Frankreich und Grossbritannien schmieden Pläne für eine europäische Koalition, die einen Waffenstillstand militärisch überwachen würde. Doch die Skepsis im Osten Europas ist gross.
Der französische Präsident Emmanuel Macron und die polnische Staatsspitze haben am Donnerstag bei einem Treffen ihre gemeinsame Unterstützung für die Ukraine bekräftigt. «Heute sind wir wie ein Team», sagte Polens Ministerpräsident Donald Tusk. Kiew brauche einen gerechten Frieden – zu Bedingungen, welche die Ukraine selbst bestimme. Dies müsse Europa sicherstellen.
Dennoch hätte sich Macron mehr Konkretes erhofft vom Treffen als solche Floskeln: Er war nach Warschau gereist, um den Nato-Verbündeten bei seinen Plänen zum Aufbau einer ausländischen Schutztruppe an Bord zu holen. Diesem Ansinnen erteilte Tusk eine klare Absage. «Solche Aktionen planen wir derzeit nicht», richtete er dem Franzosen aus.
Macrons verteidigungspolitischer Versuchsballon
Die öffentliche Diskussion um ausländische Truppen in der Ukraine steht unter dem Eindruck der sich verschlechternden Situation an der Front. Erstmals erwähnte sie Macron im Februar dieses Jahres. Drei Monate später konkretisierte der französische Präsident, eine solche Präsenz könnte nötig werden, falls Russlands Streitkräfte die ukrainischen Linien durchbrächen und die Verteidiger zu einem grösseren Rückzug zwängen. Sein Aussenminister meinte jüngst prägnant, jeder Kilometer, den Moskau vorrücke, bringe die Bedrohung einen Kilometer näher an die EU.
Mit Donald Trumps Wahlsieg hat die Frage nach Europas Rolle noch an Dringlichkeit gewonnen. Der Republikaner will in der Ukraine auf einen raschen Waffenstillstand hinarbeiten. Auch wenn viele Details unklar bleiben, ist in seinem Umfeld immer wieder von einem Einfrieren des Konflikts entlang der bestehenden Front die Rede. Die USA wollen aber keine eigenen Truppen entsenden, um diese Linie zu bewachen. Vielmehr sollen nach Washingtoner Vorstellungen offenbar die Europäer diese undankbare und gefährliche Aufgabe übernehmen.
Macron, der seit Jahren eine von den Amerikanern unabhängigere sicherheitspolitische Rolle für den alten Kontinent fordert, sieht sich nun als Anführer einer Koalition der Willigen. Sie soll die Schutztruppe für die Ukraine stellen, weil die Nato angesichts des Widerstands aus mehreren Hauptstädten als Akteur ausfällt. Seit dem Spätherbst hat der Franzose Grossbritannien, Skandinavien und das Baltikum bereist, um Partner zu finden. Am konkretesten sind die Pläne einer Kooperation mit den Briten, der zweiten Atommacht in Europa.
Verschiedene Experten berichten, dass London und Paris Optionen diskutieren, wie eine Truppe in die Ukraine entsendet werden könnte. Sie soll Russland im Falle eines Waffenstillstands von weiteren Angriffen abschrecken. Die Rede ist von fünf Brigaden, die in verschiedenen Teilen der Ostukraine stationiert würden. Schätzungen gehen von zwischen 25 000 und 40 000 Soldaten aus. Für jeden Verband würde ein Land der Koalition als Führungsnation agieren.
Der ukrainische Präsident hat kürzlich signalisiert, dass er ein solches ausländisches Truppenkontingent als Sicherheitsgarantie verstehen würde. Russland lehnt die Idee ab.
Skepsis in Osteuropa und den USA
Briten und Franzosen wünschen sich Polen als Partner, da das Land über eine starke Armee verfügt und die Ukraine unterstützt. Warschau reagierte allerdings nicht erst am Donnerstag reserviert. Exponenten der Regierung, unter ihnen auch der Verteidigungsminister, haben die Entsendung polnischer Truppen ins Kriegsland explizit ausgeschlossen. Er halte auch ein Agieren einzelner Länder ausserhalb von Nato-Strukturen für nicht zielführend, sagte Wladyslaw Kosiniak-Kamysz jüngst. Die Haltung ist konsequent: Polen setzt seit dem Ende des Kalten Krieges auf die USA als Sicherheitsgarant und bleibt stets skeptisch gegenüber europäischen Militärinitiativen.
Die Zurückhaltung teilen die Polen mit den Balten; auch sie zweifeln die Durchsetzungskraft des politisch angeschlagenen Macron an. Klar ist ebenso, dass die Europäer ohne logistische Unterstützung, Aufklärung und Munition aus den USA eine solche Mammutaufgabe kaum bewältigen können. Auch brauchte es die Teilnahme Italiens, Deutschlands und der Niederlanden, die bisher ebenfalls abseitsstehen. Sie sind nicht die Einzigen in Europa, die das politische und militärische Risiko einer solchen Mission scheuen.
Der Militärexperte Franz-Stefan Gady, der am Donnerstag von einer Sicherheitskonferenz in Litauen zurückgekehrt ist, stellte dort dennoch einen breiten Konsens über die Notwendigkeit einer europäischen Einsatztruppe fest: «Ohne mehr Abschreckung und Sicherheitsgarantien ist bei einem Waffenstillstand ein grösserer Nachfolgekrieg sehr wahrscheinlich.» Diese Ausgangslage dürfte dazu führen, dass die Europäer trotz allen Zweifeln ihre Pläne für eine Militärmission in der Ukraine weiterverfolgen.








