Die Stimmbevölkerung des Kantons Zürich entscheidet am 3. März, ob der Flughafen zwei von drei Pisten verlängern darf. Die wichtigsten Antworten.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Flughafen Zürich sollen zwei der drei Pisten verlängert werden. Dies mit dem Ziel eines stabileren Betriebs mit weniger Konzeptwechseln.
- Kritiker sprechen von einem Ausbau und zusätzlichen Emissionen. Die Regierung versichert jedoch, dass die Pistenverlängerungen nicht zu einer Steigerung der Anzahl Flugbewegungen führt. Der stabilere Betrieb soll im Gegenteil zu weniger Verspätungen am Abend führen.
- Die Kosten von 250 Millionen Franken trägt die Flughafen Zürich AG.
Weil beide Pisten zu kurz sind für ihren jeweiligen Verwendungszweck. Das Pistensystem in Kloten ist historisch gewachsen, es wurde seit rund 50 Jahren nicht mehr angetastet. Nun brauche es eine leichte Anpassung, begründen die Flughafen-Verantwortlichen das Vorhaben. Ziel sei ein stabilerer Betrieb vor allem abends.
Der Flughafen Zürich verfügt über drei Pisten. Bezeichnet sind sie nach den Gradzahlen, wobei jeweils die Richtung, in welche sich das Flugzeug bewegt, entscheidend ist. Deshalb hat jede Piste eine Doppelbezeichnung. Im Falle Zürichs spricht man von den in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Pisten 16/34 und 14/32 sowie der in Ost-West-Richtung verlaufenden Piste 10/28. Die beiden Letzteren sollen verlängert werden.
Hier geht es in erster Linie um die Anflüge abends von Osten her. Weil die Piste relativ kurz ist, weigern sich manche Piloten schwerer Maschinen, sie bei Nässe zu benutzen, und verlangen den Anflug von Süden her. Einem solchen Wunsch müssen die Fluglotsen entsprechen. Somit muss das gesamte Betriebskonzept des Flughafens umgestellt werden. Verspätungen sind die Folge. Mit einer längeren Piste sollen alle Maschinen bei fast allen Bedingungen landen können. Das bedeutet weniger Konzeptwechsel und gemäss Angaben des Flughafens weniger Verspätungen.
Bei dieser Piste geht es um den Start Richtung Norden, wie er im Ost-Konzept zu den deutschen Sperrzeiten praktiziert wird. Heute ist die Startpiste 32 zu kurz für manche Flugzeugtypen. Sie müssen auf die nicht ganz parallel verlaufende Piste 34 ausweichen. Auf dem Weg zum Start sowie beim Start müssen die Maschinen Pisten am Boden kreuzen. Das ist mit Blick auf die Sicherheit nicht optimal und kostet Zeit.
Die Gegner der Verlängerungen sprechen konsequent von einem Ausbau. Der Flughafen insgesamt wolle wachsen, und die Pistenverlängerungen seien Teil dieses Pakets. Jede Optimierung am System führe über kurz oder lang zu Kapazitätssteigerung. Die Flughafenverantwortlichen stellen mehr Flugverkehr als Folge der Pistenverlängerung hingegen klar in Abrede. Es gehe darum, den Betriebsablauf besser zu machen. Dies werde zu weniger Verspätungen und somit weniger Fluglärm in den Abendstunden führen.
Weil sie praktisch nur abends einen Effekt haben. Und in den Abendstunden ist ein Ausbau ausgeschlossen, weil strenge Lärmschutzvorgaben gelten. Fakt ist, dass der Flughafen heute gehalten ist, die Zahl der Flüge nach 23 Uhr deutlich zu reduzieren. Eine Lockerung der Lärmschutzvorgaben ist nicht abzusehen.
Weil der Flughafen im Normalbetrieb von Norden angeflogen wird, und in diesem Regime spielen die Pistenverlängerungen keine Rolle. Bei den Verlängerungen geht es vielmehr um das sogenannte Ost-Konzept, mit Anflügen von Osten her. Dieses Konzept soll stabiler werden. Das Ost-Konzept gilt nur abends ab 21 Uhr (an Wochenenden ab 20 Uhr), weil dann Deutschland den Luftraum im Norden für Anflüge sperrt. Tagsüber wird zudem bei starkem Westwind kurzzeitig auf das Ostkonzept umgestellt.
Grundsätzlich ja. Sie soll von 66 auf 70 Flugbewegungen pro Stunde steigen. Es wäre dies eine Rückkehr zur Zahl, die vom Bund eigentlich vorgesehen ist, aus technischen Gründen aber nicht mehr ganz ausgeschöpft werden kann. Erreicht werden soll dies mit Schnellabrollwegen (bereits erstellt) sowie der Entflechtung von Anflugrouten in grosser Höhe (noch nicht umgesetzt).
Kritiker des Vorhabens sagen: Ja. Sie verweisen dabei auf den Projektbeschrieb des Flughafens für das Plangenehmigungsgesuch an den Bund. Dort werden die Pistenverlängerungen tatsächlich in Zusammenhang mit der Steigerung der Anzahl Flugbewegungen genannt. Allerdings geht es dabei ausdrücklich um die Stabilisierung des Betriebs. Die Flughafenverantwortlichen sagen, einen Zusammenhang zur Anzahl Flugbewegungen gebe es schon deshalb nicht, weil das Ost-Regime nur abends zum Einsatz komme.
