Hat Polen im Zusammenhang mit der Sprengung der Pipelines die Ermittlungen behindert? Regierungschef und Präsident halten sich bedeckt.
In Polen haben sich am Wochenende die liberale Regierung und der konservative Präsidentenpalast in seltener Einmütigkeit gegen deutsche Kritik an der angeblich mangelnden Ermittlungshilfe im Falle der Sabotage der Nord-Stream-Pipelines gestemmt. Drei der vier Pipelineröhren zwischen Russland und Deutschland waren Ende September 2022 von einer bisher unbekannten Täterschaft auf dem Ostseegrund gesprengt worden. Doch laut den jüngsten Aussagen des früheren deutschen Geheimdienstchefs August Hanning sollen Warschau und Kiew bei dem Anschlag zusammengearbeitet haben. Sowohl Polen wie die Ukraine haben dies immer wieder bestritten.
«An alle Initiatoren und Förderer von Nord Stream 1 und 2: Das Einzige, was ihr heute tun solltet, ist, sich zu entschuldigen und zu schweigen», schrieb der Regierungschef Donald Tusk am Samstag auf X in einem ungewohnt genervten Tonfall auf Englisch. Der Vorsitzende des nationalen Rats für Sicherheit im Präsidentenpalast, Jacek Siewiera, fügte sofort an: «Schlechte Nachricht für die Angesprochenen: In Polen gibt es einen felsenfesten Konsens über diese Angelegenheit.» Dazu fügte der Vertraute des Staatspräsidenten Andrzej Duda einen zwinkernden Smiley hinzu.
Langjährige polnische Warnungen
Polen hatte seit der prowestlichen Orangen Revolution in der Ukraine vor dem 2005 angeschobenen Projekt Nord Stream 1 (Eröffnung 2012) gewarnt und konsequenterweise auch Nord Stream 2 bekämpft. Beide Pipelines sollten den russischen Erdgastransit durch die Ukraine und Polen nach Westeuropa umgehen und wurden deshalb auch im Baltikum als Sicherheitsrisiko vor allem für die Ukraine angesehen. Der russische Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 hat Warschau recht gegeben.
Während Dänemark und Schweden die Ermittlungen inzwischen eingestellt haben, waren in Deutschland bald drei Taucher aus der Ukraine ins Fadenkreuz der Ermittler geraten. Gegen einen von ihnen hatte die deutsche Generalbundesanwaltschaft, wie erst am Mittwoch bekanntwurde, offenbar Mitte Juni einen internationalen Haftbefehl erwirkt und diesen an Polen übermittelt.
Die polnische Polizei hätte den vermutlich in Pruszkow bei Warschau wohnhaften Mann innerhalb von 60 Tagen ohne weitere Prüfung festnehmen sollen. Doch Wolodymyr Z. ist inzwischen untergetaucht, wobei in Berlin offenbar vermutet wird, dass er unbehelligt in die Ukraine ausgereist ist. Warschau machte für die mutmassliche Ausreise des Ukrainers in seine Heimat Ende Woche einen fehlenden Eintrag der deutschen Strafverfolger ins Schengen-Register verantwortlich.
Mangelnde Kooperation Warschaus
Immerhin soll die polnische Staatsanwaltschaft den Haftbefehl erhalten haben. Dieser jüngsten Panne vorausgegangen ist laut den deutschen Ermittlern eine fehlende Kooperation der Polen im Vorjahr. So soll Wolodymyr Z. im September 2022 mit dem ebenso Tauchsport-begeisterten ukrainischen Ehepaar U. auf einer gemieteten deutschen Segeljacht namens «Andromeda» zwischen Rostock, Rügen, der kleinen dänischen Insel Christianso, dem schwedischen Sundhamn und dem polnischen Kolobrzeg (Kolberg) unterwegs gewesen sein.
Auf dem Segelschiff wurden danach Sprengstoffspuren gefunden. In polnischen Hoheitsgewässern soll sich die «Andromeda» nur knapp zwölf Stunden aufgehalten haben, jedoch in Kolobrzeg von einer Sicherheitskamera gefilmt worden sein. Diese Aufnahmen seien jedoch routinemässig schnell gelöscht worden, heisst es bei der Danziger Staatsanwaltschaft. Eine Kontrolle des polnischen Grenzschutzes ergab am 19. September 2022 einen «rein touristischen Charakter» der Segelschiffsreise. Die Besatzung sei auf der «Suche nach Spass» gewesen, notierten die Polen.