Die Vulkangruppe hat sich zur Sabotage der Stromversorgung des E-Auto-Herstellers bekannt. Sie könnte auch international agieren.
Nach dem linksextremistisch motivierten Anschlag auf die Stromversorgung der Tesla-Fabrik in Brandenburg am Dienstag rückt in Deutschland das Gewaltpotenzial der mutmasslichen Täter, aber auch der linksextremistischen Szene insgesamt in den Fokus.
Zum Brandanschlag auf einen Hochspannungsmast hatte sich die Vulkangruppe bekannt. Die Polizei bestätigte am Mittwoch die Echtheit des Bekennerschreibens. Darin würden Anschlagsinterna genannt, die nur an der Ausführung Beteiligte wissen könnten.
Vulkangruppe nahm Tesla schon vorher ins Visier
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen sagte am Donnerstag im «Deutschlandfunk», dass er die Täter in Berlin vermutet. Mit Blick auf die Vulkangruppe sagte er: «Sie agiert, was die Anschläge in Brandenburg betrifft, aus Berlin heraus, sitzt dort offensichtlich auch mit ihren Personen und agiert bundesweit, möglicherweise sogar international.»
Der Christlichdemokrat hatte deshalb bereits am Mittwoch gefordert, dass der deutsche Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich ziehe. Die Landespolizei sei damit überfordert, den Verfolgungsdruck so aufzubauen, wie es notwendig sei. Die wegen verfassungsfeindlicher Sabotage ermittelnde Staatsanwalt Frankfurt (Oder) teilte am Donnerstag mit, dass der Generalbundesanwalt über das Verfahren unterrichtet sei. Er werde entscheiden, ob er es an sich ziehe.
Die Vulkangruppe fiel seit 2011 immer wieder durch Sabotage von Energieinfrastruktur auf. So soll die Gruppe die bei Berlin gelegene Tesla-Fabrik 2021 bereits während der Erbauung ins Visier genommen und einen Anschlag auf die Stromversorgung der Baustelle verübt haben. Linksextremisten begingen anlässlich der Eröffnung der Tesla-Fabrik im März 2022 zudem einen Brandanschlag auf eine S-Bahn-Linie. Damit wollten sie laut einem Selbstbezichtigungsschreiben pendelnde Angestellte daran hindern, zur Fabrik zu gelangen.
Die linksextreme Szene wirft Tesla Ausbeutung von Mensch und Natur vor. Nach dem Anschlag zu Wochenbeginn musste die Produktion in der Fabrik des Elektroautoherstellers eingestellt werden. Auch Tausende Haushalte wurden von der Stromversorgung abgeschnitten. Ein Logistikzentrum der Lebensmittelkette Edeka ist ebenfalls betroffen. Tesla schätzt die Folgekosten des Produktionsausfalls auf einen hohen neunstelligen Betrag. Eine Sprecherin des Werkes erklärte am Mittwochabend, dass die Fabrik noch bis Ende kommender Woche ohne Strom sein werde.
Faeser schätzt linksextremes Gefährdungspotenzial als hoch ein
Mit dem Anschlag rückt auch Deutschlands linksextreme Szene wieder stärker in den Fokus. «Das vom Linksextremismus ausgehende Gefährdungspotenzial ist nach wie vor hoch», sagte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser am Mittwoch der «Rheinischen Post». «Die Sicherheitsbehörden gehen daher weiter entschieden gegen die linksextremistische Szene vor», sagte Faeser.
Der politische und mediale Fokus liegt freilich weiterhin ganz überwiegend auf der rechtsextremen Szene. Bereits bei ihrem Amtsantritt im Dezember 2021 hat Faeser den rechten Extremismus als grösste Bedrohung für die deutsche Demokratie bezeichnet. Jüngst legte sie ein Bündel von Massnahmen gegen Rechtsextremisten vor. Vergleichbare Massnahmen gegen Linksextremisten fehlen bislang.
Laut dem Bericht des Bundesverfassungsschutzes für das Jahr 2022 steigt das linksextremistische Personenpotenzial seit Jahren an. Wurden der Szene 2020 noch 34 300 Personen zugerechnet, waren es im letzten Untersuchungszeitraum 2022 bereits 36 500. Als «gewaltorientiert» gilt dem deutschen Inlandgeheimdienst jede vierte. Auch hier nehmen die Zahlen zu. Waren es 2020 etwa 9600 Personen, wurde die Zahl 2022 auf 10 800 Menschen geschätzt.
Zum Vergleich: Der rechtsextremen Szene wurden 2022 etwa 38 000 Personen zugeordnet, davon gelten 14 000 als gewaltorientiert. Wie im linksextremen Spektrum gibt es auch hier eine Zunahme.
Laut Verfassungsschutzbericht war die Sachbeschädigung auch 2022 die häufigste von Linksextremisten begangene Straftat. Wie bei den 62 erfassten Brandstiftungsdelikten konnte hier im Vergleich zum Vorjahr indes ein deutlicher Rückgang verzeichnet werden. Dennoch wurden auch 2022 von Linksextremisten laut Inlandgeheimdienst wieder Sachschäden in Millionenhöhe verursacht.
Den insgesamt etwa 3800 linksextrem motivierten Straftaten standen 2022 über 20 000 als rechtsextrem eingestufte gegenüber. Die Zahlen sind allerdings nur bedingt vergleichbar, weil das Gros rechtsextremer Straftaten in den Bereich sogenannter Propagandadelikte fällt. Damit ist das Verwenden verbotener Symbole wie des Hakenkreuzes gemeint. Im linken Bereich fehlen analoge Straftatbestände weitgehend.
Aber auch beim direkten Vergleich von Gewaltdelikten gegen Menschen und Sachen liegen Rechtsextremisten im letzten vollständig veröffentlichten Untersuchungszeitraum 2022 deutlich vor Linksextremisten. Etwa 600 linksextremen Delikten standen über 1000 rechtsextreme gegenüber.
Allerdings war 2022 im linksextremen Bereich im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 39 Prozent zu verzeichnen. In den Vorjahren war die Diskrepanz deutlich geringer. 2021 beispielsweise wurden 945 rechtsextreme und 987 linksextreme Delikte gezählt. 2020 standen 1092 rechtsextreme 1237 linksextremen Gewalttaten gegenüber.