Der Flughafen hat das Vorhaben ausgearbeitet. Nun ist die Politik am Zug. Im Sommer 2023 hat der Zürcher Kantonsrat dem Vorhaben nach acht Stunden Debatte und 81 Wortmeldungen zugestimmt. Gegen diesen Entscheid haben die linken Parteien sogleich das Behördenreferendum ergriffen und zusätzlich ein Volksreferendum lanciert. Nun kommt es am 3. März 2024 zur Volksabstimmung.
Korrekt ist, dass die Flughafenverantwortlichen mit 50 Millionen Passagieren rechnen, die ab Mitte des Jahrhunderts über Zürich fliegen. Sie stellen jedoch in Abrede, dass dies ein Ziel sei, vielmehr bilde man die erwartete wachsende Nachfrage ab, unter anderem als Folge des Bevölkerungswachstums. Heute liegt die Zahl der Passagiere deutlich tiefer; im Rekordjahr 2019 waren es rund 30 Millionen jährlich. Das zusätzliche Wachstum soll in erster Linie durch grössere Flugzeuge aufgefangen werden.
Seitens der Kritiker gibt es dazu grundsätzliche Skepsis. Hält man sich allerdings die Entstehungsgeschichte des Bauprojekts vor Augen, ist das Sicherheitsargument glaubhaft. Nach einem Beinahe-Crash 2011 hatte der Bund eine Sicherheitsüberprüfung angeordnet. Die Verlängerungen sind eine von mehreren Empfehlungen daraus.
Nein. Aber die Infrastruktur des Flughafens Zürich ist im internationalen Vergleich tatsächlich kompliziert: Gekreuzt angeordnete Pisten, Sperrzeiten des deutschen Luftraums, spezielle Windverhältnisse, topografische Hindernisse und schliesslich die politische Vorgabe, Siedlungsgebiet möglichst schonend zu überfliegen. Die Folge sind zahlreiche Kreuzungspunkte am Boden und in der Luft. Zudem muss der Flughafen zwischen mehreren An- und Abflugregimen hin und her wechseln. Es ist glaubhaft, dass alles, was diese Komplexität verringert, der Sicherheit dient.
Im Falle der Piste 14/32 im Norden ist der Eingriff gering. Die 60 Meter breite und 36 Zentimeter dicke Piste wird um 280 Meter auf 3580 Meter verlängert. Heute befindet sich dort eine Wiese. Deutlich aufwendiger ist der Eingriff im Westen bei der Piste 10/28 mit einer Verlängerung von 400 auf 2900 Meter. Hier ist die Glatt im Weg. Die Pistenverlängerung würde dazu genutzt, die Glatt auf einer Länge von einem Kilometer zu renaturieren.
Nein, aber die Lärmbelastung verändert sich. Der Osten wird abends stärker be-, der Süden entlastet. Damit wird umgesetzt, was bereits heute eigentlich gilt, aber aus technischen Gründen nicht umgesetzt werden kann. Lokal gibt es im Norden des Flughafens minime Verschiebungen bei der Lärmbelastung, wenn schwere Langstreckenflugzeuge nicht mehr von Piste 34, sondern von Piste 32 starten.
Technisch gesehen ja. Politisch wäre dies heikel, weil dann der Osten morgens wie abends stark belastet würde. Der Bund hat die Anflugrouten vorgegeben. Eine Anpassung wäre ein enorm langwieriger Prozess und ist derzeit kein Thema.
250 Millionen Franken. Teuer ist vor allem der Ausbau im Westen mit der Glatt-Verlegung. Dieser Betrag wird von der Flughafen Zürich AG mit den Einnahmen aus den Flughafengebühren getragen. Steuergelder werden keine verwendet. Der Betrag entspricht ungefähr dem, was der Flughafen jährlich in Unterhalt und Erneuerung der Infrastruktur investiert.
Nein. Zwar hat der Flughafen mehrere Konstruktionsfehler, doch mit diesen muss man leben. Beispielsweise hat man sich in den siebziger Jahren fatalerweise dafür entschieden, die beiden in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Pisten nicht parallel, sondern V-artig anzulegen, was zu vielen Kreuzungspunkten führt. Wollte man dies korrigieren und die Piste anders ausrichten, müsste man massiv ins Siedlungsgebiet eingreifen und unter anderem eine Autobahn verlegen. Ein illusorischer Gedanke.
Der heutige Betrieb am Flughafen Zürich mit sich kreuzenden Pisten sowie dem häufig notwendigen Wechsel zwischen den verschiedenen Betriebskonzepten stellt eine grosse Herausforderung für die Flugsicherung dar. Die Verlängerung der Pisten 28 und 32 soll den Betrieb stabilisieren und damit die Anzahl Verspätungen am Abend reduzieren. Die Massnahme ist eine Empfehlung aus einer Sicherheitsüberprüfung durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt. Die geschätzten Gesamtkosten von rund 250 Millionen Franken werden von der Flughafen Zürich AG getragen
Sachliche Gründe, die gegen die Verlängerung sprechen würden, liegen nicht vor. Vor allem die von den Gegnern geschürte Diskussion um Sinn und Unsinn des Wachstums am Flughafen führt in die Irre. Denn die Anzahl Flugbewegungen bleibt durch das Projekt unberührt. Ein stabilerer Betrieb bringt nicht mehr, sondern weniger Belastungen durch Fluglärm in den Abendstunden. Die NZZ empfiehlt ein Ja.