst nicht mehr leiten kann. Zum Zug kommt damit Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der dienstälteste Kardinal aus der Ordnung der Kardinalbischöfe. Parolin selbst gilt als einer der Favoriten bei der Papstwahl – eine besondere Konstellation.
Als weitere Favoriten werden in Rom der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich, der philippinische Kardinal Luis-Antonio Tagle oder der Erzbischof von Bologna, Kardinal Matteo Zuppi, genannt. Ein gut informiertes konservatives amerikanischer Portal zählt sogar den Schweizer Kardinal Kurt Koch zu den 22 bestplatzierten Papabili. Die nächsten Tage werden zeigen, in welche Richtung das Konklave tendiert.
Das Konklave findet hinter verschlossenen Türen und strengster Abschirmung statt. Ort ist die Sixtinische Kapelle, die Privatkapelle der Päpste im Apostolischen Palast. Erreicht ein Kandidat die Zweidrittelmehrheit, wird er gefragt, ob er die Wahl annimmt und welchen Namen er für sich wählt. Mit seinem «Ja» ist er Papst. Während aus dem Ofenrohr weisser Rauch aufsteigt, legt der neue Bischof von Rom in einer Kammer neben der Sixtinischen Kapelle eines von drei bereitliegenden päpstlichen Gewändern an. Danach ziehen der Papst und die Kardinäle zur etwa 200 Meter entfernten Mittelloggia des Petersdoms, auf der Papst Franziskus noch zu Ostern, am letzten ganzen Tag seines Lebens, den Segen Urbi et Orbi gespendet hat. Dort wird mit einer feierlichen Formel auf Latein der Name des neuen Papstes verkündet.